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 Euro-Münze in einer dunklen Flüssigkeit

© Foto: Imago/Future Image

Hohe Schulden, höhere Zinsen: Da braut sich etwas zusammen

Die Bundesschuld steuert auf zwei Billionen Euro zu – eine teure Sache angesichts der Zinswende. Die Belastung künftiger Etats wächst und wächst.

Langsam wird es richtig teuer. Die Schulden des Bundes wachsen, die Zinsen aber auch. Am Freitag haben die Regierungsfraktionen den reaktivierten Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) in den Bundestag eingebracht, mit dem vor allem die geplanten Preisbremsen bei Gas und Strom finanziert werden sollen. Kreditermächtigungen in Höhe von 200 Milliarden Euro werden in den Nebenhaushalt gesteckt. In der Ampel-Koalition geht man davon aus, dass sie am Ende auch vollständig gebraucht werden.

Fünf Milliarden Euro soll die Einmalzahlung an Privathauhalte im Dezember kosten, 25 Milliarden dann die komplette Gaspreisbremse bei Privaten bis 2024, 60 Milliarden die Preisbremse für die Industrie. 50 Milliarden sind zur Rettung von Gasimporteuren reserviert. Schon am Freitag in einer Woche soll die Megaverschuldung dann im Parlament beschlossen werden.

Finanzstaatssekretär Florian Toncar (FDP) sagte in der Debatte, die nochmals erhöhte Neuverschuldung diene der Sicherung von Existenzen, bei Privathaushalten wie in der Wirtschaft. Die Neuauflage des WSF sei eine Folge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine und der Strategie des russischen Präsidenten Wladimir Putin, über steigende Energiepreise auch die Gesellschaften in Westeuropa zu destabilisieren. „Der Abwehrschirm ist auch eine Inflationsbremse“, sagte Toncar.

Noch nie so viel neue Schulden in einem Jahr

Andererseits wächst damit die Kreditlast des Bundes weiter. Unions-Fraktionsvize Mathias Middelberg bezeichnete die Gaspreisbremse zwar als richtige Maßnahme, konstatierte aber auch, dass die Koalition nunmehr die höchste Neuverschuldung eingegangen sei, die es beim Bund jemals in einem Jahr gegeben habe.

Zusammen sind es jetzt 500 Milliarden Euro seit Januar. Das kreditfinanzierte Bundeswehr-Sondervermögen macht 100 Milliarden aus. 60 Milliarden an Kreditermächtigungen stecken im Klima- und Transformationsfonds. Knapp 140 Milliarden Euro neue Schulden sind zur Deckung des regulären Bundesetats für 2022 eingeplant. Ob sie komplett genutzt werden müssen, ist noch unklar. Aber die Bundesschuld steuert nun mittelfristig auf ein Volumen von zwei Billionen Euro zu, eine Verdopplung seit 2019. Schon in der Pandemie nach 2020 war die Verschuldung des Bundes auf 1,5 Billionen Euro gewachsen.

Das war noch in der Nullzinsphase. Nun aber muss der Bund für die Kredite, die er in diesem Jahr und in den kommenden Jahren aufnimmt, immer mehr bieten. Binnen weniger Monate hat die Zinswende für neue Verhältnisse gesorgt. Noch zu Beginn des Jahres, am 5. Januar 2022, konnte die Finanzagentur des Bundes eine Nullzins-Anleihe mit zehn Jahren Laufzeit problemlos platzieren. Am 8. Juni musste die Finanzagentur bei der Aufstockung dieser Anleihe – ein übliches Verfahren – jedoch schon einen deutlichen Preisabschlag gewähren. Der Ausgabekurs lag bei knapp 88 Euro (statt der üblichen 100), womit die Rendite für die Käufer (im Winter noch knapp im negativen Bereich) auf etwa 1,3 Prozent stieg.

2,33
Prozent muss der Bund aktuell an Zins bieten

Mittlerweile sind die Banken im Abnehmerkonsortium nur noch zum Kauf von Bundespapieren mit längerer Laufzeit bereit, wenn die Rendite durch einen höheren Zins und/oder einen Preisabschlag auf deutlich mehr als zwei Prozent kommt. Am Mittwoch waren es bei der Aufstockung einer weiteren zehnjährigen Anleihe schon 2,33 Prozent. Einige Bundesanleihen kommen an der Börse mittlerweile auf Renditen um 2,5 Prozent.

Der Markt verlangt also deutlich mehr, als der Blick auf den Leitzins der Europäischen Zentralbank nahelegen könnte. Der liegt derzeit noch bei 1,25 Prozent, dürfte aber weiter steigen, was das Zinsniveau weiter nach oben treiben wird. Zum Vergleich: Der Leitzins der US-Notenbank Fed liegt aktuell bei 3,25 Prozent, während US-Staatsanleihen am Markt mit etwa 4,5 Prozent rentieren. Das Niveau von Zins und Renditen bei deutschen Staatsanleihen entspricht mittlerweile wieder dem von 2010.

Ohne Schulden geht es nicht: Kanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck, Finanzminister Christian Lindner.

© Kay Nietfeld/Pool via Reuters

Und nicht nur neue Schulden müssen verzinst werden. Denn üblicherweise werden auslaufende Anleihen durch neue abgelöst, weshalb die Finanzagentur des Bundes in jedem Jahr deutlich mehr Geld am Finanzmarkt aufnehmen muss als die reine Neuverschuldung suggeriert. So wächst der Zinsenposten im Etat. Dank der Niedrigzinsphase war er zuletzt auf nur noch 3,4 Milliarden Euro gefallen. Aber schon im laufenden Jahr sind wieder 18 Milliarden Euro eingeplant, 2023 muss Finanzminister Christian Lindner (FDP) sogar schon mit 35 Milliarden Euro kalkulieren. Damit ist auch hier wieder die Höhe von vor zehn Jahren erreicht.   

Sehr kurzfristige Verschuldung

Und schon bald dürfte die Summe deutlich höher liegen. Denn in den Corona-Jahren hat sich der Bund sehr kurzfristig verschuldet, über die so genannten „Bubills“, Papiere mit einer Laufzeit von nur einem Jahr. 2021 wurde nach den Zahlen der Finanzagentur die Hälfte des Bruttokreditbedarfs des Bundes mit solchen Anleihen finanziert, auch in diesem Jahr wird es wieder so sein. Aber auch bei diesen Papieren steigt die Verzinsung, die von Investoren erwartet wird, rapide an. Im Januar ergab sich bei der Auktion noch eine Rendite von minus 0,6 Prozent, zuletzt mussten 1,7 Prozent akzeptiert werden.  Vor allem aber: Wegen der kurzfristigen Verschuldung muss auch kurzfristig refinanziert werden, womit der Bund relativ schnell ein höheres Zinsniveau bei allen Anleihen erreicht.

In wenigen Jahren schon dürfte die gesamte jährliche Kreditsumme daher mit deutlich mehr als zwei Prozent zu verzinsen sein. Bei zwei Billionen Euro ist man dann schnell in Dimensionen von 50, 60 oder noch mehr Milliarden Euro im Jahr. Das wären deutlich mehr als zehn Prozent eines Jahresetats.

Dazu kommt, dass ein erklecklicher Teil der nun über die Ausnahmeklausel der Schuldenbremse aufgenommenen Kredite getilgt werden muss. In der Koalition geht man davon aus, dass es ab 2028 (dann sollen die ersten Tilgungen beginnen) jährlich mindestens 20 Milliarden Euro sein werden. Künftige Regierungen werden das zu meistern haben - die Ausgabenspielräume verengen sich dann.  Das ist die Kehrseite der Rettungsmaßnahmen in der Pandemie und nun wegen des Ukrainekriegs und der Gaskrise.

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