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Demontage? Am Dienstag sondieren Annalena Baerbock und Co. mit Armin Laschet und Co.

© Fabian Bimmer/Reuters

Union vor der Sondierung mit den Grünen: Daran droht ein Jamaika-Bund schon im Ansatz zu scheitern

In der Union geht gerade Ego vor Regierungspragmatismus. Geht es nach einem Grünen-Politiker, wird das erste Sondierungstreffen zu einem ungemütlichen Termin.

Von Robert Birnbaum

Wenn es nach Jürgen Trittin geht, wird das erste Sondierungstreffen mit den Grünen für die Union zum eher ungemütlichen Termin. Der frühere Umweltminister will nämlich erst einmal wissen, wer überhaupt Prokura hat, um über die Aussichten auf ein Jamaika-Bündnis zu reden. Armin Laschet, Kanzlerkandidat und CDU-Vorsitzender? CSU-Chef Markus Söder?

Oder müsste man nicht eher mit einem von denen reden, die sich in Stellung bringen? „Das sind natürlich alles Fragen, die wir mit Spannung erwarten, wenn wir mit denen sprechen“, stichelt der Grüne im Bayerischen Rundfunk und blättert genüsslich den Stimmenwirrwarr auf: Der Junge-Union-Chef Tilman Kuban fordere, dass in der Partei kein Stein auf dem anderen bleiben dürfe, Jens Spahn wolle schnell einen Parteitag und Friedrich Merz eine Mitgliederbefragung, „um sich selbst an die Spitze der Partei setzen zu wollen“.

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Tatsächlich muss man kein Linksgrüner sein wie Trittin, um die Frage zu stellen, ob die Union derzeit überhaupt gesprächs-, geschweige regierungsfähig ist. Dabei dürfte das Treffen von Laschet, Söder und ihren 13 Mitsondierern mit den Grünen an diesem Dienstag vorentscheiden, ob CDU und CSU ernsthaft im Spiel bleiben oder von den beiden Königsmacher-Parteien nur als Verhandlungsspielmasse drin gehalten werden.

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Denn mit der FDP am Sonntag auf Gemeinsamkeiten zu kommen, war nicht so schwer. Aber bei der Öko-Partei den Eindruck zu hinterlassen, dass man auch mit CDU und CSU gut regieren könnte statt mit Olaf Scholz und der SPD, wird erheblich schwieriger.

Und das nicht etwa, weil Schwarze und Grüne in Sachfragen überall unendlich weit auseinanderlägen. In Baden-Württemberg wie in Hessen funktioniert die Paarung seit Jahren ziemlich geräuschlos.

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Auch in den Hauptlinien der Außen-, Europa- und Sicherheitspolitik, die in Landesregierungen keine und in Bundesbündnissen schnell eine große Rolle spielen, sind sich Union und Grüne nicht prinzipiell fern. Und in den Texten der Jamaika-Sondierungen vor vier Jahren liegen in vielen Kapiteln quasi abholbereit Formulierungen für Kompromisse, mit denen sogar Grüne und FDP zusammen bis heute gut leben könnten.

Schwarz-grüne Gesprächskreise – manche halb formell, manche fast geheim – haben darüber hinaus zum Teil über Jahrzehnte hinweg belastbare persönliche Verbindungen geschaffen. Das aktuelle Problem, sagt einer, der auf Grünen-Seite solche Brücken geschlagen hat, das aktuelle Problem sei, dass man nicht wisse, ob sich in der verunsicherten Union die Vernünftigen durchsetzen können. Die säßen nämlich häufig „in der zweiten oder dritten Reihe“.

Das hat zur Wahlniederlage der Union einen kräftigen Beitrag geleistet. Laschet hat lange gezögert, im Wahlkampf Teams vorzustellen, weil er sich damit zwischen die Fronten begeben musste: Hier die Männer und Frauen in Regierungsämtern, die mit jedem Versuch, neuen Aufbruch zu proklamieren, sich selbst dementiert hätten; dort frischere Gesichter, die aber außerhalb des Regierungsviertels kaum jemand kennt. Sie rechtzeitig bekannt zu machen, fand die CDU in ihrem Selbstverständnis als natürliche Regierungspartei überflüssig. Als es nötig gewesen wäre, war es zu spät.

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Die Vernünftigen im Grünen-Sinne sind darüber hinaus intern schlecht organisiert. Von den beiden einstmals großen Flügeln der Union ist nur noch der Wirtschaftsflügel als geschlossene Gruppe übrig. Seine Mitglieder sind häufig zugleich die Verfechter einer konservativen Wende.

Die Sozialausschüsse, einst die „Roten“ unter den Schwarzen, fristen seit Jahren nur noch ein Nischendasein. Die Frauen-Union bringt auf Parteitagen ein Gewicht ein, das Vorsitzfragen entscheiden kann. Im politischen Alltag agiert auch dieser Verband unter seinen Möglichkeiten.

Das alles schafft freie Bahn für die Schlacht der alten Egos in der CDU, die der gewiefte Taktiker Trittin zielsicher als zentrale Schwachstelle aufspießt. Den ersten in der CDU geht auf, dass man sich damit leicht selbst aus dem Rennen schießt. Die Union solle FDP und Grünen keinen Vorwand zu liefern, um die Gespräche „mit Hinweis auf eine unklare Personallage in der CDU zu beenden“, mahnt der Vorsitzende der mitgliederstarken Kommunalpolitischen Vereinigung (KPV), Christian Haase. „Es dient unserer Partei nicht, wenn wir nur über Personal reden“, warnt der Chef der Parteisenioren, Otto Wulff.

Grünen-Politiker Jürgen Trittin gehen die derzeitigen Gespräche nicht schnell genug.

© Imago/Metodi Popow

Trittin selbst galt übrigens bei den Anhängern eines schwarz-grünen Bündnisses lange Zeit als Schlüsselfigur. Sie waren sicher, dass ohne sein wohlwollendes Nicken der linke Teil der Grünen-Basis für ein Bündnis mit den C-Parteien niemals zu gewinnen wäre.

Diese zentrale Stellung hat der heute 67jährige nicht mehr. Aber Robert Habeck und Annalena Baerbock wollten ihn nicht ohne Grund als harten, erfahrenen Verhandler in ihrem Gesprächsteam haben. Am Montag macht er gleich noch an anderer Stelle Druck: Lange hinziehen dürfe sich die Regierungsbildung nicht.

„Die Welt wartet ja nicht auf uns“, sagt Trittin. In der EU beginnen bald die Verhandlungen über das neue Klimaziel. Am 1. Januar übernimmt Deutschland die Präsidentschaft der G7-Gruppe westlicher Industrienationen. Das sollte, findet Trittin, eine neue Regierung anpacken – nicht dass Angela Merkel auf ihren letzten Tage sogar noch einmal den G7-Vorsitz übernehmen muss.

Da ist er mit der SPD einig. Auch die drängt auf Tempo. Allerdings weniger aus Sorge um die Weltlage. Für Scholz wird das Verhandeln umso einfacher, je rascher die Union als Alternative zur SPD ausfällt. Und sie fällt umso rascher aus, je weniger Zeit ihr bleibt, sich wenigstens für den Bühnenauftritt anständig zu drapieren.

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