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Impfdebakel, Lockdown-Marathon und Sorge vor Ansteckung: Die Stimmung der Deutschen kippt.

© dpa/ Felix Kästle

Vertrauen der Deutschen schwindet: Unmut über Coronapolitik kann schnell in Wut umschlagen

Ein Lockdown, der sich an den anderen reiht, bis er endlos wirkt? Das ist nicht nur keine Politik, das ist das Gegenteil davon. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Wäre die Lage nicht schon ernst, wegen des Impfdesasters, dann ist sie es aber spätestens jetzt. Und zwar für die Politiker zunächst, dann aber auch für die gesamte Gesellschaft. Denn die Zustimmung zu dem, was man eigentlich auch kaum eine richtiggehende Coronapolitik nennen kann, schwindet. Mehr noch: Sie bröckelt. Das kann dramatisch werden.

Nie war die Unzufriedenheit der Menschen in den vergangenen elf Monaten so hoch wie gegenwärtig. Mehr als die Hälfte traut den Verantwortlichen nicht zu, die Krise angemessen zu behandeln. Und wenn es schon einmal so weit ist, dann ist der Schritt zu Misstrauen nicht mehr weit, der wiederum zu weiterem Unmut führt.

Es ist ja nicht so, als gäbe es den noch nicht. Der Unmut kann aber noch grassieren, sich ausbreiten wie das Virus, zu Wut gerinnen. Das kann die Gesellschaft krank machen. Krank vor Sorge. Dann aber stehen nicht mehr nur Aluhutträger und andere Verwirrte, Verirrte auf den Straßen, um zu protestieren.

Vielmehr werden viele, viele mehr ihren Leidensweg beklagen und damit demonstrieren, dass an sie gedacht werden muss und es so nicht weitergehen kann. Jedenfalls nicht mehr lange, ganz gewiss nicht – gefühlt – ewig.

Der immer wieder erneuerte volkspädagogische Appell der Kanzlerin, noch ein bisschen durchzuhalten, verfängt nicht mehr; es ist zu oft gesagt und zu oft von den Menschen gehört worden. Aber viel zu wenig dazu, wie ihre Anstrengungen, dem Lockdown Genüge zu tun, gewürdigt, ja belohnt werden. Und es sind Millionen, die sich bemühen, trotz aller Widrigkeiten.

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Jens Spahn, Gesundheitsminister und CDU-Vize, spürt das. Immerhin er. Deswegen macht Spahn auch, sagen wir, Lockerungsübungen. Weil es auch – und da entwickeln die Umfragen eine eigene Inzidenz – nicht noch Monate so weitergehen kann.

Ein Lockdown, der sich an den anderen reiht, bis er endlos wirkt? Das ist nicht nur keine Politik, das ist das Gegenteil davon.

Denn Politik ist für die Menschen da, ist kein sich selbst genügendes System. Politik Ist fleischgewordene Bemühung darum, dass es möglichst vielen gut gehe, nicht papiernes Funktionieren. Politik ist keine Exeltabelle, also ganz bestimmt nicht nur.

Sage wir so: In jeder Legislaturperiode, schon gar in jeder Kanzlerschaft, kommt irgendwann das Ende aller Empathiefreiheit. Angela Merkel erlebt es jetzt. Schlag nach bei Albert Einstein: „Eine neue Art von Denken ist notwendig, wenn die Menschheit weiterleben will.“ Wer sagt denn, dass Physiker nicht auch so denken können?

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