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Per Facebook-Videos wandte sich Rami Makhlouf in den vergangenen Wochen gleich dreimal an die Öffentlichkeit.

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Assads Cousin in Ungnade gefallen: Syriens reichster Mann macht Familienfehde im Herrscher-Clan öffentlich

Ein Vetter des syrischen Machthabers hat das Regime jahrelang mit viel Geld unterstützt. Nun teilt er öffentlich aus - und soll ins Ausland geflohen sein.

In Syrien kennen ihn alle. Rami Makhlouf ist der reichste Mann des Landes. Der 50-jährige Milliardär und Chef des Mobiltelefonanbieters Syriatel ist auch im Bankengeschäft, im Bausektor und in der Ölbranche aktiv. Der Erfolg kommt nicht von ungefähr – Makhlouf ist ein Vetter von Staatspräsident Baschar al Assad.

Jahrelang war der Unternehmer dessen treuer Verbündeter. Doch jetzt ist Unerhörtes geschehen: Er hat Streit und Intrigen im Assad-Clan öffentlich gemacht und sich über Versuche beschwert, ihn kaltzustellen. Womöglich steckt Assads Frau Asma dahinter. Der Familienkrach kommt zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt für Assad, denn Russland ist sehr unzufrieden mit seinem Schützling.

Mit seinem Firmenimperium kontrollierte Makhlouf nach Schätzung von Experten in den vergangenen Jahren bis zu 60 Prozent der syrischen Wirtschaft. Sein Geld sicherte dem Assad-Regime das Überleben. Der Milliardär organisierte Kapital, oft über dubiose Kanäle und mit unlauteren Methoden. Was ihm enorm viel Einfluss und noch mehr Reichtum bescherte.

Korruption und Steuerhinterziehung

Aber nun wird Makhlouf mit Vorwürfen der Korruption und Steuerhinterziehung konfrontiert. Die Behörden fordern umgerechnet rund 230 Millionen Euro von ihm. Eines seiner Unternehmen wurde beschlagnahmt, einige Angestellte landeten im Gefängnis. Polizisten durchsuchten sein Haus in Damaskus, ein Gericht verhängte vergangene Woche eine Ausgangssperre gegen ihn. Möglicherweise hat sich der Geschäftsmann schon ins Ausland abgesetzt. Die Menschenrechtsorganisation Guernica 37 berichtet, Makhlouf werde in den Vereinigten Arabischen Emiraten vermutet.

Per Facebook-Videos wandte sich Makhlouf in den vergangenen Wochen gleich dreimal an die Öffentlichkeit. Er vertraue nur noch seinem Cousin Assad, nicht aber „all den anderen“, sagte er. Damit könnte Makhlouf Asma al Assad gemeint haben, die angeblich gegen ihn intrigiert. Vergangene Woche übernahm Syriens First Lady eine Hilfsorganisation Makhloufs. Anhänger des Geschäftsmannes seien sicher, dass die Präsidentengattin für die Probleme verantwortlich sei, schreibt Syrien-Experte Danny Makki in einer Analyse für das Nahost-Institut in Washington.

Syrien steht vor dem Bankrott

Hintergrund der Ränkespiele ist Syriens schwere Wirtschaftskrise. Für den Assad-Clan, der Syrien seit einem halben Jahrhundert regiert, gibt es wegen der Kriegsverwüstungen und der internationalen Sanktionen immer weniger an die Gefolgsleute zu verteilen.

Die Preise für Lebensmittel und Wohnungen sind extrem gestiegen. Ein Kursabsturz des syrischen Pfundes verschlimmert die Not noch weiter. 80 Prozent der Syrer leben nach neun Jahren Krieg in Armut. Das Land steht vor dem Bankrott und ist in weiten Teilen zerstört. Der Wiederaufbau würde nach UN-Schätzungen rund 400 Milliarden Dollar kosten. Auch deshalb soll sich Asma Assad, vor ihrer Heirat eine Finanzanalystin bei der Großbank J.P. Morgan, entschlossen haben, die Wirtschaft grundlegend zu reformieren.

Womöglich steht ihr dabei Makhlouf im Weg. Die Gattin des Herrschers – einst vom britischen Guardian „das schöne Gesicht der Diktatur“ genannt – gilt als machtbewusst.

Möglicherweise ist die ökonomische Krise aber nicht der einzige Grund für das Zerwürfnis im Assad-Clan. Russland, das 2015 im Syrienkrieg eingriff und Assad damit vor der sicheren Niederlage gegen die Rebellen bewahrte, wolle zumindest einen Teil der Kosten für die Militäraktion zurückhaben, berichteten Medien bereits im vergangenen Jahr. Die Rede war von drei Milliarden US-Dollar, die Moskau einfordere. Schon damals wurde gemunkelt, der Machthaber wolle das Geld vor allem von Makhlouf.

Die Gattin des Herrschers – einst vom britischen Guardian „das schöne Gesicht der Diktatur“ genannt – gilt als machtbewusst.

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„Die Russen sind nicht glücklich mit Assad“

Dass es zwischen Assad und Wladimir Putin knirscht, ist ein offenes Geheimnis. „Die Russen sind nicht glücklich mit Assad“, sagte Amerikas Syrien-Beauftragter James Jeffrey kürzlich. Die Nachrichtenagentur Bloomberg zitierte Gewährsleute mit der Einschätzung, der Kremlchef verlange mehr Flexibilität von Assad, um eine politische Lösung des Syrienkonflikts zu erreichen. Dazu wären Zugeständnisse des Diktators bei den UN-geführten Verhandlungen mit der Opposition in Genf nötig. Der Herrscher lehnt allerdings alle Kompromisse ab. Er will sich bei der Präsidentenwahl nächstes Jahr ohne politische Konkurrenz für eine weitere Amtszeit bestätigen lassen.

Dass es zwischen Assad und Wladimir Putin knirscht, ist ein offenes Geheimnis.

© imago images/ITAR-TASS

In russischen Medien tauchten in den vergangenen Wochen gleich mehrere Berichte auf, in denen Assad kritisiert und seine Zustimmungsrate bei der eigenen Bevölkerung mit gerade einmal 32 Prozent angegeben wurde. Firas Tlass, erklärter Assad-Gegner und Sohn eines früheren syrischen Verteidigungsministers, sagte im russischen Fernsehen, Moskau könnte Assad jederzeit durch einen Militärrat ersetzen, um freie Wahlen in Syrien zu ermöglichen.

Pandemie verschärft die Lage

Solche Überlegungen seien Wunschdenken, glaubt Russlandkenner Kerim Has. Die Führung in Moskau habe keine Alternative zu Assad und könnte aus eigener Kraft keinen Machtwechsel organisieren, sagt Has im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Die beiden Präsidenten seien bis auf Weiteres aufeinander angewiesen.

Allerdings kann Assad keine großzügige Hilfe zur Überwindung der Wirtschaftskrise erwarten. Russland hat angesichts des Ölpreisverfalls und der Pandemie genug eigene Probleme.

Auch der Iran, Assads zweiter wichtiger Verbündeter, steckt in enormen finanziellen Schwierigkeiten. Die dortige Wirtschaft liegt wegen der US-Sanktionen, Misswirtschaft und Korruption am Boden.

Die Pandemie hat die Lage zusätzlich verschärft. Die Mullahs in Teheran mussten im März sogar den Internationalen Währungsfonds um Unterstützung bitten – das erste Mal seit Jahrzehnten. Geld für Syrien dürfte da keines übrig sein. Deshalb vermutet Has, dass die russische Führung den syrischen Machthaber ermuntert, im eigenen Land nach Geld zu suchen. Zum Beispiel bei Rami Makhlouf.

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