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 Christian Lindner (l-r, FDP), Bundesminister der Finanzen, Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Außenministerin, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Boris Pistorius (SPD), Verteidigungsminister, und  Nancy Faeser (SPD), Bundesministerin des Innern und Heimat, nehmen an einer Pressekonferenz zur Nationalen Sicherheitsstrategie teil.

© dpa/Kay Nietfeld

Update

Bundesregierung zieht Lehren aus dem Krieg : Das sind die Eckpunkte der Nationalen Sicherheitsstrategie

Schon vor Russlands Angriff auf die Ukraine hatte die Ampel beschlossen, erstmals die Grundlagen ihrer Außenpolitik zu beschreiben. Ergebnis ist die erste Nationale Sicherheitsstrategie.

Von Hans Monath

| Update:

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch erstmals eine Nationale Sicherheitsstrategie verabschiedet. Das unter der Federführung des Auswärtigen Amts erarbeitete Dokument formuliert nach Angaben der Bundesregierung Leitlinien mit dem Ziel, „unsere Sicherheit gegen Bedrohungen von außen zu stärken“.

Es nehme eine Analyse des aktuellen Sicherheitsumfelds vor und leite daraus „konkrete Maßnahmen und Folgevorhaben“ ab. Eine große Rolle spiele die Lage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine: „Zeitenwende ist dabei ein bestimmender Faktor“, heißt es in dem Papier.

Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete die Sicherheitsstrategie als ungewöhnliche und wichtige Entscheidung. Es bleibe die zentrale Aufgabe des Staates, für die Sicherheit seiner Bürger zu sorgen, sagte Scholz.

Ziel ist der Sicherheitsstrategie zufolge ein Zusammenwirken und Ineinandergreifen aller Mittel und Instrumente, um Deutschlands Sicherheit gegen Bedrohungen von außen zu stärken. Dazu sollen alle relevanten Politikbereiche und Akteure einbezogen werden.

Dies reicht von der Landes- und Bündnisverteidigung über den Schutz von technischen Infrastrukturen und die Cyber- und Weltraumsicherheit bis hin zu Rohstoff-, Energie- und Ernährungssicherheit.

Die Sicherheitsstrategie nennt auch die Zivilverteidigung und den Bevölkerungsschutz, die Entwicklungspolitik, den Schutz vor fremder Einflussnahme und Spionage sowie den Umgang mit der Klimakrise und mit Pandemien. Einbezogen werden sollen Bund, Länder und Kommunen, Wirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft sowie die Bürgerinnen und Bürger.

„Die deutsche Außenpolitik soll aus einem Guss agieren und ressortübergreifend gemeinsame Strategien erarbeiten, um die Kohärenz unseres internationalen Handelns zu erhöhen“, hatte sich die Ampel im Koalitionsvertrag von 2021 vorgenommen.

Ursprünglich sollte die Sicherheitsstrategie schon Anfang des Jahres vorliegen. Denn angesichts von Russlands Krieg gegen die Ukraine warten Deutschlands Partner auf ein Dokument, das ihnen deutsche Entscheidungen in der Krise erklärt.

Sicherheit ist eine Teamaufgabe.

Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion

Als Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) im März 2022 den Prozess zur Erarbeitung der Strategie mit den anderen Ressorts vorstellte, waren die Hoffnungen noch groß. Doch dann begann zwischen den Ministerien, dem Kanzleramt und den Bundesländern ein mühseliges Ringen um Kompetenzen und Zuständigkeiten. Nun ist klar: Eine Neuordnung der Institutionen wird es nicht geben, der vor allem von der FDP befürwortete Nationale Sicherheitsrat ist vom Tisch.

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Grundlegende strukturelle und organisatorische Veränderungen gibt es nicht. So scheiterte der Plan, die Zuständigkeit der Länder beim Katastrophenschutz an den Bund zu übertragen, an deren Widerstand.

Trotzdem hielten auch die Außenpolitikexperten der Ampel aus dem Bundestag das Ergebnis im Vorfeld für wegweisend. „Sicherheit ist eine Teamaufgabe“, sagt Nils Schmid (SPD). Es sei „ein enormer Erfolg“, dass die Bundesregierung die Nationale Strategie ressortübergreifend entwickelt habe.

Die Ampel legt Wert darauf, sich beim Umgang mit autoritären Staaten wie Russland oder China neu zu positionieren. „Der russische Angriffskrieg und autokratische Tendenzen in anderen Teilen der Welt erfordern, dass wir uns nach außen robuster aufstellen“, sagt Schmid. So bekennt sich die Ampel in dem Papier zum Zwei-Prozent-Ziel für Rüstungsausgaben.

Die letzten Dissenspunkte in dem nun knapp 50-seitigen Papier sind inzwischen ausgeräumt. Bei den Streitthemen des so genannten Hackback (englisch für „zurückhacken“) nach Cyberangriffen und Rüstungs-Exportkontrollen orientiert man sich nun weitgehend am Koalitionsvertrag.

Kritik aus der Opposition

Unionsfraktionschef Friedrich Merz hat die von der Bundesregierung präsentierte Sicherheitsstrategie als große Enttäuschung kritisiert. „Was wir jetzt hier vorliegen haben als nationale Sicherheitsstrategie ist inhaltlich blutleer, strategisch irrelevant, operativ folgenlos und außenpolitisch unabgestimmt“, sagte Merz, der auch CDU-Vorsitzender ist, am Mittwoch in Berlin. Eine Abstimmung mit den Bundesländern, den europäischen Partnern und im transatlantischen Bündnis mit den USA habe es nicht gegeben.

Merz, CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und der stellvertretende Fraktionschef und Verteidigungsexperte Johann Wadephul kritisierten unter anderem, dass die Ampel-Regierung trotz des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine keine Veranlassung gesehen habe, einen Nationalen Sicherheitsrat im Kanzleramt einzurichten. Dieser hätte aus Sicht der Union in Krisenfällen die Koordinierung zwischen Bund, Ländern und Europäischer Union übernehmen sollen.

Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) kritisiert unterdessen die fehlende, umfassende Einbeziehung der Länder bei der Ausarbeitung der Nationalen Sicherheitsstrategie bemängelt. „Nach monatelanger Verzögerung liegt die sogenannte Nationale Sicherheitsstrategie jetzt auf dem Tisch“, sagte der CDU-Politiker dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Leider hat der Bund die Länder von Anfang an nicht grundlegend und auf Augenhöhe eingebunden.“

Eine Sicherheitsstrategie ohne Länder ist wie NATO ohne USA

Boris Rhein, hessischer Ministerpräsident

Rhein erinnerte an die Aufgaben der Länder beim Schutz der Bevölkerung. „Sicherheit verbinden die Menschen aber immer auch mit der Polizei und dafür sind die Länder zuständig“, betonte er und fügte hinzu: „Kriminalitätsbekämpfung, Gefahrenabwehr, Katastrophenschutz, Feuerwehren – bei all diesen Themen liegt die Expertise vor Ort. Das gleiche gilt für die Cybersicherheit. Wir schauen uns dieses Papier jetzt mal genau an, aber fest steht: Eine Sicherheitsstrategie ohne Länder ist wie NATO ohne USA.“

Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPoIG), Rainer Wendt, zeigt sich vom Regierungskonzept für eine Nationale Sicherheitsstrategie enttäuscht.

© dpa/Ingo Wagner

Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) hat sich enttäuscht von dem Regierungskonzept für eine Nationale Sicherheitsstrategie gezeigt. Der DPolG-Bundesvorsitzende Rainer Wendt sprach am Mittwoch in Berlin von einem „Sammelsurium an Wünschen und Zielen, von denen niemand weiß, wann sie von wem umgesetzt werden sollen“. Es sei ein schwerer Fehler gewesen, die Länder nicht daran zu beteiligen, so Wendt.

Öffentliche Sicherheit innerhalb Deutschlands zu realisieren werde „auch künftig in erster Linie Aufgabe der Länder sein“, betonte der Gewerkschaftschef. Die Bundesregierung habe aber „ihre Strategie zu einer geheimen Kommandosache gemacht“, so sein Vorwurf. Das sei „von Beginn an ein schwerer Fehler“ gewesen. „Die Länder werden es sich nicht bieten lassen, aus Berlin Kommandos zu empfangen und den Bundesbehörden unterstellt zu werden“, fügte er hinzu.

„Vor uns liegt also ein zäher Streit um Kompetenzen und Zuständigkeiten, der hätte vermieden werden können“, sagte Wendt weiter. „Die Bundesregierung hat sich für eine Strategie entschieden, die im luftleeren Raum schwebt und nirgends angebunden ist.“

Das vorgestellte Konzept lasse zudem „völlig offen, mit welchem Personal die Regierung die beschriebenen Ziele erreichen will“, sagte er mit Verweis darauf, dass der öffentliche Dienst in den nächsten Jahren hunderttausende Beschäftigte verliere, die in den Ruhestand gingen. Zudem bedürfe es „erheblicher finanzieller Aufwendung, um die Resilienz unserer Infrastruktur für bevorstehende Krisen zu stärken“. Das müsse sich auch im künftigen Bundeshaushalt zeigen; „genau das Gegenteil“ sei aber der Fall (Mit Agenturen)

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