zum Hauptinhalt
Ersatz für die Originale. Jürgen Thiel montiert die neuen Leuchter.

© Tobias Reichelt

Potsdam-Mittelmark: Die Krönung

Fast wie vor 100 Jahren: Die Teltower St. Andreas-Kirche hat ihre Leuchter zurück

Teltow - Die „Ahhhs“ und „Ohhhs“ sind nicht zu überhören. Helles Licht erfüllt das Teltower Kirchenschiff, als Michael Wilcke den Schalter umlegt. Bis in die letzte Ecke der St. Andreas-Kirche reicht der Schein des neuen Kronleuchters. Zwei alte Damen blicken andächtig zur Decke über dem Altar. Sie konnten die Premiere am Sonntag nicht abwarten. Heimlich haben sie sich in die Kirche geschlichen. „Die Besucher werden genauso staunen“, sagt Kirchwart Wilcke. Dann dreht er den Schalter zurück.

Es ist so etwas wie die Krönung für die seit fast vier Jahren andauernde Sanierung der St. Andreas-Kirche. Etwa 100 Glühlampen an drei neuen Kronleuchtern sollen nun wieder das Gotteshaus erleuchten – fast so wie vor einhundert Jahren. Denn zwischen den Jahren 1910 und 1912 hatte der Dekorations- und Historienmaler August Oetken (1868 - 1951) dem Kircheninneren nicht nur ein hölzernes, bemaltes Gewölbe verpasst, sondern mit drei pompösen Kronleuchtern auch eine neue Beleuchtung. Der schwerste der drei Stahlleuchter soll etwa 150 Kilo auf die Waage gebracht haben. Alle drei zierten die sechs Pforten zum himmlischen Jerusalem, eine Pflanze rankte sich kunstvoll um die Schmuckstücke.

„Leider sind die Leuchter in den 60er-Jahren verschwunden“, erzählt Kirchwart Wilcke. Es war die Zeit, in der der Prunk des Historismus, die vielen Farben an Decken und Wänden, die Verzierungen an der Kanzel, die Epitaphe an der Wand und eben auch die Leuchter nicht mehr in das Bild der Kirche zu passen schienen. Vieles davon wurde damals in der St. Andreas-Kirche in einem monotonen Hellgrau und Grün überpinselt oder einfach abgebaut – auch die Leuchter verschwanden. Die einzige Spur zu ihnen führte bis in den Dachboden des nahen Pfarrhauses in der Ritterstraße. „Doch dort verliert sie sich“, sagt Wilcke. Fast seien die Kronleuchter in Vergessenheit geraten – bis zu jener unheilvollen Nacht im Jahr 2009.

Ein verheerender Schwelbrand in der Kirche hatte die komplette Elektrik in Mitleidenschaft gezogen. Giftige Dämpfe hatten sich unter dem Kirchendach festgesetzt. Eine klebrige Rußschicht hatte alles im Inneren bedeckt. Ein Versicherungsschaden von rund 220 000 Euro war entstanden. Statt nur die gröbsten Schäden zu beheben, entschied sich die Kirche, das Gotteshaus komplett zu sanieren. Seitdem sind rund eine halbe Million Euro in das Kirchenhaus geflossen und vieles sieht heute wieder so aus, wie es sich Maler Oetken erdacht hatte: Das Jesus-Kreuz hängt an seinem angestammten Platz am Ostgiebel der Kirche. Dahinter ist ein alter Wandteppich zu sehen, den die Restauratoren wieder zum Vorschein gebracht haben. Das historische Tonnengewölbe des Kirchenschiffs erstrahlt in frischen Farben. Nur die Leuchter fehlten noch. Doch Nachfragen innerhalb der Kirchengemeinde blieben ergebnislos. Die Schmuckstücke waren nicht zu finden. So begab sich Kirchwart Wilcke auf die Suche nach alten Fotos und Zeichnungen, um die Leuchter nachbauen zu lassen. Die Firma Buck aus Bielefeld übernahm den Auftrag.

Fast ein Jahr hat es gedauert, um die Leuchter anzufertigen, erzählt Mitarbeiter Jürgen Thiel. Erst wurde ein kleines Modell gebaut, später die Originale angefertigt. Stück für Stück wurden die Verzierungen mit Blei in das Blech der Leuchter geschlagen, alles per Hand. Knapp 1,6 Meter misst der große Leuchter. Alle drei zusammen haben rund 60 000 Euro gekostet. Der Landkreis gab 10 000 Euro. Der Hauptteil soll aus Spenden finanziert werden – weitere 10 000 Euro konnte die Kirche bereits sammeln. Den Rest hat die Kirchengemeinde zwischenfinanziert. Nach und nach soll der Betrag über weitere Spenden eingeworben werden. „Dazu brauchen wir weiterhin Hilfe“, sagt Kirchwart Wilcke.

Deshalb soll die Ankunft der drei neuen Leuchter am Sonntag, dem 3. November, um 10.30 Uhr mit einem Gottesdienst gefeiert werden. Und wieder werden wohl viele „Ahhs“ und „Ohhs“ erklingen, wenn Kirchwart Wilcke den Lichtschalter betätigt. Tobias Reichelt

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false