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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (M) äußert sich bei einem Besuch in einem Unterbringungszentrum für Erdbebenopfer gegenüber Medienvertretern.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Steinmeier zu Besuch im Katastrophengebiet: Bundespräsident setzt Zeichen der Solidarität

Das Erdbeben in der Grenzregion zwischen der Türkei und Syrien vor einem Jahr war verheerend. Bundespräsident Steinmeier würdigt bei einem Besuch dort die Unterstützung der Opfer.

Noch immer sind die Bagger im Einsatz, um die Trümmer der Jahrhundertkatastrophe abzutragen. Häuserruinen säumen die Straßen. Nurdagi, eine Stadt nahe der syrischen Grenze im Süden der Türkei, wurde besonders hart getroffen, als die Erde am 6. Februar 2023 bebte.

Die Hälfte der Gebäude in dieser ohnehin armen Stadt wurde zerstört oder irreparabel beschädigt, 4200 der 25.000 Einwohner starben.

Kinder laufen fröhlich umher, als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Dienstag durch die Gassen zwischen den Containern läuft, in denen tausende Überlebende immer noch notdürftig untergebracht sind. „Almanya, Almanya“, rufen einige von ihnen - „Deutschland, Deutschland.“

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier signiert einen Fußball.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Es sind Szenen, wie sie sich der Bundespräsident für seinen zweiten Besuchstag in der Türkei gewünscht haben dürfte. Steinmeier ist in die Katastrophenregion gekommen, um das Leitmotiv seines Türkei-Besuchs zu unterstreichen - nämlich, dass eine tiefe Verbundenheit die beiden Länder eint, jenseits aller politischen Differenzen.

Deutschland sei ein solidarischer Freund, sagt Steinmeier in Nurdagi. Er weist darauf hin, dass Deutschland mit Krediten von 300 Millionen Euro beim Wiederaufbau der Schulen in der Region mithilft.

„Wir haben die Solidarität und das Mitgefühl der Deutschen gespürt, und es ist bis heute spürbar“, sagt Kemal Ceber, Gouverneur der Provinz Gaziantep, bei der Begrüßung des Präsidenten. Schüler lassen deutsche und türkische Flaggen schwingen, Kinder führen einen Volkstanz auf, als Steinmeier die Grundschule der Provinzhauptstadt besucht. Die EU hat den Aufbau der Schule finanziert, die KfW Entwicklungsbank hat ihn ausgeführt.

„Die Familien, die wir hier treffen, sind oft doppelt hart getroffen“, sagt Steinmeier. „Einerseits, weil sie aus ihrer Heimat Syrien geflüchtet sind, andererseits, weil sie hier zum Opfer eines großen Erdbebens geworden sind.“ Er kündigt eine weitere Unterstützung an - die Region dürfe „nicht vergessen werden“.

Das Beben mit seinen rund 57.000 Toten und die Nachwirkungen haben auch eine politische Dimension. Die katastrophale Bilanz war nicht nur ein Ergebnis geologischer Urgewalten. Auch politisches Versagen spielte eine Rolle. Kritiker beklagen eine Komplizenschaft aus verantwortungslosen Bauherren und korrupten Behörden.

Kinder spielen in einem Unterbringungszentrum für Erdbebenopfer vor Wohncontainern.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Unternehmer ließen billige Pfuschbauten in einer tektonischen Hochrisikozone hochziehen, die den Erdstößen nicht standhielten - so auch in Nurdagi, dieser kleinen Stadt in der landschaftlich atemberaubend schönen Bergregion der Südost-Türkei.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (Mitte r) besucht ein Unterbringungszentrum für Erdbebenopfer.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Zu oft drückten die zuständigen Behörden ein Auge zu, wenn lebenswichtige Bauvorschriften nicht eingehalten wurden. Staatschef Recep Tayyip Erdogan beschuldigte gleich nach dem Beben skrupellose Bauunternehmer, die billigen Beton verwendet und Vorschriften zum Schutz der Bewohner missachtet hätten.

Allerdings hätten Untätigkeit, Profitgier und Korruption genau so Menschen getötet wie die Erdstöße, schrieb die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in einem Bericht zum ersten Jahrestag des Bebens. Kein einziger Beamter oder Bürgermeister habe sich seit dem Beben wegen seiner Verantwortung für die Genehmigung von Pfuschbauten vor Gericht verantworten müssen.

Kritiker deuten die Probleme, die im Zusammenhang mit dem Beben sichtbar geworden sind, als weiteren Beleg für die Defizite von Erdogans Herrschaftssystem. Am Mittwoch will Steinmeier zum Abschluss seiner Reise den türkischen Präsidenten in Ankara treffen. Es dürfte sein schwierigster Termin werden. „Ich unterstelle, dass das nicht in allen Punkten einfache Gespräche sein werden“, sagte Steinmeier in Nurdagi mit Blick auf das bevorstehende Treffen. (AFP)

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