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Donald Trump bei seinem täglichen Coronavirus-Briefing.

© AFP/Mandel Ngan

Wirksamkeit gegen Covid-19 nicht erwiesen: Trumps Werben für ein Malaria-Medikament könnte zu mehr Toten führen

Er würde Hydroxychloroquin auch selbst nehmen, sagt der US-Präsident. Wissenschaftler warnen, dass es noch keinen Beweise für eine Wirksamkeit gibt.

„Was haben Sie schon zu verlieren?“ Diesen Satz wiederholte US-Präsident Donald Trump mehrere Male bei verschiedenen Pressekonferenzen in den vergangenen Tagen. Er spricht von der Einnahme des Malaria-Medikaments Hydroxychloroquin, dessen Wirksamkeit gegen Covid-19 er seit Wochen beschwört.

„Ich finde, die Menschen sollten Hydroxychloroquin nehmen“, sagte der Präsident am Samstag in einem Pressegespräch. „Ich werde vielleicht selbst anfangen, es zu nehmen.“ Es gebe „sehr starke, mächtige Zeichen“ dafür, dass das Medikament wirke, sagte Trump am Sonntag.

Die USA haben nach seinen Angaben bereits 29 Millionen Tabletten auf Lager. Der "New York Times" zufolge hinderte Trump den Virologen Anthony Fauci während einer Pressekonferenz am Sonntag daran, eine Frage zur Wirksamkeit von Hydroxychloroquin zu beantworten. 

Zuvor hatte Fauci seine Bedenken geäußert. Man müsse vorsichtig sein, sagte er dem Fernsehsender Fox News. „Wir brauchen immer noch Studien, die definitiv beweisen, ob ein Einsatz von Medikamenten wirklich sicher und effektiv ist.“

Wirtschaftliche Interessen Trumps am Medikament?

Nach dem Bericht der "New York Times" habe Faucis Bedenken zu Streit zwischen Trumps Beratern geführt. Welche Position Trump einnimmt, ist klar. „Wir haben keine Zeit“, erklärte der US-Präsident in Bezug auf Faucis Aussage, man müsse auf seriöse Studienergebnisse warten. „Die Menschen sterben jetzt.“

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Hinter Trumps Bestehen auf Hydroxychloroquin könnten Recherchen der "New York Times" zufolge allerdings wirtschaftliche Interessen stehen. 

Einige Trump nahstehende Aktionäre und Führungskräfte würden von einem Verkauf des Medikaments profitieren. Der Präsident selbst habe einen kleinen Aktienanteil an Sanofi, dem französischen Pharmakonzern, der Hydroxychloroquin unter dem Namen Plaquenil herstellt.

Fakt ist, dass es bisher keine aussagekräftigen wissenschaftlichen Studien über die Wirksamkeit von Hydroxychloroquin gegen Covid-19 gibt. „Man kann das nicht marktschreierisch anpreisen, das wäre zu früh“, sagte der Direktor des Tropenmedizins der Uniklinik Tübingen, Peter Kremsner, dem Tagesspiegel vergangene Woche. Kremsner leitet die erste deutsche Studie zur Wirksamkeit von Hydroxychloroquin bei Covid-19-Patienten.

„Der Schaden ist vorprogrammiert.“

Kremsner kritisierte den unkontrollierten Einsatz der Malaria-Medikamente, wie es etwa in China, Italien, Frankreich und den USA passiere, scharf. „Ich gebe das keinem Patienten und würde es auch selbst nicht nehmen“, sagte der Mediziner.

Die unkontrollierte Behandlung, insbesondere in Wechselwirkung mit andere Medikamenten, könne beispielsweise das Herz belasten und zum Tode durch Herzversagen führen. Dies sei auch schon passiert, so Kremsner weiter. „Der Schaden ist vorprogrammiert.“ Da die Malaria-Medikamente aber bereits zugelassen sind, können Ärzte mit ihnen experimentieren – obwohl es keine Indikation für den Einsatz gegen Covid-19 gibt.

Auf die Frage, ob das Medikament gerade für Herzpatienten wirklich sicher sei, antwortete Trump am Sonntag mit „Ja, das Herz-Zeug“ – und sprach sich dann erneut für das Medikament aus. „Was weiß ich? Ich bin kein Doktor“, sagte er. „Aber ich habe gesunden Menschenverstand.“

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Erste Ergebnisse gibt es frühestens in drei Wochen

Peter Kremsner führt seine Studie mit 220 hospitalisierten Patienten seit gut einer Woche in Tübingen, Hamburg und Stuttgart durch, später soll sie auch auf ambulante Patienten und mehrere Orte ausgeweitet werden. 

Die Studie ist placebokontrolliert, 110 Patienten erhalten das Placebo. Außerdem ist sie randomisiert, also mit willkürlich ausgewählten Patienten und doppelblind: weder Untersucher noch Untersuchte wissen, wer das Placebo erhält und wer das Medikament.

In-vitro-Studien mit Hydroxychloroquin hätten gute Wirkungen erzielt, außerdem kenne man den Wirkstoff bereits lange, sagte Kremsner. „Es ist vielleicht der beste Kandidat, den wir im Moment haben“, sagt Kremsner. „Aber wir wissen nicht, was der Ausgang der Studie sein wird.“ Erste Ergebnisse seien frühestens in drei Wochen zu erwarten.

Auch WHO und Drosten warnen vor dem Medikament

Bisherige Studien aus China oder Frankreich, auf die sich auch Trump bezieht, seien überstürzt durchgeführt worden, es handele sich eher um Beobachtungen. „Das ist nicht wissenschaftlich, was im Moment läuft“, so Kremsner. „Wir können heute nicht sagen, dass irgendein Medikament auf dieser Welt gegen Covid-19 wirkt“, so der Mediziner.

Auch der Charité-Chefvirologe Christian Drosten und der WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus hatten den unkontrollierten Einsatz von Therepautika kritisiert. 

Die WHO fordere „Einzelpersonen und Länder auf, keine Therapeutika zu verwenden, von denen nicht nachgewiesen wurde, dass sie bei der Behandlung von Covid-19 wirksam sind,“ sagte Ghebreyesus Ende März, möglicherweise als Reaktion auf Trumps Äußerungen.

Die Geschichte der Medizin sei „übersät mit Beispielen von Medikamenten, die auf Papier oder in einem Reagenzglas wirkten, aber beim Menschen nicht wirkten oder tatsächlich schädlich waren“.

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