zum Hauptinhalt
Bundesfamilienministerin Lisa Paus bei einem Kabinettstreffen in Berlin am 10. Januar 2024.

© REUTERS/LIESA JOHANNSSEN

Exklusiv

Partnerfreistellung nach Geburt des Kindes: Paus verteidigt Umlagefinanzierung

Die Familienstartzeit sollte eigentlich Anfang 2024 eingeführt werden, doch das Vorhaben kommt nicht voran. Grüne und FDP werfen sich gegenseitig eine Blockadehaltung vor.

Unter der Überschrift „Zeit für Familie“ hatte die Ampel im Koalitionsvertrag die sogenannte Familienstartzeit angekündigt: „Wir werden eine zweiwöchige vergütete Freistellung für die Partnerin oder den Partner nach der Geburt eines Kindes einführen“, heißt es darin.

Nicht geregelt wurde allerdings die Finanzierung, um die heftiger Streit entbrannt ist. Nach dem Willen von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) soll die Wirtschaft über eine Umlage für die Kosten aufkommen, die FDP bevorzugt eine Finanzierung aus Steuergeldern.

Entwurf seit Monaten in der Ressortabstimmung

Der bezahlte Sonderurlaub für den Partner beziehungsweise die Partnerin der Mutter sollte eigentlich Anfang 2024 eingeführt werden. Das Vorhaben ist wegen der nach wie vor ungeklärten Finanzierung jedoch ins Stocken geraten. Ein Referentenentwurf aus dem Familienministerium befindet sich seit Monaten in der Ressortabstimmung.

Partnerschaftsfreistellungen dürfen nicht davon abhängig sein, ob man bei einem Unternehmen beschäftigt ist, welches sich derartige Freistellungen auf eigene Kosten leisten kann.

Aus einem Hintergrundpapier des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)

Der Entwurf sieht eine Umlagefinanzierung vor, bei der der Arbeitgeber die Lohnkosten von Partner oder Partnerin der Mutter übernimmt. Der Arbeitgeber wiederum erhält einen vollen Erstattungsanspruch aus dem arbeitgeberfinanzierten „U2-Umlageverfahren“. Die Kosten sollen, so sieht es der Entwurf vor, solidarisch über das Umlageverfahren von der Gesamtheit der Arbeitgeber getragen werden. So ist es bereits beim gesetzlichen Mutterschutz der Fall.

Freistellung soll nicht vom Arbeitgeber abhängen

Das Familienministerium verweist darauf, dass diese solidarische Finanzierung vor allem kleinen und mittelständischen Unternehmen zugutekäme. Für sie machten die Freistellungskosten im Verhältnis zu dem Gesamtunternehmensumsatz einen größeren Kostenanteil aus als für größere Unternehmen. Aus Sicht des Familienministeriums wird so ein Ausgleich zwischen Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen und mit einem unterschiedlichen Anteil an Frauen und Männern geschaffen.

Familienministerin Paus möchte durch die solidarische Finanzierung verhindern, dass die Freistellung zu einem Privileg von Angestellten großer Unternehmen wird. Wenn große DAX-Unternehmen Freistellungen ermöglichten, sei das zwar ein gutes Zeichen aus der Wirtschaft, heißt es in einem Hintergrundpapier des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), das dem Tagesspiegel exklusiv vorliegt.

„Partnerschaftsfreistellungen dürfen aber nicht davon abhängig sein, ob man bei einem Unternehmen beschäftigt ist, welches sich derartige Freistellungen auf eigene Kosten leisten kann oder bei einem kleinen Unternehmen, welches sich dies nicht leisten kann“, steht in dem Papier. Unternehmen wie Henkel haben eine Freistellung bereits von sich aus eingeführt.

Die FDP sieht die Umlagefinanzierung kritisch. Ihre stellvertretende Fraktionsvorsitzende Gyde Jensen sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, dass es eine gesetzliche Regelung bräuchte, die in der aktuellen Konjunkturlage umsetzbar sei. „Wenn die Ministerin jedoch nicht rechtzeitig mit uns über Möglichkeiten und Finanzierung spricht und am Ende das Finanzministerium als alleinigen Schuldigen darstellt, funktioniert das nicht.“ Jensen forderte Paus auf, einen neuen Gesetzentwurf vorzulegen, der eine andere Finanzierung, etwa aus Steuergeldern, vorsieht.

Kritik an Umlagefinanzierung

Die FDP-Politikerin warnte vor einer zu starken Belastung der Unternehmen und verwies zur Begründung auf das Ende 2022 vereinbarte Belastungsmoratorium. Auf dem Höhepunkt der Energiekrise hatte die Koalition vereinbart, darauf zu achten, „dass während der Zeit der Krise keine unverhältnismäßigen zusätzlichen Bürokratielasten die Wirtschaft beeinträchtigen“.

Familienpolitikerin Nina Stahr (Bündnis 90/Die Grünen) wehrt sich dagegen: „Jetzt das Belastungsmoratorium als Argument zu nennen, geht an der Sache vorbei“, sagte sie dem Tagesspiegel. Das Moratorium ziele auf unverhältnismäßige Bürokratie ab und nicht auf Kosten für Unternehmen. „Das U2-Umlageverfahren ist gerade bürokratiearm − es ist geübte Praxis“, sagte Stahr.

Die Grünen-Politikerin wirft dem Finanzministerium vor, das Vorhaben zu behindern. „Der Vorschlag für die Familienstartzeit liegt dem Finanzministerium seit Monaten vor, ohne dass es eine Reaktion gegeben hat“, sagte sie dem Tagesspiegel. Es sei nicht nachvollziehbar, warum das Finanzministerium die Verbändeanhörung blockiere.

Freistellung soll Mütter entlasten

Die Familienstartzeit, von vielen nicht ganz treffend als Vaterschaftsurlaub bezeichnet, soll dem Partner beziehungsweise der Partnerin der Mutter ermöglichen, die ersten Lebenstage ihres Kindes mitzuerleben, ohne dafür Elternzeit oder Urlaub nehmen zu müssen.

Vor allem aber soll die Mutter des Kindes entlastet werden: „Die Partnerfreistellung ermöglicht es Partnern und Partnerinnen, die Mutter nach den Anstrengungen der Geburt in der Wochenbett-Regeneration im familiär vertrauten Umfeld zu unterstützen“, heißt es in dem Hintergrundpapier des Familienministeriums. Die Freistellung ermögliche, dass beide Eltern gemeinsam die erste herausfordernde Phase mit dem Neugeborenen bewältigen könnten. „All das dient in erster Linie dem Gesundheitsschutz der Mutter.“

Bislang hat allein die Mutter des Kindes rund um den Zeitpunkt der Entbindung einen besonderen Anspruch auf Freistellung von der Beschäftigung nach dem Mutterschutzgesetz. Der Schutz besteht sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false