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Der Deutsch-Iraner Djamshid Sharmahd, hier während seines Prozesses, nun von einem Revolutionsgericht im Iran zum Tode verurteilt worden.

© dpa/Koosha Falahi

Todesstrafe gegen Deutsch-Iraner: Über eine Geisel in einem großen Ringen

Die Bundesregierung reagiert und muss zugleich andere Konflikte mit Teheran steuern – um das Atomprogramm, Gewalt gegen Oppositionelle und Hilfe für Russland.

Von Hans Monath

Im Ringen um das Leben des Deutsch-Iraners Djamshid Sharmahd greift die Bundesregierung nun zu härteren Mitteln. Als Reaktion auf das Todesurteil gegen den 67-Jährigen im Iran wies Deutschland zwei iranische Diplomaten aus. Dies teilte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Mittwoch mit.

Ein Revolutionsgericht hatte den zuletzt in den USA lebenden Sharmahd unter anderem für einen Terroranschlag verantwortlich gemacht.

Baerbock erklärte, sie habe angesichts des Todesurteils den Geschäftsträger der iranischen Botschaft einbestellen lassen. Dies gilt als scharfes diplomatisches Mittel. Ihm sei mitgeteilt worden, „dass wir die massive Verletzung der Rechte eines deutschen Staatsangehörigen nicht akzeptieren“, teilte die Außenministerin weiter mit.

Die in den USA lebende Tochter von Sharmahd hatte die Bundesregierung am Mittwoch eindringlich gebeten, sich für ihren Vater einzusetzen. „Wenn sich ein deutscher Staatsbürger in Geiselhaft befindet, dann sollte das enorme Konsequenzen haben, um zu verhindern, dass eine unschuldige Person exekutiert wird“, sagte Gazelle Sharmahd der Nachrichtenagentur AFP.

Wir akzeptieren die massive Verletzung der Rechte eines deutschen Staatsangehörigen nicht. 

Erklärung des Auswärtigen Amtes gegenüber dem Geschäftsträger der iranischen Botschaft.

„Es ist die letzte Chance, das Leben meines Vaters zu retten“, sagte sie. „Wenn das Leben meines Vaters für die deutsche Regierung keinen Wert hat, dann werden sie das Todesurteil vollstrecken, allein um ihre Macht zu zeigen“, sagte sie mit Blick auf die iranische Justiz.

Todesurteil als Antwort auf fünftes Sanktionspaket der EU

Das Ringen um das Schicksal des Deutsch-Iraners ist Teil der umfassenden Auseinandersetzung zwischen dem Iran und dem Westen um den brutalen Kurs des Mullah-Regimes gegen die Opposition im eigenen Land, um den Zugang des Landes zu eigenen Nuklearwaffen sowie um den Einfluss Teherans auf militante Gegners des Westens und Israels im Nahen und Mittleren Osten. Iran unterstützt zudem Russland in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine und liefert dem russischen Militär unter anderem Drohnen.

Das Regime in Teheran will nach Ansicht von Außenpolitikern im Bundestag mit dem Todesurteil den Deutsch-Iraner zu einem Geisel im Kampf mit dem Westen machen. Dies sei die Antwort Teherans auf das fünfte Sanktionspaket der EU, bei dem Deutschland eine federführende Rolle gespielt habe, sagte der Obmann der Grünen im Auswärtigen Ausschuss, Jürgen Trittin. Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Bundestages, Renata Alt (FDP), sieht das ähnlich.

Auch in der Vergangenheit hatte der Westen den Iran beschuldigt, Staatsangehörige westlicher Staaten oder Doppelstaatler zu drakonischen Strafen zu verurteilen, um politischen Druck auszuüben. Trittin betonte, die Bundesregierung werde sich nun nicht erpressen lassen.

Allerdings stellt der neue Fall Baerbock und die deutsche Außenpolitik vor ein Dilemma: Verschärft sie ihren Kurs gegen Teheran, dürfte das ihre Möglichkeiten begrenzen, Zugeständnisse des Regimes im Fall Sharmahd zu erreichen. Obwohl der auch deutscher Staatbürger ist, hatte der Iran eine konsularische Betreuung durch deutsche Diplomaten verwehrt.

Verurteilt die Todesstraße und lässt zwei iranische Diplomaten ausweisen: Außenministerin Annalena Baerbock.

© REUTERS/LEHTIKUVA

Das Verhältnis des Westens zu Iran ist ohnehin in einer kritischen Phase. Das Land nähert sich offenbar dem Punkt, von dem an es mit seinem umstrittenen Atomprogramm waffenfähiges Uran herstellen kann. Am Sonntag hatte die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf Diplomaten berichtet, dass das Land Uran auf 84 Prozent angereichert habe. Für Atombomben wird angereichertes Uran von gut 90 Prozent benötigt. Der Iran wies den Bericht zurück. Die EU hält bislang an dem Ziel fest, das Atomabkommen mit dem Iran zu retten.

Vermögens- und Einreisesperren seitens der EU

Baerbock steht mit ihrer Iran-Politik innenpolitisch unter Druck. Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen wirft ihr vor, sie verfehle die Ziele ihrer „feministischen Außenpolitik“ und fordert, die iranischen Revolutionsgarden auf die Terrorliste der EU zu setzen. Einen solchen Schritt könnte der Iran nach Ansicht von Experten mit der offiziellen Kündigung des Atomabkommens beantworten. Auch CDU-Chef Friedrich Merz verlangt einen härteren Kurs und forderte wegen des Todesurteils in der „Bild“-Zeitung die Ausweisung des iranischen Botschafters.

Baerbock bekennt sich zum Ziel, die Revolutionsgarden auf die Terrorliste zu setzen, verweist aber auf rechtliche Probleme dabei. Die EU-Außenminister trafen zu dieser Frage bei ihrem Treffen am Montag keine Entscheidung. Nach Angaben von Diplomaten legte der juristische Dienst des Ministerrates zu den Beratungen ein Rechtsgutachten vor, nach dem dieser Schritt derzeit nicht mit EU-Recht vereinbar wäre.

Demnach bräuchte es für die Aufnahme auf die EU-Terrorliste zum Beispiel eine nationale Gerichtsentscheidung oder Verbotsverfügung einer Verwaltungsbehörde. Ein entsprechende Entscheidung der USA bezieht sich Diplomaten zufolge auf Taten, die zu lange zurückliegen.

Zuletzt hatte das Regime in Teheran am Dienstag mit Gegensanktionen auf neue Sanktionen der EU geantwortet, mit denen die Europäer auf anhaltende Gewalt gegen Demonstranten in Iran reagierten. Die EU belegte am Montag 32 weitere iranische Verantwortliche sowie zwei Organisationen mit Vermögens- und Einreisesperren. Am Dienstag reagierte das Regime und verhängte umgekehrt Strafmaßnahmen gegen mehr als 30 Unternehmen und Personen aus der EU.

Betroffen von den Sanktionen sind unter anderem die Bundestagsabgeordneten Roderich Kiesewetter (CDU), Renata Alt und Michael Roth (SPD). Sie hatten sich jüngst kritisch etwa über die andauernde, gewaltsame Niederschlagung von Protesten gegen die Führung des Landes geäußert. (mit dpa, AFP)

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