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Die Zahl der Kinder zwischen sechs und zehn Jahren in Deutschland, die nicht schwimmen können, lag 2022 bei 20 Prozent.

© mauritius images / Science Photo Library

Marode Bäder, zu wenig Unterricht: Warum Deutschlands Schwimmkrise so schwer zu lösen ist

Die Parteien sind sich einig: Der Sanierungsstau in den maroden Schwimmbädern ist landauf, landab enorm. Eine einfache Lösung aber ist nicht in Sicht.

50 Jahre ist es alt, das Hallenbad im bayerischen Karlsfeld. Es tropft hier, es bröckelt dort – der Bau ist marode. „Darunter leidet vor allem das Schulschwimmen, auch die Vereine müssen sich derzeit woanders um Trainingsmöglichkeiten kümmern“, sagt eine Sprecherin der Gemeinde im Speckgürtel Münchens. Seit Oktober 2022 ist das Bad, für das ohnehin eine Generalsanierung geplant war, komplett geschlossen. Es herrscht akute Einsturzgefahr.

Karlsfeld sitzt auf dem Trockenen: So geht es Städten und Dörfern in der ganzen Republik. Viele Bäder wurden Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger gebaut. Sie werden nun landauf, landab gleichzeitig baufällig.

Der hohe Aufwand von 15 Millionen Euro ist trotz der Förderung für eine Gemeinde schwer zu stemmen.

Eine Sprecherin der Gemeinde Karlsfeld

In Karlsfeld hatte man sich erfolgreich um Geld vom Bund für die Sanierung bemüht. Mehr als fünf Millionen Euro wurden zugesagt. Trotzdem ist nicht klar, ob etwas zu retten ist. „Der hohe Aufwand von 15 Millionen Euro ist trotz der Förderung für eine Gemeinde schwer zu stemmen“, sagt die Sprecherin. Die Entscheidung, wie es weitergeht, steht aus.

Das Förderprogramm des Bundes

Karlsfeld ist mit dem Problem nicht allein. Im Bundestag herrscht parteiübergreifend Einigkeit, dass die Lage ernst ist, und zwar bundesweit.

Für das Jahr 2022 hat der Bundestag ein Förderprogramm mit neuem Geld ausgestattet, das es schon unter den Vorgängerregierungen gab. Es geht um die Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur, derzeit gehen mehr als 40 Prozent des Geldes in die Bädersanierung. Im Jahr 2022 wurden 476 Millionen Euro verteilt, im Bundeshaushalt 2023 wurden weitere 400 Millionen Euro bereitgestellt.

„Diese Sanierungsförderung müssen wir zielstrebig weiter verfolgen, die Situation ist dramatisch“, sagt Ina Winklmann, Bundestagsabgeordnete der Grünen aus Bayern und sportpolitische Sprecherin ihrer Fraktion.

20
Prozent der Grundschulkinder können nicht schwimmen

Sie hat einschlägige Erfahrung: „Ich bin eine alte Wasserwachtlerin, ich weiß, dass dieses Thema lebensnotwendig ist.“ Winklmann ist ausgebildete Rettungsschwimmerin, hat früher selbst in Freibädern Aufsicht geführt und auch Schwimmkurse gegeben.

Sie kennt daher den zweiten Teil des Problems aus eigener Anschauung: Immer mehr Kinder lernen nicht schwimmen, immer weniger Menschen gibt es, die es ihnen beibringen könnten. Dass die Bäder aufgrund der Corona-Pandemie lange geschlossen wurden, hat das Problem verschärft.

Im Januar veröffentlichte die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage. Sie zeigt: Die Zahl der Kinder zwischen sechs und zehn Jahren in Deutschland, die nicht schwimmen können, hat sich von 2017 bis 2022 von zehn auf 20 Prozent verdoppelt.

Da wird zu sehr nach dem Bund gerufen.

Sabine Poschmann, sportpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion

Der Sanierungsstau trägt zu den Schwierigkeiten beim Schwimmunterricht bei. Doch wer ist dafür verantwortlich? „Da wird zu sehr nach dem Bund gerufen“, sagt Sabine Poschmann, sportpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion. „Die Haushalte sehen in den Ländern manchmal besser aus als im Bund. Manche Länder sind Macher, andere meckern und rufen nach dem Bund.“

Den dringenden Bedarf sieht aber auch Poschmann. Sie fordert, das Fördergeld vom Bund strategisch danach zu vergeben, wo tatsächlich der Bedarf am größten ist, und nicht gleichmäßig auf die Bundesländer zu verteilen. „Sozial schwächere Gegenden müssen besonders bedacht werden“, sagt Poschmann.

Von einer „sehr ernsten Krise“ spricht auch Philipp Hartewig, sportpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. „Der Bund kann mangels Zuständigkeit nur Impulse setzen, und es wird lange dauern, den Sanierungsstau aufzulösen.“ In Sachsen müsse jeder Sportlehrer auch als Rettungsschwimmer qualifiziert sein, das sieht Hartewig als gutes Beispiel.

Stephan Mayer, sportpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, sagt, er sei „in höchstem Maße besorgt“. Das Problem habe sich aufgrund der Pandemie in den vergangenen Jahren erheblich verschärft. „Alle sind sich des Problems bewusst, in Bund, Ländern und Kommunen, und zwar parteiübergreifend. Es gibt derzeit aber keinen kohärenten Lösungsansatz. Wir haben kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem.“

Am Donnerstag wird die DLRG neue Zahlen dazu vorlegen, wie viele Menschen 2022 durch Ertrinken bundesweit ums Leben kamen. Dann richtet sich der Blick der Öffentlichkeit wieder auf die Bäder – und deren große Welle von Problemen.

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