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Nancy Faeser (SPD), Spitzenkandidatin für die Landtagswahl in Hessen.

© dpa/Hannes P. Albert

Update

Faeser verbietet „Artgemeinschaft“: Razzia gegen rechtsextreme Gruppe in zwölf Bundesländern

Am Mittwochmorgen wurden bei einer Razzia 26 Wohnungen durchsucht. Die „Artgemeinschaft“ sei eine sektenartige, zutiefst rassistische und antisemitische Organisation, erklärte Faeser.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat die rechtsextremistische Vereinigung „Die Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung“ verboten.

Die „Artgemeinschaft“ sei eine sektenartige, zutiefst rassistische und antisemitische Organisation, erklärte Faeser am Mittwoch zur Begründung. Seit dem frühen Morgen wurden nach Angaben ihres Ministeriums 26 Wohnungen von 39 Vereinsmitgliedern sowie Räume des Vereins in zwölf Bundesländern durchsucht, unter anderem in Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Die „Artgemeinschaft“ habe versucht, „durch eine widerwärtige Indoktrinierung von Kindern und Jugendlichen neue Verfassungsfeinde heranzuziehen“, sagte Faeser.

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Das Bundesinnenministerium gibt die Zahl der Mitglieder mit rund 150 an. Ihr Ziel sei es gewesen, eine rechtsextremistische Weltanschauung auszuleben und zu verfestigen. Das sei insbesondere durch die Weitergabe der Ideologie an Kinder und Jugendliche mittels einschlägiger Literatur erfolgt, die zum Teil aus der NS-Zeit stamme und nur minimal abgewandelt worden sei.

Menschen anderer Herkunft herabgewürdigt

Durch das Betreiben eines vereinseigenen „Buchdienstes“ und einer Webseite sowie mittels sozialer Medien seien auch Nichtmitglieder mit rechtsextremistischem Gedankengut radikalisiert und geworben worden.

Die „Artgemeinschaft“ verbreitete laut Bundesinnenministerium „unter dem Deckmantel eines pseudoreligiösen germanischen Götterglaubens ihr gegen die Menschenwürde verstoßendes Weltbild“. Zentrales Ziel seien Erhalt und Förderung der eigenen „Art“ gewesen, welche mit dem nationalsozialistischen Terminus der „Rasse“ gleichzusetzen sei.

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So habe der Verein seinen Mitgliedern Anweisungen zu einer richtigen „Gattenwahl“ innerhalb der nord- und mitteleuropäischen „Menschenart“ gegeben, um das der rassistischen Ideologie des Vereins entsprechend „richtige“ Erbgut weiterzugeben. Menschen anderer Herkunft seien herabgewürdigt worden.

Das Vereinsverbot wurde den Angaben nach seit mehr als einem Jahr vorbereitet. Maßgeblich gewesen seien dabei insbesondere Erkenntnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz sowie der Landesämter für Verfassungsschutz.

Die „Artgemeinschaft“ ist nicht weniger gefährlich als die „Hammerskins“.

Nancy Faeser, Bundesinnenministerin

Vom Vereinsverbot seien auch alle Teilorganisationen der „Artgemeinschaft“ betroffen. Zu den Teilorganisationen gehörten sogenannte Gefährtschaften, Gilden, Freundeskreise und das Familienwerk e.V.

Einsatzkräfte der Polizei durchsuchten den Angaben nach Wohnungen und Vereinsräume auch in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Am Dienstag vergangener Woche hatte Innenministerin Faeser den rechtsextremistischen Verein „Hammerskins Deutschland“ verboten, einen Ableger der 1988 in den USA gegründeten „Hammerskins Nation“.

Vor allem durch die „manipulativ indoktrinierende Erziehung ihrer Kinder“ und den Vertrieb entsprechender Schriften sei die „Artgemeinschaft“ nicht weniger gefährlich als die „Hammerskins“, sagte die Ministerin.

Der Verfassungsschutz führt Siedlungsbestrebungen von Rechtsextremisten in seinem aktuellen Jahresbericht gesondert auf. In dem Bericht heißt es, Ziel dieser Bewegungen sei zumeist der „Erhalt der Deutschen“. „Deutschsein“ werde hierbei vor allem unter Rückgriff auf den ethnischen Volksbegriff im Sinne der völkischen „Blut-und-Boden“-Ideologie definiert.

„Die größte deutsche neonazistische Vereinigung“

In einer Publikation des Verfassungsschutzes von 2020 wurde die „Artgemeinschaft“ als „die derzeit größte deutsche neonazistische Vereinigung mit völkischer, rassistischer, antisemitischer sowie antichristlicher Ausprägung“ bezeichnet. Ihre Mitglieder werden angehalten, möglichst viele Kinder zu bekommen.

Das „American Jewish Comittee Berlin“ begrüßte das Verbot. In einer Mitteilung hieß es: „Seit seiner Gründung 1951 nahm der Verein eine zentrale ideologische und organisatorische Scharnierfunktion zwischen verschiedenen neonazistischen und rechtsextremistischen Milieus und Organisationen ein, die bis in den Bereich des Rechtsterrorismus reichten.“

Verbindung von „Artgemeinschaft“ und „NSU“

Es lohne sich, Verbindungen der „Artgemeinschaft“ zur rechtsextremen Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ herauszuarbeiten, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic. 

Zudem soll der Rechtsextremist Stephan Ernst, der 2019 den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke erschossen hatte, der nun verbotenen Vereinigung zeitweilig angehört haben. Darauf deutet nach Informationen aus Sicherheitskreisen eine alte Mitgliederliste hin. 

Die Grünen-Innenpolitikerin Misbah Khan sprach von einem wichtigen Schlag gegen die organisierte rechte Szene. Es brauche aber mehr als Vereinsverbote. Sie sagte: „Wir müssen endlich die Finanzstrukturen der Rechtsextremisten trockenlegen, ihre Entwaffnung voranbringen und eine konsequente Gesamtstrategie gegen rechts auflegen.(epd, dpa)

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