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Björn Höcke (rechts), Chef des radikalen „Flügels“, freut sich über die Wahl seines Mitstreiters Andreas Kalbitz (links) in den AfD-Bundesvorstand der Partei.

©  Hauke-Christian Dittrich/dpa

Kalbitz im AfD-Vorstand: Der rechte „Flügel“ kann zufrieden sein

Kampfabstimmungen prägen den AfD-Parteitag. Dabei wurden vergleichsweise gemäßigtere Vertreter abgestraft, Radikale dagegen hatten Erfolg.

Als das Ergebnis am Sonntagmittag verkündet wird, ist der Jubel unter den Anhängern von Andreas Kalbitz groß – sie stehen Schlange, um ihm zu gratulieren. Mit 50,3 Prozent wird der Strippenzieher des radikalen „Flügel“ wieder als Beisitzer in den Bundesvorstand der AfD gewählt. Trotz der klar rechtsextremen Bezüge in seiner Vita. Und trotz seines Gegenkandidaten Kay Gottschalk, der bislang als AfD-Vize einen einflussreichen Posten innehat und als vergleichsweise gemäßigt gilt.

Die AfD hat am Wochenende in Braunschweig zwei turbulente Tage erlebt. Bei der Wahl der Doppelspitze lief am Samstag noch alles nach Plan: Parteichef Jörg Meuthen wurde im Amt bestätigt, den Malermeister Tino Chrupalla bestimmten die Delegierten zum Nachfolger des bisherigen Parteichefs Alexander Gauland.

Auch beim ersten Vize-Posten funktionierten die Absprachen noch: Fraktionschefin Alice Weidel kam ohne Gegenkandidaten durch. Meuthen ließ sich in seiner Euphorie sogar dazu hinreißen, die AfD als „immer erwachsener“ zu bezeichnen.

Doch nach diesen drei Posten, begann – wie es intern manche nennen – das „freie Schießen“. Der Sonntag war von Stichwahlen und Überraschungen geprägt. Viel ließ sich an den Abstimmungen über die Mehrheitsverhältnisse in der AfD lernen.

„Flügel“-Frontmann Björn Höcke hatte vor dem Parteitag noch getönt, es sei angemessen, wenn seine Strömung künftig mit vier statt zwei Vertretern im 14-köpfigen Bundesvorstand vertreten wäre. Dieser Wunsch Höckes hat sich nicht erfüllt. Von den bekennenden „Flügel“-Vertretern wurde nur Andreas Kalbitz in den Bundesvorstand gewählt. Andere „Flügel“-Vertreter wie der Bundestagsabgeordnete Frank Pasemann oder die Europaabgeordnete Christine Anderson kamen nicht durch.

AfD-Chef wird der Wunschkandidat von Gauland

Doch für die Radikalen in der Partei ist es dennoch nicht schlecht gelaufen. Das beginnt beim neuen Vorsitzenden Chrupalla. Der ist zwar nicht Teil des „Flügels“, war aber Wunschkandidat Gaulands und des „Flügels“ für den Posten an der Parteispitze.

Dann ist da Stephan Brandner, ein Parteifreund von Höcke aus Thüringen. Er wurde wegen Tweets im Nachgang zum rechtsextremen Anschlag in Halle als Vorsitzender des Rechtsausschusses abgesetzt. Oder Stephan Protschka. Er saß auch schon bislang im Bundesvorstand, wurde aber nun wieder in das Gremium gewählt – obwohl er einen revisionistischen Gedenkstein in Polen mitfinanziert hat. Historiker sprechen von einer „Verherrlichung nationalsozialistischer Verbände“.

Andere im neuen AfD-Vorstand haben eine einschlägige Vergangenheit. So ist der Hamburger Fraktionschef Alexander Wolf, wie die „taz“ herausfand, Alter Herr der Burschenschaft Danubia, die in Bayern vom Verfassungsschutz beobachtet wird. In seiner Studienzeit gab Wolf ein Liederbuch namens „Schlachtruf“ heraus, in dem sich unter anderem das Lied eines Nazi-Jugendführers befand.

Im AfD-Bundesvorstand wappnen sie sich für vorgezogene Neuwahlen

Bemerkenswert ist auch die Zahl an vergleichsweise gemäßigten AfD-Vertretern, die es in Braunschweig nicht oder nicht wieder in den Bundesvorstand geschafft haben. Das betrifft zum Beispiel den Berliner AfD-Chef Georg Pazderski, der nun auch innerhalb seines Landesverbandes stärker unter Druck geraten wird. Pazderski war „Flügel“-Vertretern schon lange ein Dorn im Auge.

Im Sommer unterzeichnete er den „Appell der 100“, in dem Funktionäre den Personenkult um Höcke anprangerten. Das haben sich die Radikalen in der Partei gemerkt. Der bisherige AfD-Vize Gottschalk gab im Sommer dem „Flügel“ um Höcke eine Mitschuld an den zahlreichen Konflikten in den West-Landesverbänden und sprach von einer „Schneise der Verwüstung“.

Er scheiterte bei seinen Versuchen, wieder in den Bundesvorstand gewählt zu werden. Und Roland Hartwig, einer der Parlamentarischen Geschäftsführer der AfD im Bundestag, ist Leiter der „Arbeitsgruppe Verfassungsschutz“, die sich auch mit extremistischen Äußerungen in den eigenen Reihen beschäftigt.

AfD stellt sich auf Neuwahlen ein

Hartwig schaffte es in Braunschweig nicht auf den von ihm angestrebten Vize-Posten. Freuen konnte sich lediglich die Berliner Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch, die nach einigem Hin und Her zur Vize-Parteichefin gewählt wurde.

Im neuen AfD-Bundesvorstand wappnen sie sich jetzt angesichts der ebenfalls neuen SPD-Spitze für vorgezogene Neuwahlen. Aus Sicht von AfD-Chef Meuthens muss die AfD jetzt rasch ihre Professionalität erhöhen. „Wir müssen nun regierungswillig und -fähig werden“, sagte er.

Der bisherige AfD-Vorsitzende Gauland lobte am Samstag in seiner Rede, dass Thüringens AfD-Chef Höcke dem dortigen CDU-Chef Mike Mohring ein Tolerierungsangebot unterbreitet hätte.

Ohne ihren Übervater Gauland muss die AfD auch in Zukunft nicht auskommen. Er wurde am Sonntag mit einer 90-Prozent-Mehrheit zum Ehrenvorsitzenden gewählt. Der 78-Jährige rief: „Ich bin immer noch dabei.“

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