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In Ketzin gab es ein Pilotprojekt zur Speicherung von CO₂.

© picture alliance / dpa / Nestor Bachmann

Lösung für die deutsche Klimapolitik?: Habeck informiert sich in Norwegen über CO₂-Einspeicherung

Für die deutsche Industrie ist die Einspeicherung von CO₂ mit Blick auf die Klimaziele verlockend. Die Bundesregierung will diese sogenannte CCS-Methode ermöglichen – doch das Vorhaben ist umstritten.

Für Robert Habeck ist es „eines der wichtigen Vorhaben in 2023“ – für Deutschlands Klimaschutzpolitik wäre es ein Paradigmenwechsel. Kurz vor Weihnachten verkündet der grüne Wirtschaftsminister am Ende einer Pressekonferenz, er wolle künftig CO₂-Einspeicherungen mit der umstrittenen CCS-Methode (Carbon Capture and Storage) in Deutschland ermöglichen. „Wir haben jetzt gesehen, dass Erfahrungen gesammelt wurden und die Technik notwendig ist für bestimmte Prozesse“, sagte Habeck damals und kündigte eine Novellierung des Kohlendioxidspeicherungsgesetzes bereits für 2023 an.

Doch davor wird sich der Wirtschaftsminister in den kommenden Tagen nochmals über die Technik am Rande seiner Norwegen-Reise informieren. Im Fjord-Städtchen Brevik, zwei Stunden südlich von Oslo, will Habeck eine Zementfabrik mit CCS-Anlage besichtigen. Dort wird Kohlendioxid aus der Zementherstellung abgefangen und unterirdisch gespeichert. Das CO₂ wird also tief im Boden vergraben statt in der Atmosphäre. Für Habeck offenbar Teil der Lösung im Kampf gegen den Klimawandel, für Norwegen – Weltmarktführer bei CCS – ein lukratives Geschäftsmodell.

Die Industrie ist noch immer der größte Verursacher von CO₂-Emissionen, für die sie im Rahmen des Emissionshandels jährlich Milliarden ausgeben muss. Mit dem CO₂-Preis will die Politik die Unternehmen eigentlich dazu bringen, auf klimaneutrale Prozesse umzustellen. Doch in manchen energieintensiven Branchen, wie der Zementherstellung oder der Stahlindustrie, ist es schwierig, die Emissionen zu drosseln. CCS ist für diese Firmen eine verlockende Alternative.

Das führt uns auf den völlig falschen Pfad.

Kerstin Meyer, Leiterin für Wirtschaft und Finanzen beim BUND, warnt vor CCS.

Doch in Deutschland wird CCS weiter kritisch gesehen. „Wir können nicht anfangen, unter der Nordsee oder Niedersachsen unseren Klimamüll abzuladen“, sagt Kerstin Meyer vom BUND. Sie hält CCS für ein Kind der Gas- und Öl-Industrie, mit der Norwegen reich geworden ist. Sollte die Speicherung oder der Export von CO₂ in Deutschland erlaubt werden, gehe der Transformationsdruck für die Industrie verloren, fürchtet sie. „Für die CCS-Infrastruktur will der Staat viele Milliarden Euro investieren. Das führt uns auf den völlig falschen Pfad.“

Der BUND und andere Umweltverbände fürchten zudem massive Schäden für die Ökosysteme im Meer und in den Böden. „Wir wissen nicht, ob die Methode sicher ist“, sagt Meyer, die den Begriff CO₂-Speicherung für irreführend hält, da es sich de facto um eine Endlagerung beziehungsweise eine Deponie handle.

Die wissenschaftliche Vorständin des deutschen Geoforschungszentrums (GFZ) in Potsdam, Prof. Dr. Susanne Buiter, hält die Methode dagegen für sicher. „CO₂-Speicherung ist zuverlässig durchführbar. Wir haben die Technik, und Deutschland hat passende geologische Speicher, wie zum Beispiel ausgeförderte Erdgaslagerstätten.“ Zwischen 2004 und 2017 hat das GFZ ein Pilotprojekt zur CO₂-Speicherung in Ketzin, 30 Kilometer westlich von Berlin, durchgeführt. „Das Projekt war erfolgreich und hat gezeigt, dass wir im norddeutschen Raum CO₂ sicher einspeichern können“, sagt Buiter.

Wir müssen unbedingt CO₂ vermeiden und übergangsweise einspeichern, um die Klimaziele noch zu erreichen.

Susanne Buiter, wissenschaftliche Vorständin am Geoforschungszentrum in Potsdam

Die Wissenschaftlerin hält CCS nicht für die Lösung, aber für eine Brückentechnologie. „Wir müssen unbedingt CO₂ vermeiden und übergangsweise einspeichern, um die Klimaziele noch zu erreichen“, sagt sie. Das Potenzial in Deutschland sei enorm, Know-how durch die Erdgas-Förderung und -Speicherung vorhanden. Die früheren Erdgas-Felder unter Niedersachsen und der Nordsee seien prädestiniert, weil dort früher schon für Millionen von Jahre Gas gelagert habe. „Theoretisch könnten wir das gesamte CO₂, das wir in Deutschland in den nächsten zehn Jahren verursachen, einspeichern“, sagt Buiter.

Wie genau eine CCS-Nutzung in Deutschland aussehen kann, ist jedoch noch völlig unklar. Habecks Haus hat eine Carbon Management Strategie für 2023 angekündigt, und auch seine eigene Partei signalisiert dem Wirtschaftsminister Offenheit. Man erarbeite „eine Langfriststrategie zum Umgang mit unvermeidbaren Restemissionen“, heißt es in einem Parteitagsbeschluss der Grünen aus dem Oktober.

Die FDP will keine Zeit verlieren

Im Hintergrund beschäftigt das Thema die Partei seit Monaten. Grünen-Chefin Ricarda Lang war bereits im Rahmen ihrer Sommertour im vergangenen Jahr in Norwegen, um sich über CCS zu informieren. Ihr Fazit fiel damals noch vorsichtig aus, sie habe noch Fragen: „Der Energieverbrauch all dieser Projekte etwa ist sehr hoch – selbst, wenn wir von Erneuerbaren ausgehen. Deshalb: Forschung und Entwicklung in diesem Bereich dürfen unter keinen Umständen zur Verlängerung der fossilen Verbrennung führen“, schrieb sie damals auf Instagram.

Ihr liberaler Koalitionspartner hat dagegen keine Zweifel an der Technik. „Für den Einsatz von CCS besteht eine schlichte Notwendigkeit, wenn wir Klimaneutralität erreichen wollen. Wer das leugnet, stellt sich gegen die Erkenntnisse des Weltklimarats und auch zahlreicher deutscher Studien“, sagt Olaf in der Beek, klimapolitischer Sprecher der FDP.

Auch er sieht Emissionsvermeidung im Vordergrund, doch daneben dürfe die Bundesregierung die neue Technologie nicht blockieren. „Gerade sichern sich andere Länder die Marktanteile“, warnt in der Beek. „Die Frage nach dem ,ob’ stellt sich bei CCS nicht mehr – je länger wir warten, desto teurer könnte es für uns werden.“

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