zum Hauptinhalt
Dichtes Dreieck. Zwischen dem Dreieck Nuthetal und der Abfahrt Glindow herrschte diese Woche täglich Stau.

© Lutz Hannemann

Ausbau des Berliner Rings: „Wir werden von einer Blechlawine erdrückt“

Die Anrainerkommunen wehren sich gegen Arbeiten auf der A 10 bei Michendorf. Die wird – entgegen aller Zusagen – immer wieder eingeengt.

Von Enrico Bellin

Die schlimmsten Befürchtungen sind wahr geworden. In einem offenen Brief beklagen die Kommunen Beelitz, Schwielowsee, Michendorf, Nuthetal und Seddiner See, dass sie seit dem Beginn des Ausbaus des Berliner Ringes „buchstäblich erdrückt werden von einer schier endlosen Blechlawine, die das Leben in unseren Städten und Gemeinden über Tage zum Erliegen bringt“. Entgegen aller Ankündigungen werde die Verkehrsführung im Baubereich zwischen den Dreiecken Nuthetal und Potsdam nicht nur ausnahmsweise, sondern offenbar regelmäßig auf weniger als drei Spuren reduziert.

"Unerträgliche Einschnitte in das Leben unserer Einwohner und Gäste"

Der Brief ist unter anderem an die bundeseigene Deutsche Fernstraßenplanungs- und Entwicklungsgesellschaft (Deges), das Bundesverkehrsministerium sowie an das brandenburgische Innen- und das Infrastrukturministerium, den Landesbetrieb Straßenwesen und die Polizeidirektion West gegangen. „Fast noch schlimmer als diese unerträglichen Einschnitte in das Leben unserer Einwohner und Gäste ist die Ignoranz, welche die Verantwortlichen gegenüber unseren Hilferufen an den Tag legen“, heißt es darin weiter. So spreche die Deges, die die Planung und den Bau leitet, in der Presse von Ausnahmen, wenn einige der jeweils drei Autobahnfahrspuren gesperrt werden müssen, „nur um dann doch wieder die Fahrspuren zu reduzieren“.

Wie berichtet ist Ende März mit dem Ausbau der Autobahn von sechs auf acht Fahrspuren begonnen worden, die Arbeiten sollen erst 2020 abgeschlossen sein. Sowohl das Infrastrukturministerium als auch die Deges hatten vor dem Baubeginn stets versichert, dass der Ausbau ohne Belastungen für die Anrainerkommunen erfolgt, fast immer drei – wenn auch eingeengte – Spuren in jeder Richtung bereitstehen werden. Erst auf Nachfrage war zu erfahren, dass die Autobahn nach nur einem Wochenende, an dem alle Fahrspuren zur Verfügung standen, seit dem vergangenen Montag erneut nur zwei Fahrstreifen pro Richtung hat. Das soll laut Landesstraßenbehörde noch bis 17. Juni dauern, die Deges spricht sogar vom 20. Juni.

Infrastrukturministerium: "Wir bedauern die Einschränkungen für die Kommunen"

Laut Deges-Sprecher Michael Zarth werden in dieser Zeit temporäre Lärmschutzwände aufgestellt. „Die Verkehrsführungen für den Ausbau der A 10 werden sorgfältig geplant und mit allen Beteiligten (Polizei, Autobahnmeisterei, Verkehrsbehörde) abgesprochen“, so Zarth. Bis Dezember soll es dann aber nur noch in Teilbereichen Sperrungen geben. „Wir bedauern die Einschränkungen für die Kommunen, bei der Einrichtung einer Baustelle kann so etwas aber entstehen“, kommentiert Steffen Streu, Sprecher des Infrastrukturministeriums, den offenen Brief und verweist auf den besseren Verkehrsfluss auf der Autobahn nach 2020.

In den Kommunen ist man angesichts falscher Zusagen derweil stinksauer. „Am Donnerstag war der Verkehr von der Autobahn so schlimm, dass man nicht mehr von Caputh nach Ferch gekommen ist“, erklärt Schwielowsees Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU) den PNN. Da es in den Nachbarkommunen kaum besser ist, entschloss man sich zum Brief, in dem unter anderem gefordert wird, dass die betroffenen Straßen während der Bauzeit der Autobahn für Lastwagen gesperrt werden sollen.

Umleitungsstrecken sind keine Alternative mehr

Außerdem sollen Autofahrer auf den Hinweistafeln der Autobahnen darauf hingewiesen werden, dass die Umleitungsstrecken im Staufall keine Alternative mehr sind. Zudem solle der Verkehr in den Orten bei Bedarf schnell durch Polizisten geregelt werden. Auch sollten einschneidende Maßnahmen, für die Fahrspuren gesperrt werden müssen, künftig nachts vorgenommen werden. Das hatte unlängst auch der ADAC in den PNN empfohlen.

Für die Anwohner entlang der Umgehungsstraßen bedeutet der tägliche Dauerstau große Einschränkungen: „Ich habe von Langerwischern gehört, dass sie ihr gesamtes Einkaufsverhalten ändern müssen, weil sie kaum noch nach Michendorf kommen“, so Bürgermeister Reinhard Mirbach (CDU). Viele Autofahrer würden in Saarmund von der A 115 abfahren und über Langerwisch wieder zur Michendorfer Autobahnauffahrt wollen. Spätestens ab dem Langerwischer Rosengut gebe es dabei oft Stau.

Fast täglich Unfälle

Auch in der Gegenrichtung von Beelitz zur Autobahnauffahrt herrsche Verkehrschaos. „Da die B 2 meist zugestaut ist, versuchen Autofahrer, durch die Ortsteile Bergheide oder Six schneller voranzukommen“, so Mirbach. Dort sind die Straßen meist nicht befestigt, die Autos ziehen Staubfahnen hinter sich her. Auch die Freiwillige Feuerwehr Michendorf würde die Bauarbeiten auf der Autobahn zu spüren bekommen. „Fast täglich gibt es dort Unfälle, zu denen sie ausrücken müssen“, so der Bürgermeister.

Für die Kommunen wird die Verkehrsbelastung wohl auch langfristige Auswirkungen haben, da Straßen zerstört werden. „In Ferch sind Teile der Dorfstraße gepflastert, die Straße ist für den Schwerlastverkehr gesperrt“, so Kerstin Hoppe. Doch derzeit würden sich Laster-Fahrer oft nicht daran halten. Da die Ortsdurchfahrt eng und nicht für die Begegnung von großen Fahrzeugen gebaut ist, würden die Lastwagen teilweise sogar auf den Bürgersteig ausweichen.

Schadenersatz für zerstörte Straßen?

Auch der Beelitzer Bürgermeister Bernhard Knuth (Bürgerbündnis) fürchtet um seine Straßen. So würden die Karl-Marx-Straße nach Beelitz-Heilstätten oder die Virchowstraße in der Innenstadt vom Verkehr erdrückt. „Es geht so nicht weiter. Wir prüfen, ob wir Schadenersatz für die zerstörten Straßen fordern“, so Knuth gegenüber den PNN. Die Lage werde sicher sogar noch schlimmer, das Baukonzept der Deges gehe nicht auf.

Wenig Gutes lässt Knuth an der Polizei, die den Verkehr an der wichtigen Kreuzung der Berliner Straße mit der B 246 in der Innenstadt nicht einmal zum Spargelfest am vergangenen Wochenende geregelt hat – obwohl bei zwei von vier Ampelphasen wegen Sperrungen gar keine Autos fahren konnten. Der Rückstau auf der Bundesstraße reiche oft weit über den Bahnübergang und den anschließenden Kreisverkehr hinweg. Steht ein Lastwagen im Kreisel, sei oft auch die Weiterfahrt in Richtung Schäpe nicht möglich.

Da bei Markierungsarbeiten auf der Autobahn Anfang April bereits ähnliche Verhältnisse in Beelitz herrschten, hatte Knuth schon einmal ohne seine Nachbarkommunen einen Brief an die Ministerien geschickt. In der Antwort vom Bundesverkehrsministerium ist Knuth zufolge die enge Zusammenarbeit von Ministerium und Deges sowie die gute Bauplanung gelobt worden. Auf die massiven Probleme und Nöte der Stadt sei man überhaupt nicht eingegangen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false