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Feiern statt helfen? Dieses Foto aus dem Weißen Haus nutzen einige Medien in Deutschland, um der Kanzlerin einen Strick zu drehen.

© dpa

Springer-Medien gegen Kanzlerin: Lieber feiern als helfen? Die Anklagen gegen Merkel sind schändlich

In der Bild-Zeitung wird ein Bild vom Empfang im Weißen Haus missbraucht, um der Kanzlerin schwere Vorwürfe zu machen. Das ist unseriös. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Bilder und Texte in der Zeitung haben manchmal eine doppelbödige Wirkung. Neben der Information, der sachlichen Präsentation von Fakten, können sie bei der Leserin und beim Leser Assoziationen und damit auch Emotionen auslösen, die weitreichend sind.

Manchmal ist den Redaktionen das im Moment der Textformulierung und der Bildauswahl gar nicht bewusst. Manchmal aber schon – und gelegentlich ist die Sekundärwirkung sogar der wesentliche Zweck des Berichtes.

Die „Bild“-Zeitung – und die ihr verbundene „BZ“ – haben das am Samstag beispielhaft demonstriert. Beide Zeitungen machen eine Seite mit der Zeile auf: „Feiert Merkel heute Geburtstag … oder reist sie ins Flutgebiet?“.

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Illustriert ist der Text in beiden Blättern mit einem Foto vom Balkon des Weißen Hauses, das Merkel und US-Präsident Joe Biden mit einem Glas in der Hand bei einem Gespräch in lockerer Atmosphäre zeigt. Es ist vermutlich der letzte Besuch der Bundeskanzlerin in offizieller Funktion in den USA.

Was hätte Merkel im Hubschrauber über dem Katastrophengebiet machen sollen?

Aus Agenturmeldungen wissen wir, dass Biden Merkel und ihren Mann am Abend Washingtoner Zeit mit einem kleinen Essen verabschiedete, anschließend – in der Nacht zum Freitag – flogen die beiden zurück. Die Zeitungen „Bild“ und „BZ“ machen ihr dies nun zum Vorwurf. Sie hätte statt nach Berlin nach Köln-Bonn fliegen können und von dort aus in einem Hubschrauber das Unglücksgebiet aus der Luft inspizieren, heißt es übereinstimmend.

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Dann wird Merkel, den Tatvorwurf der fehlenden Empathie mildernd, immerhin zugute gehalten, dass sie sich am Freitag in Videokonferenzen und Schaltungen mit den Krisenstäben informiert habe. Was aber bleibt: Sie hat Geburtstag gefeiert, statt vor Ort zu sein, und sei es nur aus der Luft.

Der Vorwurf ist infam, und dies aus mehreren Gründen. Ob eine völlig uninformierte und vielleicht unter dem Zeitwechsel leidende Kanzlerin aus dem Hubschrauber über dem Krisengebiet irgendeinen Menschen vor Ort emotional erreicht hätte, muss man bezweifeln. Außerdem haben Bilder von Politikern, die über Katastrophenorte fliegen, null Informationswert.

Zu spät? Angela Merkel am Sonntag im Katastrophengebiet.

© Christof Stache/REUTERS

Es stand auch fest, dass der Bundespräsident am Samstag den besonders betroffenen Rhein-Erft-Kreis in Nordrhein-Westfalen besuchen würde. Dass in solchen Situationen, wenn immer möglich, zuerst das Staatsoberhaupt vor Ort ist, hat auch protokollarische Gründe – er ist nun einmal die Nummer eins.

Wenn einen Tag später, die Kanzlerin, andere besonders von den Überschwemmungen betroffene, Gemeinden besucht, ist das also im Interesse aller: Mehr Notleidende kommen in direkten Kontakt mit den wichtigsten Politikern. Die Trennung der Besuche verhindert den Eindruck des Katastrophentourismus. Außerdem muss sich die Polizei vor Ort nicht mehr um die geballte Politikprominenz als um die vom Unglück Betroffenen kümmern.

Was eine einfache Rückfrage beim Bundespräsidialamt und beim Bundeskanzleramt ergeben hätte: Natürlich haben sich beide vorher bei Terminen und Orten abgestimmt, gerade, um Überlastungen vor Ort zu verhindern. Und dass sich Steinmeier und Merkel hinterher über das Erlebte austauschen, darf man getrost voraussetzen.

Zu guter Letzt: Ausgerechnet Angela Merkel, die nun wirklich nicht den Ruf eines Feierbiestes hat, vorzuwerfen, ihr könnte das Geburtstagfeiern vor die Pflichterfüllung gehen, ist ziemlich schräg.

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