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Politik: Doppelt hält nicht

Weil die Gefängnisse überfüllt sind, sperren die Länder ihre Häftlinge oft zu zweit in Einzelzellen. Die Justiz stemmt sich dagegen – und gewährt jetzt sogar Schadenersatz

Straftäter sollen hart verurteilt werden, fordern die Leute, aber harte Urteile kosten Geld: ungefähr 100 Euro pro Tag und Haftplatz. Weil immer mehr Menschen immer länger in die teure Haft kommen, suchen die Länder nach günstigen Auswegen. Einer wird ihnen zunehmend durch die Gerichte versperrt: Zwei Gefangene in einer Zelle.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in einem jüngst veröffentlichten Beschluss darauf hingewiesen, was die Menschenwürde aushält. Eine 7,5 Quadratmeter große Zelle für zwei Männer mit einem Klosett darin gehört nicht dazu. Dies verletze die körperliche und psychische Identität. Nach Angaben aus Frankfurt hat sich noch kein Oberlandesgericht in dieser Frage so eindeutig positioniert. Hessens Justizministerium hat bereits reagiert. „Wir rüsten die Zellen um“, sagt Sprecher Stefan Fuhrmann.

Wie viele Häftlinge bundesweit betroffen sind, ist unklar. Fuhrmann meint, in Hessen seien es unter zehn Prozent. Tatsache ist, dass die so genannte gemeinsame Unterbringung im geschlossenen Strafvollzug zur Regel gehört. Nordrhein-Westfalen hatte im März über 6000 solcher Insassen gemeldet, Berlin 880, Niedersachsen rund 2500. Dort beispielsweise sind die Kapazitäten um fast das Doppelte überstiegen. 65 000 Haftplätze gibt es im geschlossenen Vollzug insgesamt, fast 70 000 Menschen sitzen derzeit ein.

Dass die Doppelbelegung die Menschenwürde verletzen kann, hat das Bundesverfassungsgericht zuletzt im April betont – und ausdrücklich klargestellt, dass es für den Rechtsschutz vor Gericht gegen diese Maßnahme keine Rolle spielt, wenn sie nur vorübergehend war. Nach dem Strafvollzugsgesetz ist die Doppelbelegung ohnehin die Ausnahme. Außer bei hilfsbedürftigen Gefangenen ist sie nur erlaubt, wenn „zwingende Gründe“ dies erfordern. Dazu zählt unter Umständen auch die bauliche Situation.

Gleichwohl haben sich die Justizminister der unionsregierten Länder vergangene Woche darauf verständigt, das Gesetz in diesem Punkt lockern zu wollen. Christoph Frank vom Deutschen Richterbund hält dies zwar für zulässig, wenn die Zellen groß genug und die Sanitäranlagen abgetrennt sind, aber für falsch: „Einzelunterbringung ist immer besser“, sagt er. Die Häftlinge lernten, für sich Verantwortung zu übernehmen und sich von schlechten Einflüssen abzugrenzen.

Sollten die Länder die Aufforderungen der Justiz jedoch übergehen, könnte sie das teuer zu stehen kommen. Die Ministerien treibt zurzeit ein Urteil um, dass das Landgericht Hannover kürzlich gefällt hatte. Es spricht einem Insassen für seine unwürdige Unterbringung im Gefängnis Schadenersatz zu. Auf die Länder könnten deshalb noch Millionen-Forderungen zukommen.

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