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Ein Binär-Code auf Bildschirm eines Laptops.

© imago images/MIS/Bernd Feil/M.i.S. via www.imago-images.de

Debatte über Speicherung von IP-Adressen: Wie lässt sich Internetkriminalität bekämpfen?

Die Union dringt auf eine sechsmonatige Speicherung von IP-Adressen zur effektiveren Strafverfolgung. Die Ampel-Parteien sind dagegen. Auf eine Regelung können sie sich jedoch nicht einigen.

Bei der Verfolgung von Internet-Kriminalität gibt es Handlungsbedarf: Nach einem Bericht des Bundeskriminalamts aus dem vergangenen Jahr ist die Zahl der Straftaten, für die das Internet benutzt wurde, zwischen 2015 und 2022 um 62 Prozent gestiegen. Bei Computerkriminalität und Cybercrime waren es 156 Prozent. Auch die Verbreitung von pornografischer Inhalte und Hasspostings hat stark zugenommen.

Die Unions-Fraktion macht daher Druck auf die Ampel. Schon im vorigen November brachte sie einen Antrag in den Bundestag ein, in dem sie die Bundesregierung auffordert, Telekommunikationsanbieter gesetzlich zu einer sechsmonatigen Speicherung sogenannter IP-Adressen zur Verfolgung von Straftaten zu verpflichten.

Bei der Strafverfolgung im Internet kommt IP-Adressen eine besondere Bedeutung zu. Besteht der Verdacht, dass ein Nutzer eine strafbare Handlung im Internet begangen hat, können Strafverfolgungsbehörden den Telekommunikationsanbieter fragen, wem die IP-Adresse zum maßgeblichen Zeitpunkt zugewiesen war.

Nicht selten ist die IP-Adresse der einzige Ermittlungsansatz. Anhand dieser kann der jeweilige Anschlussinhaber ermittelt werden. Im Zusammenspiel mit Zusatzdaten wie der sogenannten Portnummer lässt sich sogar der Nutzer einer bestimmten Website feststellen.

Bisher speichern Telekommunikationsanbieter IP-Adressen lediglich zu eigenen Geschäftszwecken, etwa für Abrechnungen. Die Speicherung ist in der Regel zeitlich befristet und unvollständig, sodass sie sich nur begrenzt zur Identifizierung der Nutzer eignen. Telekom, Vodafone und Telefonica etwa speichern die Daten nur bis zu sieben Tage, Freenet überhaupt nicht. 

Auch das Bundeskriminalamt wünscht sich längere Speicherfristen. Die Erfolgsquote für die Gewinnung von Identifizierungsansätzen anhand der IP-Adressen könne bei einer 14-tägigen Speicherverpflichtung von etwa 41 auf über 80 Prozent steigen, heißt es in einem Papier der Behörde.

Neuregelung nach EuGH-Urteil zu Vorratsdatenspeicherung erforderlich

Im September 2022 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) die anlasslose Vorratsdatenspeicherung in Deutschland für rechtswidrig erklärt. Die anlasslose und allgemeine Datenerfassung sei nicht mit den Grundrechten vereinbar, urteilte das Gericht.

Zugleich zeigte der Gerichtshof einen Rahmen für eine zulässige, anlassbezogene Vorratsdatenspeicherung auf. Sofort entbrannte Streit zwischen Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) über eine mögliche Neuregelung, die bis heute nicht gefunden wurde.

„Quick-Freeze“ versus Vorratsdatenspeicherung

Im Gespräch ist dabei das sogenannte „Quick-Freeze“-Verfahren. Dieses sieht vor, dass Strafverfolgungs­behörden die Daten bei den Telekommunikations­anbietern im Verdachtsfall „einfrieren“ lassen, um diese später mit einem Gerichtsbeschluss abzurufen.

Die FDP hält das „Quick-Freeze“ für die goldene Lösung. Man könne so die bestehende Rechtsunsicherheit beenden und gleichzeitig eine anlasslose Überwachung verhindern, sagte Manuel Höferlin, innenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, dem Tagesspiegel. „Wir werden weiterhin für ein Recht auf Verschlüsselung, für digitale Bürgerrechte und gegen jegliche anlasslose Massenüberwachung kämpfen“, betonte er.

Innenministerin Faeser geht das „Quick-Freeze“-Verfahren hingegen nicht weit genug. Sie möchte an der Vorratsdatenspeicherung grundsätzlich festhalten und dabei die vom EuGH gelassenen Spielräume weitestgehend ausnutzen. Denkbar sei auch eine Kombination aus beiden Methoden: „Quick-Freeze“ und IP-Adressenspeicherung seien schließlich kein Widerspruch.

Das sogenannte Quick-Freeze ist keine Alternative.

Sebastian Fiedler (SPD), Bundestagsabgeordneter aus Nordrhein-Westfalen

Der SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler sagte dem Tagesspiegel, dass einzig eine gesetzlich vorgeschriebene IP-Adressenspeicherung den Strafverfolgungsbehörden helfe. „Das sogenannte Quick-Freeze ist keine Alternative. Das Verfahren betrifft andere Sachverhalte als diejenigen, für die eine IP-Adressenspeicherung erforderlich ist, und es ist ohne zusätzliche IP-Adressenspeicherung wenig sinnvoll.“ Den Antrag der Union sieht er kritisch, da dieser den vom EuGH gesehen Rahmen überschreite.

Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Grüne, bezeichnet die Vorratsdatenspeicherung hingegen als „sicherheitspolitischen Zombie“. „Nach etlichen Urteilen höchster Gerichte auf deutscher und europäischer Ebene ist die anlasslose Speicherung der Kommunikationsverbindungsdaten aller Bürgerinnen und Bürger politisch wie rechtlich mausetot“, sagte er dem Tagesspiegel. Er kritisiert, dass die von der Union vorgeschlagene Vorratsdatenspeicherung weder lokal begrenzt noch imstande sei, Berufsgeheimnisträger nicht mitzuerfassen.

Dass der Unions-Antrag scheitern wird, scheint also ausgemacht. Unklar ist noch, wann eine Lösung der Ampel kommt.

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