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Die Betreuung für Minderjährige mit geistiger Behinderung – hier die eines Neunjährigen in Berlin – ist in Brandenburg schlecht ausgebaut.

© J. Büttner/dpa

Debatte um Betreuungskosten in Brandenburg: Betreuung: Mangelhaft!

Eltern behinderter Kinder und Jugendlicher müssen für den Schulhort in Brandenburg Zuzahlungen leisten - bis zu 500 Euro pro Monat. Betroffen ist auch ein Zwölfjähriger aus Bergholz-Rehbrücke. Der Landtag könnte das bald ändern.

Von Sarah Stoffers

Bergholz-Rehbrücke - Daniel aus Bergholz-Rehbrücke geht in die sechste Klasse der Parzival-Förderschule in Zehlendorf. Der Zwölfjährige hat Down-Syndrom, benötigt daher Betreuung und eine besondere Förderung. „Daniel besucht die Schule gerne und hat dort Freunde. Wir haben an der Schule gute Erfahrungen gemacht und wollen da auch bleiben“, sagt sein Vater Martin Beesk.

Familie muss 500 Euro pro Monat Betreuungskosten zahlen

Doch ab dem nächsten Schuljahr muss die Familie dafür wahrscheinlich tief in die Tasche greifen. Daniel kommt im kommenden Jahr in die 7. Klasse - von da an wird das Land Brandenburg nicht mehr die Nachmittags- und Ferienbetreuung des Jungen finanzieren. Die Parzival-Schule hat auch einen Hort, in dem Daniel bislang nach der Schule und in den Ferien betreut wurde.

„Er ist in der privilegierten Situation, dass es in der Schule einen Hort gibt, den er nutzen kann. Aber das Gesetz im Land gibt uns nicht die Möglichkeit“, so Beesk. In Brandenburg endet der Anspruch auf einen Hortplatz nach Abschluss der sechsten Klasse. Danach müssen die Eltern die Kosten für die Betreuung oft selber tragen. Denn nicht in allen Landkreisen und kreisfreien Städten werden die Eltern unterstützt. Auch die Betreuung von Daniel wird nicht vom zuständigen Landkreis Potsdam-Mittelmark finanziert werden. Für die Familie bedeutet das etwa 500 Euro im Monat, die sie zusätzlich stemmen muss.

Martin Beesk kämpft für seinen Sohn.
Martin Beesk kämpft für seinen Sohn.

© A. Klaer

In den vergangenen Jahren haben betroffene Eltern wie Beeske und seine Frau Christine Schirmer die politisch Verantwortlichen immer wieder auf die Probleme rund um die Betreuung aufmerksam gemacht.

Am Donnerstag gab es zu dem Thema im Landtag eine öffentliche Anhörung in einer gemeinsamen Sitzung von Bildungs- und Sozialausschuss. Die oppositionellen Fraktionen von CDU und Grünen hatten gemeinsam bereits im Juni einen Antrag gestellt, um die ganztägige Betreuung für Kinder und Jugendliche mit besonderem Förderbedarf im Land zu verbessern. Sie fordern die Landesregierung auf, die benötigte Betreuung in dem Bereich in Brandenburg zu ermitteln und entsprechende Maßnahmen, gegebenenfalls durch eine Änderung des Kitagesetzes, in die Wege zu leiten.

Doppelhaushalt wird Probleme in der Betreuung nicht alleine lösen

Zwar wollen SPD und Linke im noch nicht beschlossenen Doppelhaushalt 2019/20 rund 1,2 Millionen Euro zur Finanzierung von Ferienangeboten einplanen. Doch alle Probleme in der Betreuung wird das nicht lösen können, wie bei der Anhörung deutlich wurde. Neben der Behindertenbeauftragten des Landes, Elke Mandel, Frank Thomann vom Fachbereichsleiter Soziales und Gesundheit der Stadt Potsdam oder Elias Böhm vom Landesbehindertenbeirat waren auch einige Initiativen und Vereine eingeladen, die Angebote für behinderte Kinder und Jugendliche aufgebaut haben oder Eltern bei ihrer Suche nach Betreuungsmöglichkeiten unterstützen. Sie berichten von den Problemen, die ihnen bei ihrer Arbeit begegnen.

Mangelhafte Ganztagsbetreuung

Neben der fehlenden Betreuungsabdeckung für ältere Kinder und Jugendliche mit Förderbedarf ist vor allem die mangelhafte Ganztagesbetreuung problematisch - darin sind sich alle Institutionen, Verwaltungen und Vereine, die den Antrag der beiden Fraktionen unterstützen, einig. Eine konsequente Umsetzung der Rechte und Chance von behinderten Menschen sei unter den derzeitigen Umständen so nicht möglich, erklärte Böhm. „Die Förderschule wird als Ganztagsschule bezeichnet, obwohl sie nur bis 15 Uhr geöffnet hat.“ Dadurch entstehe eine Betreuungslücke für die Eltern. Noch schlimmer sehe es in den Ferien aus. Die Ausweichmöglichkeiten für die Eltern seien mit hohen Kosten verbunden. Einige Eltern sind gezwungen, ihren Urlaub in der Zeit so aufzuteilen, dass ihr Kind nicht alleine ist, erklärte Böhm den Ausschussmitgliedern. Und auch lange Fahrtwege zum Wohnort werden durch die mangelhaften Angebote zu einem großen Problem, wie die geladenen Gäste in ihren Redebeiträgen betonten. Sie alle hoffen auf schnelle und unbürokratische Lösungen.

Mehr Angebote für betroffene Familien benötigt

Die Nachfragen der Ausschussmitglieder gingen vor allem in die Details der konkreten Umsetzung hinein. Darin, dass der Förderbedarf unzureichend gedeckt ist, waren sich die Mitglieder einig. So erklärten etwa die jugendpolitische Sprecherin Simona Koß und die sozialpolitische Sprecherin Sylvia Lehmann (beide SPD), dass es durchaus vereinzelt sehr gute Angebote im Bereich der Betreuung gebe, „allerdings fehlen vielerorts die entsprechenden Strukturen. Hier benötigen wir noch deutlich mehr Angebote, auch um die betroffenen Familien besser zu entlasten“, so Lehmann.

Daniels Vater sieht die Diskussion zumindest als einen ersten Schritt. Er glaubt, dass zunächst die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden sollten, bevor im Einzelnen über die Umsetzung nachgedacht wird. Was er sich jedoch fragt: „Wenn alle in den Fraktionen eine Verbesserung für dringend notwendig befinden, warum ist dann bis heute noch nichts in Angriff genommen worden?“

Am 17. Januar wollen die beiden Ausschüsse in einer abschließenden Beratung über die Anfrage von CDU und Grünen entscheiden.

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