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Theo Waigel 2004 mit seinem ehemaligen Kabinettschef, Helmut Kohl.

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Theo Waigel wird 75: Der Mann, der dem Euro seinen Namen gab

Theo Waigel ist als "Mister Euro" in die Geschichte eingegangen. Fast 3500 Tage war er Bundesfinanzminister - das könnte ein ewiger Rekord werden. Heute wird Waigel 75.

Karikaturisten mochten Theo Waigel. Denn sie mögen markante Züge. Bei Waigel sind es die Augenbrauen – selbst wenn der Rest nicht ganz hinkommt, zwei dicke schwarze Striche über den Augen genügen, und fertig ist das Angesicht. Als Politiker ist der CSU-Mann vor allem als „Mister Euro“ in die Geschichte eingegangen, als der deutsche Finanzminister, der das (manche hoffen ja noch immer: vorläufige) Ende der D-Mark einleitete und besiegelte.

1988 war der Schwabe Waigel, nach dem Tod von Franz Josef Strauß, CSU-Chef geworden. Im April 1989 holte Helmut Kohl ihn als Finanzminister in die Bundesregierung – damit war er in die Kabinettsdisziplin eingebunden. Zudem traute Kohl dem zwar immer etwas grimmig wirkenden, aber durchaus humorvollen Waigel – als CSU-Landesgruppenchef war dieser nämlich auch auf Distanz zum großen Vorsitzenden Strauß in München bedacht gewesen, und Kohl und Strauß konnten sich bekanntlich nicht riechen. Doch dürfte eine noch größere Rolle gespielt haben, dass Kohl einen durchsetzungsfähigen Finanzminister brauchte (was der Vorgänger Gerhard Stoltenberg nicht war) – nicht nur mit Blick auf den Bundesetat, sondern wegen Europa und der geplanten Einheitswährung und der sich nun schon abzeichnenden deutschen Einheit. Es war zweifellos die schwierigste Zeit seit Beginn der Bundesrepublik, dieses Amt innezuhaben. Und Kohl machte Waigel die Aufgabe nicht einfacher: Die Entscheidung für die schnelle Einführung der Mark in der DDR, noch dazu mit einem zu günstigen Wechselverhältnis, war ohne Zutun Waigels gefallen, der das für „halsbrecherisch“ hielt.

„Wir bringen die D-Mark nach Europa“, verkündete er nach Abschluss der Wirtschafts- und Währungsunion 1991. Die Stabilitätskultur der Bundesbank solle auch für die künftige Währung gelten. Das führte zu heftigen Querelen mit Frankreich, Großbritannien, Italien, die Probleme mit der harten deutschen Währungspolitik hatten. Waigel war es, der 1995 den Namen „Euro“ vorschlug. Und auch den „Stabilitätspakt“ mit der Defizitgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (die einzuhalten bereits der Kohl-Regierung in ihrer Endphase Schwierigkeiten breitete, denn die deutsche Einheit ließ die Staatschulden wachsen). Es spricht wohl nicht gegen Waigel, dass er es in dieser turbulenten Zeit schaffte, zum Bundesfinanzminister mit der längsten Amtszeit geworden zu sein.

Ein kleines Desaster erlebte Waigel als CSU-Chef im Zusammenhang mit der Ost-Partei DSU, die sich selbst als CSU-Ableger sah und dafür aus Bayern auch Unterstützung bekam. Waigel war sogar DSU-Ehrenvorsitzender. Nach einem Brandbrief des sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf an Kohl (Biedenkopf fürchtete um entscheidende Prozentpunkte bei der Landtagswahl 1994) und angesichts der DSU-Linie, sich auf alle Länder außer Bayern auszudehnen, musste Waigel auf Druck der CDU der DSU die Hilfe aufkündigen.

Theo Waigels Markenzeichen.

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Nach der Abwahl der schwarz-gelben Regierung 1998 zog sich Waigel schrittweise aus der Politik zurück. Die CSU-Führung gab er 1999 ab. Den Bundestag, dem er seit 1972 angehört hatte, verließ er 2002. Sein Ehrgeiz war es nicht, sich selbst in Ämtern zu überleben. Gern wäre er wohl bayerischer Ministerpräsident geworden (Spötter behaupten, er sei bei den Finanzverhandlungen Anfang der 90er Jahre den Ländern auch deswegen weit entgegengekommen). Aber in München setzte sich 1993 Edmund Stoiber durch. Waigels damalige Ehe- und Scheidungsprobleme wurden parallel dazu öffentlich bekannt; „Schmutzeleien“ würde man das heute in München nennen. 1994 heiratete Waigel ein zweites Mal, die Skifahrerin Irene Epple war schon länger seine Partnerin gewesen.

Nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik wurde Waigel Partner in einer Anwaltskanzlei, übernahm einige Aufsichtsrats- und Beiratsjobs, unter anderem beim umstrittenen Medienunternehmer Leo Kirch und der Deutschen Vermögensberatung AG, die zu den langjährigen Großspendern der Unionsparteien zählt. 2009 beauftragte ihn das US-Justizministerium, in einem Schmiergeldverfahren zwischen der New Yorker Börsenaufsicht und Siemens als Anti-Korruptions-Beauftragter bei dem Münchner Konzern zu agieren. Im Zuge der „Verwandtenaffäre“ der CSU-Landtagsfraktion bekam Waigel, als Ehrenvorsitzender Partei, den Auftrag, einen Verhaltenkodex für CSU-Politiker“ zu erarbeiten. Demnach muss ein verantwortungsvoller Politiker haben: Charakterfestigkeit, Unbestechlichkeit, die Verpflichtung zu sittlichen Werten, Tatkraft, Sachlichkeit, Gelassenheit, Dienstbereitschaft, Mut zu unpopulären Entscheidungen sowie die Bereitschaft zum Kompromiss. Wie weit Waigel dem in seiner langen Karriere nachgekommen ist, weiß er selbst am besten. An diesem Dienstag feiert er seinen 75. Geburtstag.

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