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Sahra Wagenknecht (Die Linke) bei ihrer „Wirtschaftskrieg“-Rede im Bundestag am 8. September 2022

© Michael Kappeler/dpa / dpa/Michael Kappeler

Nach dem Eklat um Wagenknecht: Die Linke schafft sich selbst ab

Nostalgiebetrieb, Kummerkasten, Podium für Kreml-Propaganda: Die Linke hat versäumt, ihren Kern zu definieren. Und fällt in dem Moment auseinander, wo sie dringend gebraucht wird.

Ein Kommentar von Robert Ide

Welch eine Ironie: Oskar Lafontaine hat einst die Linkspartei groß gemacht, nun wird sie von seiner Ehefrau Sahra Wagenknecht verhackstückt.

Welch eine Ironie auch das: Der Protest gegen die Sozialreform Hartz IV ließ die Protestpartei Ost auch in der westdeutschen Fläche wachsen – nun, da die SPD wegen dieses Protests die Reform zum Bürgergeld umetikettiert, fällt die Linke im Land auseinander.

Wutpartei gegen „die da oben“ und generell gegen die Demokratie ist längst die AfD. Und das ist die traurigste Ironie mit Blick auf die Linke: In dem Moment, in dem das Land eine soziale Protestpartei dringend braucht, vor einem Winter des sozialen Fröstelns im Angesicht des russischen Angriffskrieges mitten in Europa, schafft sie sich selbst ab.

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Selbstbeschäftigung statt Entscheidung über den Standpunkt

Jahrelange Personalquerelen, unterbrochen von schwachen Wahlergebnissen, haben zu immer neuen Personalquerelen geführt. Der Entscheidung, wofür die Linke im Kern steht, wich sie mit Selbstbeschäftigung über Posten und Symbole aus.

Nun treten zwei weithin anerkannte Politiker aus der Linken aus, Soziallobbyist Ulrich Schneider und Finanzexperte Fabio de Masi – weil sie den prorussischen Populismus von Wagenknecht und die ewigen Grabenkämpfe nicht mehr ertragen.

Die Fraktionsführung befördert die Eskapaden der Talkshow-Königin und der Parteiführung fehlt die Kraft, ihnen entschlossen entgegenzutreten. Dahinter steht auch die Annahme, dass man nur mit Wagenknechts Populismus (zu dem die AfD im Bundestag applaudiert) noch Wahlen gewinnt. Dies stellte sich aber schon bei der letzten Bundestagswahl als falsch heraus, als die Linke die Fünf-Prozent-Hürde riss.

Machtlos im Parteichaos: die Vorsitzenden Martin Schirdewan und Janine Wissler

© Foto: dpa/Martin Schutt

Doch die Selbstreinigung blieb aus: Fraktionschef Dietmar Bartsch erkaufte sich seinen Postenerhalt durch ein stilles Bündnis mit Wagenknecht, das in ihrer kreml-freundlichen Rede im Bundestag gipfelte. Parteichefin blieb Janine Wissler, obwohl sie bei Sexismus in ihrem Landesverband weggesehen hatte.

Der neue Co-Parteichef Martin Schirdewan versucht nun alle zu beschwichtigen, statt endlich das Verpasste zu tun: zu sagen, wer die Linke sein will. Sie weiß es eben selbst nicht.

Die Linkspartei erfand die SPD neu

Parteien sind Projektionsflächen für Träume von einer verbesserten Welt. Die Linke hat selten Träume formuliert. Das liegt an ihrer Genese als Partei.

Nach dem Ende der DDR wurde die Staatspartei SED als PDS herübergerettet; Gregor Gysi schwang auf der Bühne einen Besen der Erneuerung, um damit hinter den Kulissen das SED-Vermögen und Immobilien in die neue Zeit zu verschieben.

Nach langen Jahren als sozialistischer Nostalgiebetrieb, mit dem die PDS die bis heute anhaltende Demokratieskepsis im Osten befeuerte, erfand sich die Linkspartei nicht selbst neu – sondern die SPD.

Die Hartz-IV-Reformen und der Bruch zwischen Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine erweckten die Linke als Protestpartei und sozialer Kummerkasten. So kam die Partei in Verantwortung – etwa mit Ministerpräsident Bodo Ramelow, der Thüringens Regierung vor einer AfD-Tolerierung rettete.

Im Bund fehlte diese Entwicklung: Statt sich regierungs- und bündnisfähig zu machen, flüchtete sich die Fraktion in Populismus. Der brachte billigen Beifall, aber keinen weiter.

Gleichzeitig von Solidarität reden und Kreml-Propaganda verbreiten; gleichzeitig in Berlin besonnen mitregieren und sich in der Partei in internen Hasskämpfen verheddern – das passt nicht zusammen. Ihren Kern zu finden, hat die Linke jahrelang versäumt. Nun macht sie sich selbst zur Geschichte. Weil sie der Gegenwart immer nur hinterhergelaufen ist. Das ist keine Ironie – sondern ihre eigene Schuld.

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