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Infanterie der Zukunft: Die Bundeswehr soll modernisiert und aufgerüstet werden.

© Axel Heimken/AFP

Kritik am Beschaffungswesen der Bundeswehr: Grün und Gelb rüsten auf

Der Finanzminister hat vorgelegt, die Grünen unterstützen ihn: Die Art und Weise, wie die Armee Waffen und Gerät anschafft, soll gründlich reformiert werden.

Zur Biographie von Bundesfinanzminister Christian Lindner gehört, zwar zunächst den Wehrdienst verweigert, sich dann aber für eine Nebenkarriere als Reserveoffizier bei der Bundeswehr beworben zu haben. Mittlerweile ist der FDP-Chef zum Major der Reserve aufgestiegen. So hat er also praktische Teilzeiterfahrung im Wehrwesen. Zu Beginn der Woche hat sich der Minister und Major besorgt gezeigt zum Zustand der Bundeswehr und einige Zeilen an Kanzler Olaf Scholz und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht geschickt, die als „Brandbrief“ Aufsehen erregten.

Zwar ist der Ton des Schreibens eher unaufgeregt. Doch Lindner dringt unmissverständlich darauf, dass nach der Bereitstellung von 100 Milliarden Euro in dem kreditfinanzierten Sondervermögen zugunsten der Bundeswehr beim Anschaffen von Waffen und Gerät ein „möglichst effizienter Mitteleinsatz“ gesichert ist.

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Er will sich offenkundig nicht nachsagen lassen, dass er einer immensen Neuverschuldung zugestimmt hat – um damit Beschaffungspannen und Schlendrian zu finanzieren. Schon beim Beschluss im März, das Sondervermögen einzurichten, hat der Finanzminister klargemacht, dass die Mittel binnen weniger Jahre ausgegeben werden sollten. Lindner will keine Verschleppung und Verzögerung von Projekten.

Ein Reformobjekt namens BAAINBw

Genau dafür aber ist das Objekt bekannt, das er in seinem Brief an Scholz und Lambrecht zwar nicht nennt, aber meint: das Bundesamt für Aufrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw), auch als Beschaffungsamt bekannt. Die Behörde mit Sitz in Koblenz gilt als komplex, sie hat zehn Abteilungen und fast 7000 Stellen, von denen jedoch nicht wenige unbesetzt sind. An der Spitze steht Gabriele Korb, eine Karrierebeamtin, die seit 30 Jahren meist im Beschaffungswesen der Bundeswehr gearbeitet hat.

Lindner fordert, die finanzielle Kraftanstrengung mit „mutigen Reformen“ zu begleiten. Die schlechte Verfassung der Streitkräfte sei „maßgeblich auf strukturelle Defizite und ein unzureichendes ziviles und militärisches Management der vergangenen Jahre“ zurückzuführen.

"Veränderungen in Koblenz"

Unterstützung bekommt er von den Grünen. Der für das Wehrressort zuständige Haushaltspolitiker Sebastian Schäfer sagte dem Tagesspiegel: „Erste Schritte bei der Reform des Beschaffungswesens sind erfolgt. Das ist aber noch zu wenig.“ Weitere Maßnahmen seien nötig – Schäfer meint damit die „Optimierung der Beschaffungsstruktur und der Vergabeprozesse“. Gerade mit Blick auf die Beschaffungen im Rahmen des Sondervermögens fordert er ausdrücklich „Veränderungen der Koblenzer Behörde“.

So erhöhen die kleinen Koalitionsparteien den Druck auf die SPD, mehr ins Auge zu fassen als nur kleine Reformen – wie die Flexibilisierung der freihändigen Vergabe bei Einkäufen. Auch das gerade erst beschlossene Beschaffungsbeschleunigungsgesetz reicht ihnen nicht. Bei dessen Umsetzung hatte nicht Lambrecht, sondern bereits der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck die Federführung. Aus grün-gelber Sicht ist die Führung der Bundeswehr schon deshalb kritikwürdig, weil CDU und SPD seit 1955 noch nie andere Parteien herangelassen haben. War das Kanzleramt schwarz besetzt, führte die Union das Verteidigungsministerium. War es rot besetzt, machte das die SPD.

Ausgabenprogramm läuft an

Wie eine Reform des Beschaffungsamtes im Detail aussehen könnte, bleibt vorerst zwar unklar. Die Behörde selbst hat mögliche Wege skizziert. Doch sollte die Verteidigungsministerin nicht bald mit eigenen Vorstellungen auftreten, läuft sie Gefahr, dass FDP und Grüne konkreter werden.

[Lesen Sie auch: Kampfjets, Hubschrauber, U-Boote: Diese Waffen bekommt die Bundeswehr durch das Sondervermögen (T+) ]

Das Ausgabenprogramm im Sondervermögen läuft derweil an. Dessen Wirtschaftsplan (Teil des Bundeshaushalts) weist für 2023 Ausgaben in Höhe von 8,4 Milliarden Euro aus. Über Verpflichtungsermächtigungen sind zusätzlich etwa 52 Milliarden Euro bereitgestellt – der Rest wird in den kommenden Jahren hinzugefügt. Der größte Anteil ist bisher zugunsten der Luftstreitkräfte vorgesehen – darunter der Ankauf des US-Jets F35, die langfristige Nachfolge des Eurofighters (FCAS), die Eurodrohne, die Beschaffung schwerer Transporthubschrauber.

Beim Heer geht es unter anderem um die Nachrüstung des Schützenpanzers „Puma“ und die Nachfolge des „Marders“. Für die Marine sind neue Fregatten und Korvetten in Planung. Digital wird ebenfalls aufgerüstet, etwa zur Überwachung großer Räume durch Künstliche Intelligenz. Auch das Programm „Infanterist der Zukunft“ wird weitergeführt – es dient der besseren Ausstattung von Panzergrenadieren.

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