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Sucht den Angriff: Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP).

© Imago/Christian Spicker

Gibt es eine Schieflage zu Lasten des Bundes?: Christian Lindner legt sich mit den Ländern an

Der Bundesfinanzminister will künftig mehr auf seinen Etat schauen. Der Bundesrechnungshof spricht sogar von „Erosion der Finanzierungsbasis des Bundes“.

Der Bundesfinanzminister sieht den Bund in einer Schieflage. Deshalb will sich Christian Lindner jetzt mit den Ministerpräsidenten anlegen. Sein Ziel: Es soll mehr Geld im Bundesetat bleiben und weniger an die Länder fließen.

„Ohne Stärkung des Kostenverantwortung wird der Bund nicht in der Lage sein, seinen Aufgaben nachzukommen“ – der Satz findet sich ein einem Gastbeitrag des Finanzministers in der „Frankfurter Allgemeinen“, in dem er Ende voriger Woche seinen Vorstoß für mehr Eigenverantwortung der staatlichen Ebenen skizzierte. „Klare Zuständigkeiten und mehr Transparenz der öffentlichen Finanzen erhöhen ihre Wirksamkeit und Akzeptanz“, schrieb der FDP-Chef weiter.

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Der Hintergrund für das indirekte Schreiben via Presse an die Länderchefs ist klar: Die Bundesfinanzen sind angespannt, Pandemie, Ukraine-Krieg und nun die Entlastungspakete verschlingen viel Geld und werden es weiter tun. Gleichzeitig will Lindner ab 2023 die Schuldenbremse wieder einhalten, eine Vereinbarung im Koalitionsvertrag, bei der zumindest Teile von SPD und Grünen mittlerweile erhebliche Zweifel haben.

Auf Landesebene schwach

Die Freien Demokraten spielen auf Landesebene in den Regierungen kaum noch eine Rolle – so gesehen tritt Lindner kaum einem Parteifreund auf die Füße, der mehr Bundesmittel hier oder da für richtig halten könnte. Aber die Koalitionspartnerinnen im Bund sind auf Landesebene deutlich mächtiger. Acht Regierungen werden von der SPD geführt, eine von den Grünen. Und auch die Ministerpräsidenten der Union gelten nicht als grundsätzliche Verweigerer von Bundesmitteln für ihre Etats.

Am Sonntag kündigte die Ampel-Koalition an, zu einer Nachfolgeregelung für das Neun-Euro-Ticket 1,5 Milliarden Euro beizusteuern - wenn die Länder diese Summe selber dazulegen. Das massiv verbilligte Ticket, das von Juni bis August galt, war eine Idee der Grünen und wurde allein vom Bund subventioniert. Die Kosten dafür belaufen sich auf mindestens drei Milliarden Euro. Auf ein Jahr gesehen wären es also zwölf Milliarden Euro. Ein dauerhaft eingeführtes Ticket für 49 bis 69 Euro pro Monat (diese Preisspanne nannten die Ampel-Koalitionäre am Sonntag) kommt den Staat entsprechend weniger teuer.

Lindner will Schuldenbremse einhalten

Immerhin kann Lindner die Unions-Länder als Helfer aufrufen, wenn es um das Einhalten der Schuldenbremse geht. Doch vor allem in der CDU hat es in den vergangenen Jahren mit Blick darauf auch Lockerungsübungen gegeben – und kein "schwarzer" Landeschef wird sich mit weniger Geld aus Berlin abfinden, nur weil der FDP-Chef partout die Schuldenbremse einhalten will.

Andererseits kann Lindner tatsächlich eine „Schieflage“ anführen, die zu Lasten des Bundes geht: Im ersten Halbjahr 2022 hatte der Bund weiterhin ein Minus von knapp 43 Milliarden Euro im Etat zu verzeichnen. Die Länder dagegen meldeten insgesamt ein Plus von knapp 17 Milliarden Euro. Daher will Lindner künftig auf die Bremse treten: bei Mischfinanzierungen, bei Bundesprogrammen zur Anschubfinanzierung von Projekten, bei der alleinigen Übernahme von Lasten durch den Bund in Krisenfällen.

„Bund finanziert ausgeglichene Länderetats“

Unterstützung bekommt der Finanzminister vom Bundesrechnungshof. Der hat dem Haushaltsausschuss des Bundestags gerade eine Analyse zur Lage der Bundesfinanzen zukommen lassen, die dem Tagesspiegel vorliegt. Die Etatkontrolleure konstatieren eine hohe Schuldenlast des Bundes, nicht zuletzt wegen der Nebenhaushalte wie dem Klima- und Transformationsfonds oder dem Sondervermögen für die Bundeswehr. Angesichts wachsender Risiken durch absehbar steigende Zinslasten ist der Rechnungshof der Meinung, der Bund müsse „gegenüber den Ländern wieder mehr auf seine eigene finanzielle Lage Rücksicht nehmen“. In dem Papier wird konstatiert: „Mit seinen Schulden finanziert der Bund die ausgeglichenen Länderhaushalte.“

Nach dem Bericht des Rechnungshofs hatte der Bund 2011 noch einen Anteil von 43,3 Prozent des Gesamtsteueraufkommens. 2019 seien es noch 41,2 Prozent gewesen, wegen der pandemiebedingten vorübergehenden Umsatzsteuersenkung, die allein der Bund schulterte, fiel der Anteil 2021 dann auf 37,7 Prozent. Ab 2023 sollen es dann etwa 39 Prozent sein.

Es geht um die Umsatzsteuer

Als wichtigsten Grund für die „Erosion der steuerlichen Finanzierungsbasis des Bundeshaushalts“ machen die Haushaltskontrolleure in Bonn den deutlich geringeren Umsatzsteueranteil aus. Dieser fiel von 2021 bis heute von fast 54 auf 43 Prozent. Im Vergleich zum Bundesanteil 2011 (43,3 Prozent) fehlten im Zeitraum 2022 bis 2026 damit 202 Milliarden Euro. Die Mittel flossen etwa für Hochschulen und Schulen, Kosten der Unterkunft und Heizung, Städtebauförderung, Digitales. Bei weiteren Maßnahmen wegen der Energiekrise „müssen die Länder in die Pflicht genommen werden“, fordert der Bundesrechnungshof.

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