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Bosnien-Herzegwina hat gewählt. Stimmenauszählung in einem Wahllokal in Sarajevo.

© Foto: Reuters/Amel Emric

Nach den Wahlen in Bosnien-Herzegowina: „Abspaltung der Republika Srpska ist politisch ausgeschlossen“

Der Beauftragte der Bundesregierung für den Westbalkan, Manuel Sarrazin, sieht nach den Wahlen in Bosnien-Herzegowina Hoffnungszeichen für eine Abkehr vom Nationalismus.

Herr Sarrazin, die Menschen in Bosnien-Herzegowina haben ein neues Parlament und Staatspräsidium gewählt. Haben sich die nationalistischen Parteien erneut durchgesetzt?
Die nationalistischen Kräfte haben es bei dieser Wahl schwerer gehabt als in der Vergangenheit. Das lässt sich mit aller Vorsicht, zumal die Stimmenauszählung noch läuft, bereits sagen. Die Wahlbeteiligung war hoch. Viele junge Menschen haben ihre Stimme abgegeben. Aus den bisherigen Ergebnissen lässt sich der Wunsch herauslesen, zukunftsorientierte Reformen und europäische Werte stärker durchzusetzen.

Der Westbalkan-Beauftragte der Bundesregierung, Manuel Sarrazin, vertrat die Grünen bis 2021 im Bundestag.

© Foto: picture alliance/dpa/Sina Schuldt

Bosnien-Herzegowina ist zwischen Serben, Kroaten und Bosniaken zerrissen. Ist mit der Wahl das Risiko eher gestiegen, dass sich die Serbenrepublik innerhalb des Landes abspalten könnte?
Wenn man davon ausgeht, dass im Staatspräsidium weiterhin eine Vertreterin sitzen wird, die den Kurs des serbischen Separatisten Milorad Dodik unterstützt, dann ist das Risiko nicht geringer geworden. Die vorliegenden Ergebnisse deuten aber darauf hin, dass diejenigen, die sich für gleiche Bürgerrechte im Gesamtstaat einsetzen, durchaus Erfolge hatten. Das Wahlergebnis und die Tatsache, dass die Wahl stattgefunden hat, ist unterm Strich keine schlechte, vielleicht sogar eine gute Nachricht für die Bürgergesellschaft in Bosnien-Herzegowina.

Würde eine unabhängige Serbenrepublik in Bosnien-Herzegowina überhaupt von den umliegenden Staaten in der Region anerkannt?
Die Möglichkeit einer Abspaltung der Republika Srpska ist politisch ausgeschlossen. Keiner der Partner in der Region betreibt das ernsthaft.

Seit August ist die Bundeswehr wieder in Bosnien-Herzegowina präsent. Russland hat einen starken Einfluss in der Region und drängt darauf, die militärische Eufor-Mission wieder abzuschaffen. Kommt der russische Präsident Wladimir Putin damit durch?
Wir gehen davon aus, dass das Mandat der EU-geführten Stabilisierungsmission Eufor Althea in Bosnien und Herzegowina im UN-Sicherheitsrat verlängert wird. Denn alle politischen Kräfte in Bosnien und Herzegowina wünschen sich, dass die Eufor-Soldaten weiter Präsenz zeigen.

Nicht nur Russland nimmt einen großen Einfluss in Bosnien-Herzegowina, sondern auch die benachbarten Staaten Serbien und Kroatien. Dem Hohe Repräsentanten für Bosnien-Herzegowina, dem Deutschen Christian Schmidt, wird vorgeworfen, er habe sich im Vorfeld der Wahlen einseitig von der kroatischen Regierung in Zagreb beeinflussen lassen. Was ist da dran?
Christian Schmidt hat am Sonntag neue Entscheidungen im Rahmen der so genannten Bonner Befugnisse verkündet, über die er in seinem Amt verfügt. Mit den jüngsten Entscheidungen werden das Wahlrecht und die Verfassung in einer der beiden Entitäten geändert. Eine Bewertung der jüngsten Änderungen werden wir nicht im Alleingang unternehmen, sondern im Gespräch mit unseren Partnern. Christian Schmidt trifft seine Entscheidungen unabhängig gemäß seinem Mandat, und er hat für diese wichtige Aufgabe unsere Unterstützung.

Die EU hält Bosnien-Herzegowina hin. Das Land hat immer noch keinen Kandidatenstatus für eine spätere mögliche Mitgliedschaft in der Gemeinschaft. Wenn sich das nicht ändert, droht dann die Gefahr, dass Russland und China zunehmend Präsenz in dem Land zeigen?
Neben Russland ist in der Tat auch China in der Region zunehmend präsent. Es liegt in unserem Interesse, unser wirtschaftliches Engagement auch durch unseren sicherheitspolitischen Einsatz zu flankieren. Wir dürfen keinen Platz lassen für dritte Mächte, die wegen des fehlenden Interesses der EU in die Region hineindrängen. Wir sind der Favorit in der Region. Deshalb sollten wir für die Staaten des westlichen Balkans die klare Perspektive aussprechen: Ihr Weg führt in Richtung EU.

Chinas Präsenz auf dem Balkan. In Serbien dankte im März 2020 eine regierungsnahe Zeitung dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping für die Hilfe in der Corona-Pandemie.

© Foto: AFP/ANDREJ ISAKOVIC

Wie bewerten Sie insbesondere die Bemühungen Chinas, im Rahmen der Initiative der „Neuen Seidenstraße“ verstärkt Zugang zu der Region des westlichen Balkans zu bekommen?
Klar ist, dass China zuletzt in Bosnien und Herzegowina mehr Präsenz gezeigt hat. Dies wird auch als politisches Argument von Kräften wie dem serbischen Separatisten Dodik genutzt. Aber die wirtschaftlichen Bemühungen Chinas reichen bei weitem nicht an das heran, was Deutschland, die europäischen Partner und die EU hier insgesamt leisten. Wir sollten uns nicht hinter China verstecken, sondern zu unserem Engagement stehen.

Der Geburtsfehler Bosnien-Herzegowinas liegt darin, dass die Aufteilung des Landes in ethnische Entitäten im Vertrag von Dayton aus dem Jahr 1995 eingefroren wurde. Sehen Sie einen Ausweg aus der Blockade?
Der Anfang ist mit den Wahlen, die nach meinem bisherigen Eindruck insgesamt ruhig und weitestgehend ordentlich verlaufen sind, hoffentlich gemacht. Es ist jetzt wichtig, dass die Ergebnisse von allen Seiten respektiert und umgesetzt werden. Im nächsten Schritt müssen die Parteien Spaltungen und Blockaden überwinden und funktionierende Institutionen bilden. Dazu gehört insbesondere eine Regierung in der kroatisch-bosnischen Föderation. Ich hoffe, dass mit den Wahlen wieder Verantwortungsträger im Land zur Verfügung stehen, mit denen man einen gemeinsamen Weg beschreiten kann. Unterm Strich gilt vor allem eines: Die Reformbemühungen dürfen nicht allein von außen kommen, sondern müssen vor allem aus dem Inneren der Gesellschaft in Bosnien und Herzegowina selbst kommen. Das ist, was gerade die junge Generation im Land auch deutlich verlangt.

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