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Drei Jahre alt und schon zerlegt. Die Mauer vor einer mit Salz aufgefüllten, sonst aber leeren Einlagerungskammer im Bergwerk Asse, hält dem Berg nicht stand. Foto: dpa

© dpa

Endlager Asse: Keine Kleinigkeit

1000 Seiten Genehmigungsantrag für Probebohrung: Der lange Weg zur Räumung des Atomlagers Asse.

Der Berg arbeitet. Erst 2008 ist die Wand vor einer Einlagerungskammer in 750 Meter Tiefe im Atomendlager Asse gemauert worden. Jetzt hat sie ein großes Loch und zerbröselt weiter. Die Mauer gehört zu den letzten Fehlern, die das Helmholtz- Zentrum München als Betreiber des früheren „Forschungsendlagers“ gemacht hat. Sie verschloss 2008 die Kammer neun, in die zwischen 1967 und 1978 zwar kein schwach radioaktiver Atommüll eingelagert worden ist. Dafür wurde die Nachbarkammer acht damit gefüllt. In die Kammer neun floss Wasser, das von außerhalb des Salzstocks seinen Weg hinein gefunden hat. Das war zwar keine große Menge. Aber nachdem Kammer neun mit 3000 Kubikmeter Salz verfüllt war, suchte sich das Wasser einen neuen Weg und fand ihn durch die mit Atommüll gefüllte Kammer acht. Die strahlende Brühe aus Kammer acht hat seit 2009 nicht nur an Menge zugenommen, auch die Strahlung ist höher. 16 Liter stark verstrahltes Wasser werden dort nun täglich aufgefangen, berichtete am Mittwoch Wolfram König, Präsident des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) und seit 2009 als Betreiber verantwortlich für die Asse.

Woher das strahlende Wasser aus Kammer acht genau kommt, weiß das BfS nicht. Genauso wenig weiß es, woher die täglich 12 000 Liter kommen, von denen 10 000 Liter auf der 658-Meter-Sohle aufgefangen und von dort an die Oberfläche gepumpt werden. Klar ist nur, dass es nicht vor 250 Millionen Jahren in den Berg eingeschlossen wurde, als das Meer, das einst Norddeutschland bedeckte, verdunstete und der Salzstock entstand. Dieses Wasser jedenfalls ist der größte Feind für den Plan, die radioaktiven Abfälle aus der Asse herauszuholen, neu zu verpacken und in ein sicheres Endlager zu bringen. Wenn es mehr wird, besteht das Risiko, dass die Grube absäuft. Das wäre das Letzte, was sich Wolfram König wünschen würde. Denn eine „gesetzeskonforme, sichere Schließung des Endlagers“ wäre dann aus seiner Sicht nicht möglich.

Doch die Räumung der Asse ist keine Kleinigkeit. Sie war Anfang des 20. Jahrhunderts zunächst ein Kali- und später ein Salzbergwerk. 1965 hat der Bund die Anlage gekauft. Da war die Asse schon durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Das Bergwerk ist auf relativ kleinem Raum wie ein Hochhaus unter Tage angelegt worden. Die Decken zwischen den Förder- und Einlagerungskammern sind keine zehn Meter dick. Schon bevor der Bund begann, Atommüll einzulagern, waren einige Kammern eingestürzt. Wenige Meter von Kammer acht entfernt ist ein Blindstollen aus dem Salzstock heraus ins Deckgebirge getrieben worden. Wolfram König steht kopfschüttelnd davor und sagt: „Das muss doch schon in den 60er Jahren aufgefallen sein.“ Es hat aber wohl nicht gestört. Der damals verantwortliche Endlagerexperte Klaus Kühn gab aber vor zwei Jahren vor dem Asse-Untersuchungsausschuss des niedersächsischen Landtags zu: „Wenn ich nach heutigem Wissensstand noch einmal zu entscheiden hätte, würde ich keine radioaktiven Abfälle dort einlagern.“

Wie schwierig es werden dürfte, den Atommüll zu bergen, zeigen schon die Vorarbeiten. Vor Kammer sieben steht ein gewaltiger Bohrer auf sauberen, miteinander verschweißten PVC-Platten. Der dekontaminierbare Boden – man kann ihn also leicht reinigen – war eine Auflage des niedersächsischen Umweltministeriums in der atomrechtlichen Genehmigung für die Bohrung. Doch bisher war in deutschen Bergwerken keine Badezimmer-Atmosphäre verlangt, PVC war bergrechtlich nicht genehmigt. Der Genehmigungsantrag für die Bohrung umfasste schon rund 1000 Seiten. 32 Auflagen in 1400 Teilschritten haben die niedersächsischen Genehmigungsbehörden verlangt. Für die Öffnung der Kammer oder die Bergung des darin verstauten Atommülls müssen weitere Genehmigungsanträge geschrieben werden. Wenn die Bohrung endlich stattfinden darf, soll ein Loch mit einem Durchmesser von zehn Zentimetern entstehen. Darüber sollen Luft- und Materialproben entnommen und eine Kamera eingeführt werden, um eine Ahnung vom Zustand des Atommülls hinter der etwa 20 Meter dicken Wand zu bekommen. Von den Ergebnissen hängt ab, ob die Bergung technisch überhaupt möglich ist. Erst dann lässt sich abschätzen, wie viel Zeit das BfS durch eine Füllung von Hohlräumen mit Salzbeton gewinnen muss, um die Bergung des Atommülls möglich zu machen. Dass ein weiterer Schacht in ein Naturschutzgebiet gebaut werden müsste, sieht daneben fast wie ein kleineres Problem aus.

Weil in der Asse nichts sicher ist, bereitet sich das BfS gleichzeitig auf den Notfall vor. Bis zu 500 000 Liter Wasser sollen für die Asse „handhabbar“ werden, sagt König. Außerdem werden auf mehreren Ebenen sogenannte Strömungsbarrieren gebaut, die möglichst lange verhindern sollen, dass das Wasser an die Abfälle herankommt.

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