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Wie viele sollen es sein im Rund des Bundestags?

© dpa/Michael Kappeler

Kein aufgeblähter Bundestag mehr: So will die Ampel das Wahlrecht reformieren

598 statt 736 Abgeordnete: Die Koalition hat einen Gesetzentwurf für eine Verkleinerung des Bundestags vorgelegt. Umfragen zeigen eine hohe Erwartungshaltung unter den Bürgern.

Die Ampel-Koalition geht ein weiteres ihrer ehrgeizigen Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag an: SPD, Grüne und FDP haben einen Gesetzentwurf zur Wahlrechtsreform vorgelegt. Damit könnte eine jahrelange zähe Debatte endlich zu einem Ergebnis kommen.

Das Ziel lautet, das Anwachsen des Bundestags zu verhindern und ihn effektiv in Richtung der gesetzlichen Größe zu verkleinern. Das sind 598 Sitze. Derzeit hat das Parlament 736 Abgeordnete.

Nachdem Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) sich im Herbst zweimal mit der dringenden Bitte zu Wort gemeldet hatte, man möge sich doch beeilen, hat SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich nun Vollzug angekündigt.

Ein wenig Eile ist schon deshalb geboten, weil die schwarz-rote Koalition eine Art Teilreform auf den Weg gebracht hatte. Nach dem derzeit geltenden Wahlrecht muss zur Wahl 2025 die Zahl der Wahlkreise von 299 auf 280 verringert werden. So soll es zu weniger Überhängen und damit zu weniger Ausgleichsmandaten kommen. Auf 598 Sitze bringt man den Bundestag damit nach der gegenwärtigen Umfragelage zwar nicht. Aber der Neuzuschnitt der Wahlkreise ist schon in Vorbereitung.

Ampel will auf 598 Sitze begrenzen

Der Gesetzentwurf der Ampel sieht laut der Nachrichtenagentur dpa vor, dass es künftig keine Überhang- und Ausgleichsmandate mehr geben soll. Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei über die Erststimmen mehr Mandate erringt, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen. Diese zusätzlichen Mandate darf die Partei behalten. Die anderen Parteien erhalten dafür Ausgleichsmandate. 

Die Ampel-Koalition schlägt vor, dass es weiterhin bei 299 Wahlkreisen und zwei Stimmen bleibt. Für die Sitzverteilung im Bundestag sollen künftig allein die Zweitstimmen ausschlaggebend sein. Sie werden im Entwurf „Hauptstimmen“ genannt, die Erststimmen heißen „Wahlkreisstimmen“.

Über das Hauptstimmenergebnis wird berechnet, wie viele der 598 Mandate jeder Partei bundesweit zustehen und wie sich diese auf die einzelnen Landeslisten verteilen. Gewinnt eine Partei weniger Wahlkreise direkt, als ihr Mandate zustehen, werden die restlichen Mandate über die Liste verteilt. Gewinnt sie aber mehr Wahlkreise direkt, als Sitze nach dem Hauptstimmenergebnis auf sie entfallen, gehen die Kandidatinnen und Kandidaten mit dem schlechtesten Wahlkreisstimmenergebnis leer aus.

Es sind die Informierten, die eine Reform dringlich finden.

Lukas Haffert, Politikwissenschaftler

Zu einer Verständigung mit der Union scheint es in der Frage bislang nicht gekommen zu sein. Zwar kündigte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann an, die Koalition wolle „um möglichst breite Unterstützung werben“. Und im weiteren parlamentarischen Verfahren lässt sich ein Gesetzentwurf auch noch ändern.

Eine Reaktion des Obmanns der CDU/CSU-Fraktion in der Wahlrechtskommission, Ansgar Heveling, deutete kürzlich jedoch nicht auf breite Unterstützung hin. Er warf den Regierungsfraktionen vor, „keinen ernstzunehmenden Versuch“ unternommen zu haben, „einen gemeinsamen Weg mit breiter Mehrheit für ein verfassungssicheres Wahlrecht zu suchen“.

Informelle Gespräche ohne Ergebnis

Zwar hat es nach Informationen des Tagesspiegels informelle Gespräche auf Ebene der Fraktionschefs gegeben. Doch scheinen diese bislang kein Ergebnis gebracht zu haben. Am Sonntag schickten die Vorsitzenden der Ampel-Fraktionen ihren Gesetzentwurf an Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) und boten Gespräche darüber an.

Unklar ist aber auch, wie groß die Zahl derer in den Ampel-Fraktionen ist, die vom Vorschlag der eigenen Seite nicht überzeugt sind. Im vorigen Jahr war von etwa 40 Skeptikern quer durch die Fraktionen die Rede.

Bisher war die Wahlrechtsdebatte sehr auf das Parlament begrenzt. Was aber denken Wählerinnen und Wähler? Hier weist nun eine Studie des Politikwissenschaftlers Lukas Haffert von der Universität Zürich zumindest ansatzweise in eine Richtung. Einem befragten Panel mit gut 3000 Personen sagte dabei am ehesten eine Lösung zu, die zwar im Bundestag diskutiert, aber schnell verworfen wurde: eine deutliche Verringerung der Zahl der Wahlkreise. Haffert hatte dem Panel dabei eine Reduktion auf 225 Sitze vorgelegt.

Ein weiteres Ergebnis der Panel-Befragung: Den Status quo halten die wenigsten der Teilnehmer für erhaltenswert. Je besser der Kenntnisstand zum Wahlrecht ist, desto größer ist das Verlangen nach einer Reform. „Es sind die Informierten, die eine Reform dringlich finden“, lautet Hafferts Fazit. Die Präferenz in dieser Gruppe, etwa ein Viertel des Panels, geht besonders stark in Richtung Wahlkreisreduzierung.

Eine aktuelle Umfrage des Allensbach-Instituts für die Bertelsmann-Stiftung ergibt eine hohe Erwartungshaltung in der Gesamtbevölkerung. Demnach sind 78 Prozent der Befragten der Meinung, dass der Bundestag mit 736 Sitzen viel zu groß ist. Er solle wieder auf die Normalgröße von 598 Mandaten verkleinert werden. Zwei Drittel sind zudem der Meinung, dass das Wahlsystem leicht nachvollziehbar sein müsse und dass keine Partei durch das Wahlsystem Vorteile gegenüber anderen Parteien haben dürfe. (mit dpa)

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