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Wirtschaftsminister Robert Habeck am Freitag beim Treffen mit seinen EU-Amtskollegen in Brüssel.

© Foto: dpa/Virginia Mayo

Treffen der EU-Energieminister: Kommt jetzt der Preisdeckel nur auf russisches Gas?

In Brüssel gibt es eine Einigung über die Abschöpfung bei Gewinnen von Stromerzeugern. Aber das Gezerre um eine mögliche Deckelung der Importpreise geht weiter.

Am Ende geht alles sehr schnell. Kaum hatten sich die Türen zum Verhandlungsraum geschlossen, dringt die Meldung nach außen, dass die EU-Energieminister bei ihrem Treffen am Freitag in Brüssel beschlossen haben, dass Energieunternehmen künftig einen Teil ihrer Krisengewinne an den Staat abgeben müssen.

Mineralölkonzerne und andere sollen sich mit einer milliardenschweren „Solidaritätsabgabe“ beteiligen. Mit diesem Geld sollen im Winter die Verbraucher entlastet werden.

Eine Überraschung war die Nachricht allerdings nicht mehr, denn schon am Morgen hatten sich die Minister in diese Richtung geäußert. „Das Modell, das die Kommission vorschlägt, ist eins, dem wir zustimmen können“, hatte auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vor Beginn des Treffens signalisiert.

Dieses Konzept habe Deutschland stark mitgeprägt, man bereite sich auf eine schnelle Umsetzung vor.

Der Plan der EU-Kommission sieht vor, den Abnahmepreis für Strom aus erneuerbarer Energie, Atomkraft oder auch fossilen Energien mit der Ausnahme von Gas bei 180 Euro pro Megawattstunde zu deckeln. Die Differenz zu den höheren Verkaufspreisen an der Börse soll abgeschöpft werden.

Keine Einigung beim Gaspreisdeckel

Beim Ausmaß sollen aber die einzelnen Staaten wiederum Spielraum haben, worauf Deutschland gedrängt hatte. So könnten je nach Erzeugungsart letztlich unterschiedliche Summen beim Produzenten bleiben.

Keinen Beschluss gab es in Brüssel allerdings zu einem seit Wochen heftig diskutierten Preisdeckel für Gas, das in die EU importiert wird. Kurz vor dem Gipfel hatten 15 EU-Staaten – darunter Frankreich, Italien und Belgien – noch einmal mit Nachdruck eine Obergrenze gefordert. Deutschland und einige andere Länder lehnen einen solchen Schritt aus Sorge um die Energiesicherheit allerdings ab.

Dabei steht die Bundesregierung nicht allein. Auch Österreichs Energieministerin Leonore Gewessler sagte in Brüssel, dass zu befürchten sei, dass zu wenig Gas nach Europa geliefert wird, „wenn wir nicht bereit sind zu bezahlen, was am Markt dafür verlangt wird“. Es erscheint also mehr als unwahrscheinlich, dass es zu einem europaweiten Preisdeckel für importiertes Gas kommt.

Hinter verschlossenen Türen wird allerdings nach einem Kompromiss gesucht. Habeck zeigte sich in Brüssel etwa offen für einen Preisdeckel nur auf russisches Gas. Das müsse allerdings eng mit den südosteuropäischen Ländern abgestimmt werden, die im Moment noch viel Gas aus Russland beziehen. Dort dürfe es zu keinen Engpässen kommen.

Wir können die Marktmacht Europas klug einsetzen.

Robert Habeck, Wirtschaftsminister

Ins Spiel kommen nun auch wieder gemeinsame europäische Gaseinkäufe. Die EU-Staaten hatten sich bereits bei einem Gipfel der Staats- und Regierungschefs im März darauf geeinigt, freiwillig zusammen Gas einzukaufen. Dafür wurde extra eine Plattform gegründet, die bislang jedoch praktisch nicht genutzt wird.

Nun betonte Habeck in Brüssel: „Wir können die Marktmacht Europas klug einsetzen.“ Vorteil einer gemeinsamen Einkaufsgemeinschaft sei, dass die sofort umgesetzt werden könne. Man müsse klug und koordiniert auf den Weltmärkten agieren und damit die Preise runterbringen, forderte der Bundeswirtschaftsminister.

Insbesondere müsse mit befreundeten Ländern wie Norwegen, den USA und Algerien darüber geredet werden, dass die Preise nicht exorbitant steigen dürften. „Partnerschaft heißt nicht, dass man den einen ausbeuten kann“, sagte Habeck mit Blick auf die Entwicklung am Energiemarkt.

Die EU muss auf dem Energiemarkt geschlossen agieren.

Michael Kruse, energiepolitischer Sprecher der FDP-Fraktion

„Die EU muss auf dem Energiemarkt geschlossen agieren und europäische Interessen durchsetzen“, sagte der energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kruse, dem Tagesspiegel. „Dazu gehört ein gemeinsames Auftreten beim Gaseinkauf“, forderte Kruse.

Nach seinen Worten wäre ein solches Gaseinkaufskartell zur Sicherung der Energieversorgung in der gesamten „ein wichtiges Signal gegen Angriffe auf unser Energiesystem“. Die große Marktmacht der EU würde durch ein koordiniertes Vorgehen die Gaspreise senken.

„Außerdem könnte so eine strategische Diversifizierung der Gasbeschaffung gewährleistet werden, die Abhängigkeiten von einzelnen Lieferländern verringert“, sagte der FDP-Politiker weiter.

Ein weiterer Fokus eines solchen Kartells sollte nach seiner Meinung darauf liegen, die innereuropäischen Gasressourcen besser für den eigenen Markt nutzbar zu machen. „Hierzu müssen rechtliche und organisatorische Hürden schnell abgebaut werden.“

In einigen EU-Mitgliedsstaaten wird wiederum kritisiert, dass Berlin im eigenen Land einen Preisdeckel beschlossen habe, den es für Europa ablehnt. Diesen Einwand ließ Habeck in Brüssel nicht gelten.

Die Bundesregierung hatte am Donnerstag eine nationale Gaspreisbremse angekündigt und will dafür bis zu 200 Milliarden Euro an Krediten aufnehmen. Der luxemburgische Energieminister Claude Turmes sprach in Brüssel von einem „wahnsinnigen Rennen zwischen Regierungen“, sich gegenseitig mit Entlastungspaketen für Wirtschaft und Verbraucher zu übertrumpfen.

Auch Belgien ist Diplomaten zufolge verärgert. Das mit Schulden kämpfende Nachbarland hat bisher keine Entlastungen in ähnlicher Höhe wie Deutschland angekündigt und fürchtet Proteste im Herbst. Der scheidende italienische Regierungschef Mario Draghi warnte in Rom vor „gefährlichen und ungerechtfertigten Verzerrungen des Binnenmarktes“, wenn sich die EU-Staaten überböten. Europa müsse „in der Krise zusammenhalten“.

„Wir müssen den Gasverbrauch runterbringen“, erklärte Habeck zu den Vorwürfen in Brüssel, „dazu brauchen wir weiter die Marktsignale“. Der Preisdeckel in Deutschland betreffe aus diesem Grund nur den absoluten Grundverbrauch, „wir werden aber nicht die Spitzen des Verbrauchs günstig machen“.

Das bedeutet konkret: Wer viel verbraucht, muss auch viel bezahlen. Als abschreckendes Beispiel gilt in diesem Fall Spanien. Dort war der Gaspreis generell gedeckelt worden, woraufhin der Gasverbrauch anstieg.

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