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Rundum sicher. In den Sommermonaten bietet das ADAC-Fahrsicherheitszentrum in Linthe spezielle Kurse für junge Fahranfänger an. Vor Ort können sie etwa lernen, das Auto auf nasser Fahrbahn sicher zum Stehen zu bringen.

© Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Potsdam-Mittelmark: An der Grenze des Möglichen

Auf dem Gelände des ADAC-Fahrsicherheitszentrums Linthe lernen Fahranfänger, ihre Autos noch besser zu beherrschen. Doch nur wenige kommen, weil sie es selber wollen. Ein Besuch

Linthe - Die erste Hand greift ins Leere. Noch ein wackeliger Schritt nach vorn, dann beugt Marie Sprunk die Knie, legt den Oberkörper leicht nach vorn und packt den vor ihr aufragenden Kegel. Das Objekt fest in beide Hände gepresst, steuert die 18-Jährige auf den nächsten Kegel zu und lässt den ihren aus den Händen gleiten. Erleichtert richtet sie sich auf und nimmt die dickglasige Brille vom Kopf. Unter erschwerten Bedingungen hat sie die rot-weißen Kegel eingesammelt und aufeinandergestapelt. „Das war ganz cool“, sagt sie später.

Mit der sogenannten Rauschbrille fühlte sich Marie Sprunk wie nach zwei, drei kleinen Bier. „Die Brille simuliert, wie sich das Sichtfeld unter Alkoholeinfluss verändert“, erklärt Manuela Mehnert von der Berliner Marketingagentur Brand Campus. Die Agentur ist zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit des auf dem direkt an der Autobahn A9 gelegenen ADAC-Fahrsicherheitszentrums in Linthe, das ganzjährig Trainings für verschiedene Zielgruppen anbietet – vom Anfänger bis zum Berufsfahrer.

In der Ferienzeit richten sich die Kurse vor allem an junge Fahrer, die das Sicherheitszentrum mit Sonderangeboten lockt. Doch die wenigsten kommen, weil sie es selber wollen, sagt Fahrsicherheitstrainer Jürgen Dörfler. „Oft sind es Gutscheine, die eingelöst werden“, erzählt er. Doch die Stimmung, mit der die 17- bis 25-Jährigen morgens zum Training kommen, wandele sich schnell. Aus einem „Ich muss da irgendwie durch“ entwickele sich im Laufe des Tages oftmals Begeisterung, sagt der 62-Jährige. „Die Theorie zieht sich ein bisschen, aber der praktische Teil macht Spaß“, bestätigt auch Marie Sprunk, die von ihrer noch 17-jährigen Freundin Chalin Meyer begleitet wird. „Für vieles hat man in der Fahrschule einfach gar keine Möglichkeit“, meint Sprunk. Sie habe sich schon vor dem Training sicher gefühlt, aber es sei „gut zu wissen, dass man auch schwierige Situationen bewältigen kann“.

Mit dem eigenen Auto bewegen sich die Teilnehmer über den Parcours. „Das ist auch sinnvoll“, erklärt Manuela Mehnert. Im geschützten Rahmen können die Fahranfänger sich ausprobieren, erleben, wie das eigene Auto in bestimmten Situationen und unter verschiedenen Bedingungen reagiert. Etwa beim Slalom um die in knappem Abstand von 18 Metern aufgestellten Kegel oder bei einer Vollbremsung auf nassem Asphalt. „Wann hat man schon die Chance, das eigene und andere Autos im Grenzbereich zu sehen“, sagt auch Dörfler. Vor 13 Jahren wurde der Berufskraftfahrer auf dem Gelände in Linthe zum ADAC-Fahrsicherheitstrainer ausgebildet, seitdem leitet er in Linthe und anderen Orten Deutschlands verschiedene Kurse. Vor allem gehe es ihm dabei darum, den Schülern eigene Fehler und Gefahren bewusst zu machen, erklärt er. Etwa wie die Fliehkraft in der Kurve wirkt oder wie wichtig der richtige Sicherheitsabstand ist.

Neben ganz praktischen Übungen im Auto werden dabei eben auch der Einfluss von Alkohol und Drogen thematisiert – gerade bei den Trainings, die sich an junge Leute richten. Die Rauschbrille ist da eine Möglichkeit. Allerdings: Fahren dürfen Dörflers Probanden mit der Brille auf der Nase nicht. „Wenn etwas passiert, würden wir Probleme mit der Versicherung bekommen“, erklärt er. Nicht unter Alkohol, aber durchaus mit nur einer Hand am Lenker testen die Teilnehmer ihre Grenzen aus. Die Aufgabe, dabei noch von Hundert auf Null runterzuzählen, bewältigt kaum noch einer. „Wenn ich mich im Grenzbereich bewege, kann ich mich nicht mehr konzentrieren“, erläutert der frühere Fahrlehrer. Ohne erhobenen Zeigefinger will er sein Wissen vermitteln, die jungen Leute anleiten, in brenzligen Situationen richtig zu reagieren. Nach der aktuellen Unfallbilanz des Brandenburger Verkehrsministeriums seien vor allem zu schnelles Fahren, aber auch Alkohol- und Drogenkonsum Hauptursachen für die Unfälle. Auch die Ablenkung durch technische Geräte im Auto nehme immer stärker zu. Von rund 82 000 Unfällen, die sich in Brandenburg 2016 ereignet haben, gehen etwa 7,3 Prozent auf das Konto junger Fahrer im Alter zwischen 18 und 24 Jahren.

Die Trainings sollen helfen, die Statistik zu verbessern. Dass sie wirken, habe nach Angaben des Fahrsicherheitszentrums die Uni Regensburg dokumentiert. Absolventen, die ein ADAC-Junge-Fahrer-Training durchgeführt haben, würden danach defensiver und vorausschauender fahren.

Der Berliner Daniel Fuhlbrügge bekam das Training zum Geburtstag geschenkt. Vor gut einem Jahr hat der 18-Jährige seinen Führerschein gemacht. Jetzt ist er im Auto seines Vaters unterwegs, das seine beherzte Vollbremsung jedoch nicht unbeschadet überstand. Das Anti-Blockier-System machte schlapp. „Damit hat mein Vater aber schon gerechnet“, sagt der junge Mann. Das Training kann er aber trotz des Maleurs empfehlen. Nach der wiederholten Gefahrenbremsung fühle er sich nun noch sicherer, erklärte er.

Gerade das erste Auto sollte mit Bedacht gewählt werden, sagt Dörfler. Während die Fahrschulwagen voll ausgestattet seien, steigen dann viele Fahranfänger auf ältere Autos um. Das Wichtigste sei aber nicht der Preis, sondern die Sicherheit, sagt Dörfler. Dazu würden ein „Anti-Blockier-System oder besser noch ein elektronisches Stabilitätsprogramm und vernünftige Reifen“ zählen. Solveig Schuster

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