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Christine Lambrecht (SPD) verkündete ihren Rücktritt als Verteidigungsministerin, nun wird eine Nachfolge gesucht.

© picture alliance/dpa/Michael Kappeler

Entscheidung über Lambrecht-Nachfolge erwartet: Habeck rechnet mit Frau an Spitze des Verteidigungsministeriums

Die SPD-Frauenorganisation und Wirtschaftsminister Habeck erwarten bei der Nachbesetzung des Verteidigungsministeriums Parität. Damit kämen die Wehrbeauftragte Eva Högl und Staatssekretärin Siemtje Möller in Betracht.

Nach dem Rücktritt von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht wird erwartet, dass Bundeskanzler Olaf Scholz am Dienstag die Nachfolgerin oder den Nachfolger verkündet. Arbeitsminister Hubertus Heil sagte am Montagabend in der ARD-Sendung „Hart aber fair“, der Kanzler werde die Personalie schnell - „nämlich morgen“ - bekanntgeben. „Da wird's keine Hängepartie geben“, betonte der SPD-Politiker. Die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte in den ARD-„Tagesthemen“ mit Blick auf Russlands Angriffskrieg in der Ukraine, das Vakuum müsse umgehend gefüllt werden.

Die seit Monaten in der Kritik stehende Verteidigungsministerin hatte am Montagmorgen schriftlich erklärt, dass sie Scholz um Entlassung gebeten habe. Die Frage der Nachfolge blieb zunächst unbeantwortet. Scholz sagte dazu jedoch: „Ich habe eine klare Vorstellung, und das wird sehr schnell für alle bekannt werden, wie das weitergehen soll.“

Als mögliche Anwärter für die Nachfolge im Gespräch waren SPD-Chef Lars Klingbeil, Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt und Arbeitsminister Heil sowie die Wehrbeauftragte Eva Högl und die Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Siemtje Möller.

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Heil äußerte sich angesichts der Spekulationen am Montagabend nicht eindeutig, betonte aber persönliche Pläne in seinem derzeitigen Ressort. „Ich habe jedenfalls als Arbeitsminister noch 'ne ganze Menge vor“, sagte der SPD-Politiker bei „Hart aber fair“.

Offiziell ist bislang nicht angekündigt, wann und wie Scholz die Personalentscheidung bekanntgibt. Der Kanzler wird am Dienstagmorgen zu einer Gesprächsveranstaltung in Mainz erwartet, für den Mittag ist dann ein Besuch beim Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten in Brandenburg an der Havel angesetzt.

Nachfolge erwarten viele offene Baustellen

Lambrecht hinterlässt der künftigen Ressortleitung eine ganze Reihe von Baustellen. So steht die Modernisierung der Bundeswehr unter anderem mit Hilfe des 100 Milliarden Euro umfassenden Sondervermögens erst am Beginn. Bisher wurden erst Verträge über gut zehn Milliarden Euro geschlossen. Die Aufrüstung hatte Kanzler Scholz nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar vergangenen Jahres verkündet.

Unklar ist auch noch, wie es mit den Waffenlieferungen an die Ukraine weitergeht. Nachdem die Bundesregierung zuletzt die Lieferung von Marder-Schützenpanzern beschlossen hatte, drehen sich die aktuellen Debatten darum, dem angegriffenen Land Leopard-Kampfpanzer bereitzustellen. Dauerbaustellen bei der Truppe sind auch Mängel bei zahlreichen Waffensystemen wie zuletzt beim Schützenpanzer Puma und Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Munition.

Auch der geordnete Rückzug aus dem UN-Einsatz Minusma in Mali steht auf der Agenda des oder der künftigen „Ibuk“, des Inhabers oder der Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt. Nach einer Entscheidung der Bundesregierung soll das bis Mai 2024 geschehen.

Habeck fordert weiterhin paritätisch besetztes Kabinett

Wirtschaftsminister Robert Habeck rechnet auch nach dem Rücktritt von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht mit einem paritätisch besetzten Kabinett. Bundeskanzler Olaf Scholz habe im Wahlkampf gesagt, in seiner Regierung sollten gleich viele Frauen wie Männer Verantwortung tragen. „Ich hab bisher noch nicht gehört, dass das zurückgenommen wurde“, sagte der Grünen-Politiker Habeck am Dienstag im Deutschlandfunk. Scholz habe trotzdem verschiedene Möglichkeiten, flexibel zu agieren. „Das sollte kein Widerspruch sein“, sagte Habeck. Die erste dringende Frage, die nach dieser Personalie zu entscheiden sei, sei die der Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine, sagte Habeck.

Lambrecht hatte am Montag um ihre Entlassung aus dem Ministeramt gebeten. Vizekanzler Habeck sagte in einem weiteren Interview, er wisse noch nicht, wer Nachfolger von Lambrecht werde. „Ich bin auch gespannt“, sagte er am Dienstag bei Welt-TV. Dies sei eine Sache, die die SPD und der Bundeskanzler zu klären hätten.

Auch die Frauenorganisation der SPD pochte darauf, die paritätische Besetzung des Bundeskabinetts beizubehalten - also gleich viele Männer und Frauen als Minister. „Eine Gesellschaft, die zu über 50 Prozent aus Frauen besteht, muss sich auch im Kabinett widerspiegeln“, sagte die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, Maria Noichl, der „Rheinischen Post“ (Dienstag). „Fifty-fifty muss weiter gelten. Dafür steht die SPD.“

Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter wies darauf hin, dass sich am Freitag Vertreter der westlichen Verbündeten der Ukraine auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz treffen. Wer Lambrechts Nachfolge antrete, müsse „sofort die Führung und Koordinierung der militärischen Unterstützung der Ukraine übernehmen oder zumindest die deutsche Blockade beenden“, sagte Kiesewetter den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

„Denn Deutschland sollte endlich die Führung bei der Koordinierung einer Leopard-Allianz übernehmen, um dem selbstgesetzten Anspruch einer Führungsrolle gerecht zu werden.“

Kiesewetter gegen General als Verteidigungsminister

Kiesewetter sprach sich dagegen aus, einen General zum neuen Bundesverteidigungsminister zu machen. „In unserer Parteiendemokratie sollten wir vermeiden, dass die Generalität in den Parteienstreit gezogen wird“, sagte Kiesewetter am Dienstag im ARD-„Morgenmagazin“. Deutschland brauche Generäle, die der Politik „den ungefilterten militärischen Ratschlag“ gäben. „Diese Trennung sollte erhalten bleiben.“

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, André Wüstner, sieht Durchsetzungsstärke als entscheidende Voraussetzung. „Ich bin nicht der Auffassung, dass jemand gedient haben muss und die unterschiedlichen Kaliber bestimmter Waffensysteme kennen muss. Es ist eben wichtig, dass man hier im Politikbetrieb durchsetzungsstark ist“, sagte Wüstner am Dienstag im Bayerischen Rundfunk (Bayern 2). Man brauche auch ein Herz für die Truppe. Diese sei „kein seelenloser Organismus“. „Aber diese Management- und Führungskompetenzen, die sind wichtiger denn je“, machte Wüstner deutlich.

Auf den Nachfolger oder die Nachfolgerin von Ministerin Christine Lambrecht (SPD) warten Wüstner zufolge große Aufgaben. „Es ist schon ein Jahr verloren gegangen in dieser Legislaturperiode. Deswegen ist jetzt wichtig, dass jemand kommt, der Vollgas gibt, der alle Handbremsen löst und der versucht, die Truppe geordnet in die Zukunft zu führen.“

Die Lage der Bundeswehr bezeichnete der Verbandschef als prekär mit Blick auf die Nachwuchsgewinnung und Ausrüstungsmängel. „Deswegen wünsche ich der neuen Person viel Energie, viel Fortune und bleibe aber zuversichtlich, dass es gelingen kann“, sagte Wüstner.

Auch Strack-Zimmermann, die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestags, forderte zum wiederholten Mal Bewegung in Sachen Kampfpanzer. Der Dreh- und Angelpunkt bleibe das Kanzleramt, betonte sie in der ARD. Sie hoffe, dass jetzt sehr schnell entschieden wird. „Die Europäer und auch die Nato-Staaten erwarten von Deutschland Führung.“ (dpa)

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