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Der ukrainische Präsiden Volodymyr Zelenskyi und sein türkischer Kollege Recep Tayyip Erdogan in Kiew.

© Sergei Supinski, AFP

Erdogan in der Ukraine: Unterwegs als Friedensengel

Der türkische Präsident will im Konflikt zwischen Kiew und Moskau vermitteln. Ein Krieg hätte auch für die Türkei fatale Folgen.

Recep Tayyip Erdogan kann seine Worte auch diplomatisch wählen. Die Türkei wolle dazu beitragen, die „negativen Entwicklungen“ zwischen Russland der Ukraine nicht weiter eskalieren zu lassen, sagte der türkische Präsident am Donnerstag vor seinem Abflug zu Gesprächen in Kiew. Erdogan rief beide Seiten zur Mäßigung und zum Dialog auf. In der ukrainischen Hauptstadt traf er dann am Nachmittag mit Staatschef Wolodymyr Selenskyi zusammen. Demnächst will Erdogan zudem Kremlchef Wladimir Putin in der Türkei willkommen heißen. Mit der Vermittlungsaktion verfolgt er mehrere Ziele.

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Für die Türkei wäre ein Krieg zwischen Russland und der Ukraine eine wirtschaftliche Katastrophe. Ankara hat gute Beziehungen zu beiden Kontrahenten und hätte im Falle eines Konflikts viel zu verlieren. Die zwei Länder stellten im vergangenen Jahr zusammen 20 Prozent aller ausländischen Urlauber in der Türkei. Rund 4,5 Millionen Russen und zwei Millionen Ukrainer kamen trotz der Pandemie an die türkischen Strände. Die Ukraine kauft zudem türkische Kampfdrohnen und liefert Motoren für die türkische Rüstungsindustrie. Kiew will in Kürze mit der Eigenproduktion türkischer Drohnen beginnen. In Kiew war die Unterzeichnung eines ukrainisch-türkischen Freihandelsabkommens geplant.

Balanceakt für das Nato-Mitglied

In einem Krieg würde die Türkei als Nato-Mitglied unter Druck geraten, sich westlichen Strafmaßnahmen gegen Moskau anzuschließen, doch das Land ist besonders im Energiebereich sehr von Russland abhängig. Wenn Putin den Gashahn zudrehen sollte, könnten überall in der Türkei schnell die Lichter ausgehen, denn Russland liefert ein Drittel der türkischen Gas-Importe.

Die Ukraine hatte bereits im vergangenen Jahr eine Rolle der Türkei bei den Bemühungen um Deeskalation begrüßt, doch Russland zeigte damals wenig Interesse. Jetzt aber will Putin nach Erdogans Worten bald in die Türkei kommen. Russland weiß, dass Erdogan sich nicht automatisch allen Schritten des Westens anschließt. Ankara erkennt die russische Annexion der Krim von 2014 zwar nicht an, beteiligte sich aber auch nicht an westlichen Sanktionen gegen Moskau.

Erdogan will vermeiden, sich die eine oder die andere Seite zum Feind zu machen. Am Donnerstag betonte er, die Türkei stehe zur territorialen Integrität der Ukraine. Gleichzeitig betonte er, Russland sei „ein wichtiges Land in dieser Region“. Die Vermittlungsrolle bietet Erdogan gleichzeitig die Chance, sein problembeladenes Verhältnis zum Westen zu verbessern. Die Türkei hat sich in den vergangenen Jahren in Europa und den USA mit der Anschaffung eines russischen Flugabwehrsystems, militärischen Interventionen in Syrien und Libyen sowie mit Druck in der Flüchtlingspolitik unbeliebt gemacht. Mit einer erfolgreichen Vermittlung im Ukraine-Konflikt könnte der türkische Staatschef den USA und der EU vor Augen führen, dass die Türkei ein wertvoller Partner ist.

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