zum Hauptinhalt

Nach Unterlassungsforderungen : Bundesverfassungsgericht stoppt Vorab-Infos an Presse

Ausgewählte Journalisten erhielten vorab Zugang zu Urteils-Pressemitteilungen. Tagesspiegel und „Bild“ gingen dagegen vor – jetzt will Karlsruhe seine Praxis überdenken.

Stephan Harbarth, Vorsitzender des Ersten Senats und Präsident des Bundesverfassungsgerichts.

© dpa/Uli Deck

Das Bundesverfassungsgericht hat seine umstrittene Praxis der Vorab-Informationen an ausgewählte Journalistinnen und Journalisten vorerst ausgesetzt. „Im Hinblick auf die in den vergangenen Jahren eingetretenen Veränderungen des Umfelds überdenkt das Bundesverfassungsgericht gegenwärtig seine gesamten Kommunikationsstrukturen und -abläufe“, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts vom Dienstag. Vor diesem Hintergrund werde die Praxis zunächst im 2. und 3. Quartal 2023 nicht mehr angewendet.

Ein weiterer Hintergrund der Entscheidung könnten Unterlassungsforderungen des Tagesspiegels sowie der „Bild“-Zeitung gewesen sein. Beide Zeitungen hatten das Gericht Mitte des Monats aufgefordert, die Praxis bis zum 29. März einzustellen. Sie sei rechtswidrig und stelle einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in das Recht auf Gleichbehandlung im publizistischen Wettbewerb dar, heißt es in den beiden Schreiben.

Das ist ein voller Erfolg für Tagesspiegel und Bild, die sich beharrlich für die Gleichbehandlung aller Journalistinnen und Journalisten durch das Bundesverfassungsgericht eingesetzt haben.

Der Deutsche Journalisten-Verband in einer Stellungnahme

Das Bundesverfassungsgericht gewährt den Mitgliedern der „Justizpresskonferenz“ (JPK), einer Journalistenvereinigung in Karlsruhe, am Abend vor Urteilsverkündungen Zugang zu den Urteils-Pressemitteilungen – noch bevor Prozessbeteiligte davon Kenntnis erhalten. Die AfD hatte gegen die Praxis geklagt, weil sie sich vorgeführt fühlte, verlor aber ihren Prozess. Die Partei als solche werde nicht in ihren Rechten verletzt, entschied der Baden-Württemberger Verwaltungsgerichtshof.

Das Vorgehen des Gerichts wurde von den Beteiligten strikt geheim gehalten, bis der Tagesspiegel 2020 darüber erstmals öffentlich berichtete. Die Praxis hatte teils kuriose Folgen. So erfuhren die Korrespondenten von ARD und ZDF, die einen wesentlichen Anteil der JPK-Mitglieder stellen, noch vor ihren Sendeanstalten von einem neuen Urteil zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Eine juristisch noch nicht beantwortete Frage ist die Ungleichbehandlung der Medienvertreter. Formal hatte das Bundesverfassungsgericht sie damit gerechtfertigt, in der JPK seien besonders kenntnisreiche und zuverlässige Korrespondenten versammelt, die Verschwiegenheit bewahren könnten. Diese Bevorzugung der örtlichen Medienvertreter war jedoch auf Kritik gestoßen, nicht nur bei Journalistenorganisationen und dem Presserat, sondern auch in einem Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags.

„Das ist ein voller Erfolg für Tagesspiegel und Bild, die sich beharrlich für die Gleichbehandlung aller Journalistinnen und Journalisten durch das Bundesverfassungsgericht eingesetzt haben“, erklärte der Deutsche Journalisten-Verband am Dienstag. Es komme jetzt darauf an, dass die Verfassungsrichter die Journalisten angemessen informieren, damit über wichtige Entscheidungen aus Karlsruhe zeitnah und umfassend berichtet werden könne.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false