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Als Erster entdeckt. Locationscout Peer Hartwig freut sich, wenn er einen Drehort findet, an dem zuvor noch kein Filmteam gewesen ist. Wie auch hier auf dem Ruhlsdorfer Pferdehof. Dort wurden Szenen für eine neue Sat. 1-Serie gedreht, die in Berlin spielt. Die TV-Kommissarin reitet darin auch gerne mal zu den Tatorten.

© Andreas Klaer

Potsdam-Mittelmark: Der Mann für den perfekten Drehort

Seit 30 Jahren ist Peer Hartwig aus Kleinmachnow auf der Suche nach Motiven für Film und Fernsehen

Von Eva Schmid

Kleinmachnow – Peer Hartwig tritt auf die Bremse. Abrupt bleibt sein Wagen auf einer Landstraße stehen. Der Sohn auf dem Beifahrersitz schaut seinen Vater verdutzt an. Der Mann mit den wachen Augen hat etwas entdeckt. Dieses Mal ist es ein Pferdehof in Ruhlsdorf. Er steigt aus dem Auto, zückt sein Handy, schießt Fotos. Dann klingelt er bei den Besitzern des Pferdehofs und stellt sich vor. Er sagt, er sei vom Film, ob er mal reinkommen dürfe, um sich umzuschauen. Sein Sohn wartet im Auto, der Familienausflug muss warten. Seit 30 Jahren geht das schon so, sagt Peer Hartwig. Der Kleinmachnower ist Locationscout. Für Film- und Fernsehproduktionen ist er ständig auf der Suche nach geeigneten Motiven und Drehorten.

„Ein Navigationsgerät will ich nicht haben“, sagt Hartwig und schüttelt den Kopf. Er wolle sich verfahren, um Neues zu entdecken. Der quirlige Locationscout weiß, was sich hinter so manch geheimnisvoller Fassade verbirgt. Er war schon im Güterfelder Schloss und auch in prachtvollen Wohnzimmern in Wannsee-Villen. Er zockte in verrauchten Wettbüros, stapfte durch verlassene Kasernen und trank auch schon türkischen Tee auf Plüschsofas in Berlin-Kreuzberg.

Von vielen Orten im Potsdamer Umland ist er begeistert. „Die Nudower Kiesgruben sind super“, sagt Hartwig mit leuchtenden Augen. In dem Ortsteil von Nuthetal könnten Filmleute sehr gut eine Plastikleiche verbuddeln. „Die Story kann man dann ganz geheimnisvoll erzählen: dichter Wald, die Einsamkeit – das bringt Spannung“, sagt Hartwig. Auch das Schloss Petzow, der morbide Charme der Beelitzer Heilstätten, die alte Dorfkirche in Kleinmachnow und auch die dort nahe Schifffahrtsschleuse seien wichtige Adressen in seiner Datei von Drehorten.

Für Aufnahmen von Villen, Straßen und Landschaften sei Potsdam-Mittelmark ideal, sagt Hartwig. Zumal die Filmcrew, die meist in Berlin untergebracht ist, schnell ins Umland fahren könnte. „Morgens geht der Verkehr ja eher in die Hauptstadt rein und in Berlin staut es sich oft.“ Jede Minute gewonnene Drehzeit ist Balsam für sparsame Produzenten, sagt Hartwig.

Dass Potsdam-Mittelmark für die Filmwirtschaft seinen Reiz hat, zeigt auch eine aktuelle Auswertung der länderübergreifenden Filmfördergesellschaft Medienboard Berlin-Brandenburg. Demnach lag das Potsdamer Umland im vergangenen Jahr mit 18 Außendrehs im Ranking der brandenburger Landkreise an der Spitze. „Von deutschen und internationalen Filmemachern wird Potsdam-Mittelmark für seine vielfältigen Originalschauplätze geschätzt“, erklärt Medienboard-Geschäftsführerin Kirsten Niehuus. Das gelte für namhafte Regisseure wie Detlev Buck, der im Landkreis seinen aktuellen Film „Bibi & Tina“ gedreht hat, oder auch für Filmstars wie Tom Cruise, der in Beelitz Szenen für seinen Film „Operation Walküre“ filmte. Das Potsdamer Umland werde in der Branche auch für seine Felder, Wiesen, Wälder, Seen, Alleen und Dörfer geschätzt, so Niehuus. „Auch die Nähe zum Studio Babelsberg ist wichtig, das bedeutet kurze Wege für Crew und Equipment.“

Insgesamt zieht die Filmfördergesellschaft für das vergangene Jahr und für die gesamte Region eine positive Bilanz: Über 5000 Drehtage habe es laut Medienboard-Schätzungen in Berlin und Brandenburg gegeben. Brandenburg kommt damit auf 47 Kino- und Fernsehfilme. Krimis hatten im Umland Konjunktur: Der „Polizeiruf 110“ wurde im Beelitzer Rathaus aufgenommen, der „Kriminalist“ ermittelte auf Stahnsdorfs Dorfplatz und die „Soko Wismar“ war in Fresdorf, Wilhelmshorst und Langerwisch unterwegs.

„Das Potsdamer Umland ist ein unverbranntes Gebiet“, sagt Hartwig. Nicht umsonst komme ein George Clooney hierher zum Dreh, zum Beispiel für seinen aktuellen Film „Monuments Men“.

Wichtig sei, dass nach wie vor die Hürden durch das Ordnungsamt niedrig gehalten werden, sagt Hartwig. Im Gegensatz zu vielen Berliner Verwaltungen stelle das Landratsamt in Bad Belzig schnell und zügig Drehgenehmigungen aus. „Und die Mittelmärker freuen sich noch, wenn man kommt, um bei ihnen Filme zu drehen.“ Auch das sei in der Bundeshauptstadt anders. Dort treffe man oft auf genervte Anwohner. Hartwig hat für sie Verständnis: „Tagelang findet man keinen Parkplatz mehr und es betrifft häufig die gleichen Straßen.“ Immer wieder am gleichen Ort zu drehen, sei nicht nur für einen Locationscout langweilig. Auch der Zuschauer würde das mitkriegen. Hartwig hat deshalb den Anspruch, Orte ausfindig zu machen, an denen zuvor noch nie gedreht wurde. „Das ist das Salz in der Suppe.“ Nur bei Innendrehs könne man durch die Ausstattung so viel verändern, dass keiner was merke.

Wenn der Kleinmachnower unterwegs ist, dann hat er immer Drehbuch und Budget im Kopf. Für einen 90-minütigen Fernsehfilm stünden meist zwischen einer bis anderthalb Millionen Euro zur Verfügung. Schicke Villen schlagen mit einer Miete von bis zu 10 000 Euro pro Tag teuer zu Buche. „Für normale Wohnräume zahlen wir den Eigentümern pro Tag ihre normale Monatsmiete“, so Hartwig. Um das Einverständnis der Hausbesitzer für einen Filmdreh zu bekommen, hat der Locationscout seine Tricks. „Ich frage dann oft, ob sie nicht eh bald mal wieder streichen wollen.“ Den Service übernehme dann die Produktionsfirma. Meist würde die Filmcrew die Wände sowieso umstreichen: „Kameraleute hassen weiße Wände.“ Im Fernsehen seien deshalb viele Polizeireviere in Grau-, Blau- oder Grüntönen gehalten. Das sei doch völlig unrealistisch. Dann zuckt Hartwig mit den Schultern: Im Filmgeschäft gehe es um Illusionen, nicht um Realität.

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