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© dpa/Wolfgang Kumm

Aussage im Prozess um Spionage für Russland: „Der Angeklagte hat den BND nicht verraten“

Im Prozess wegen Landesverrats sagt erstmals der beschuldigte BND-Mitarbeiter aus. Er muss auch erklären, woher 400.000 Euro in seinem Schließfach stammen.

Auf dem Platz, den der Richter eigentlich für ihn vorgesehen hat, will der Angeklagte nicht sitzen. Carsten L. setzt sich nicht auf den Zeugenstuhl, sondern zwischen seine beiden Verteidiger. Direkten Blickkontakt zum Vorsitzenden Richter hat er dadurch nur selten. Der Mann mit dem kantigen Gesicht und den militärisch kurzen Haaren wirkt angespannt, auf Fragen antwortet er in knappen Sätzen.

Mehr als vier Monate lang hat Carsten L. geschwiegen. Am Mittwoch sagte der langjährige Referatsleiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) im Prozess vor dem Berliner Kammergericht erstmals aus. Carsten L. steht im Verdacht, im Jahr 2022 geheime Dokumente des BND an Russland weitergegeben und damit Landesverrat begangen zu haben. Er bestreitet die Vorwürfe. „Der Angeklagte wollte und hat den BND nicht verraten“, heißt es in einer Erklärung seines Verteidigers Johannes Eisenberg.

Zuvor hatte der Mitangeklagte Arthur E. umfassend ausgesagt und damit Carsten L. schwer belastet. Arthur E., der angeblich mit Diamanten und Edelmetallen handelt, gab an, Dokumente von dem BND-Mann erhalten und nach Russland gebracht zu haben. Dort übergab er sie an zwei Männer, die dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB angehören sollen. Aus den Unterlagen soll unter anderem hervorgehen, dass der BND die russische Söldnergruppe Wagner abhörte.

Carsten L. bestreitet, sich an den entscheidenden Tagen im Herbst 2022, an denen Arthur E. die Dokumente von ihm erhalten haben soll, überhaupt mit seinem Mitangeklagten getroffen zu haben.

Belastende Unterlagen im Panzerschrank

Bei einer Durchsuchung seines Büros hatten Ermittler des Bundeskriminalamts belastende Unterlagen in einem Panzerschrank gefunden – genau solche sollen an den russischen Geheimdienst weitergegeben worden sein. Carsten L. behauptet nun, diese Dokumente in einem braunen Umschlag mit der internen Post beim BND erhalten zu haben. Er habe sie dann in seinen Panzerschrank gelegt.

Auch für die Sache mit dem Geld hat Carsten L. eine Erklärung. In einem Schließfach des BND-Mitarbeiters hatten die Ermittler 400.000 Euro gefunden. Das seien die Ersparnisse von ihm und seiner Frau, behauptete er. Das Bankschließfach war eröffnet worden, nachdem Arthur E. aus Moskau zurückkam und nach eigener Aussage Carsten L. mehrere Umschläge überreichte. Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass diese Umschläge den „Agentenlohn“ enthielten.

Ein Koffer mit Bargeld auf dem Dachboden

Carsten L. will aber das Bargeld erst eine Woche später eingezahlt haben. Bis dahin, so seine Version, habe er über längere Zeit 230.000 Euro in einer Panzerkassette im Panzerschrank seines Büros in Pullach aufbewahrt, weitere 210.000 Euro gehörten seiner Frau, das Geld sei „in einem textilen Koffer im Dachgeschoss“ ihres Hauses gelagert worden. Er habe das Geld nur durch Zufall entdeckt. „Jede Frau hat ja ihr Schuhgeld.“ Er habe aber nicht gewusst, dass es eine so große Summe war.

Als der Vorsitzende Richter darauf hinweist, dass die gesamte Summe aus 500-Euro-Scheinen bestand, und nachfragt, wie das zustande kam, behauptet der Angeklagte, er habe „regelmäßig umgetauscht“, schon aus Platzgründen.

Irgendwann habe ich ihm gesagt: Mensch, dann wärst du ja der richtige Mann für uns.

Angeklagter BND-Mann Carsten L. über Arthur E.

Seinen Kontakt zu Arthur E. erklärte er damit, dass dieser als Quelle für den BND angeworben werden sollte. „Irgendwann habe ich ihm gesagt: Mensch, dann wärst du ja der richtige Mann für uns“, sagte Carsten L. vor Gericht. „Das ist genau die Klientel, nach der sie auch ausschauen bei uns: Leute, die rumkommen, Leute, die Kontakte haben, Leute, die einen Arsch in der Hose haben.“

Arthur E. sollte eine Quelle des BND werden

Glaubt man Carsten L., so ist es nicht die Geschichte einer Freundschaft, sondern einer Anbahnung. Arthur E. wird später von der Abteilung „Operative Sicherheit“ des BND überprüft, diese gibt grünes Licht für seinen Einsatz als „NDV“ (nachrichtendienstliche Verwendung).

Tatsächlich scheint Arthur E., der extrem viel reist, in Afrika hochrangige Kontakte vorweisen kann und verschiedene abenteuerlich klingende Projekte verfolgt, seinen neuen Freund von Anfang an beeindruckt zu haben. Als die beiden gemeinsam eine Bank in München besuchten, wo Carsten L. ein Schließfach eröffnet und eine Goldmünze kauft, hätten die Sicherheitsleute Arthur E. begrüßt, aus dem Schalterraum hätten ihm Kassierer zugewunken. Als Carsten L. das im Gerichtssaal erzählt, schwingt noch immer so etwas wie Bewunderung mit.

Projekt in Afrika und Geschäft mit Kryptowährung

Allerdings ging es im Verhältnis der beiden Männer von Anfang an um Geschäftliches. Arthur E. stellte schon beim ersten Treffen ein Projekt in Afrika vor, an dem Carsten L. beteiligt werden könnte. Ein paar Tage später geht es um eine neue Geschäftsidee, basierend auf einer Kryptowährung. Carsten L. sagte nun aus, er habe von Arthur E. Kryptowährung im Wert von etwa 10.000 Euro erworben. Als der Mitangeklagte das hört, schüttelt er den Kopf.

Carsten L. behauptet auch, Arthur E. habe von einem guten Kontakt bei den russischen Sicherheitsdiensten berichtet, der ihm noch etwas schulde. Dieser sei im Besitz einer eine Liste von Mitarbeitern westlicher Botschaften, die auf der Payroll der russischen Dienste stünden.

Zu der Zeit beschäftigte sich Carsten L. nach eigenen Angaben mit dem Fall eines BND-Mitarbeiters an der deutschen Botschaft in Moskau, der möglicherweise aus privaten Gründen kompromittiert war. Arthur L. habe zugesagt, sich bei seinem Kontakt in Russland zu erkundigen. Doch eine Antwort bekam Carsten L. trotz mehrfacher Nachfragen offenbar nicht. „Da war ich nicht begeistert und habe ihm vorgehalten, dass er ein Schwätzer ist.“

War der BND-Mann anfangs noch beeindruckt von seinem neuen Freund Arthur E., stellte sich nach einiger Zeit offenbar Ernüchterung ein. Er habe ihn mehr und mehr für einen „Betrüger und Hochstapler“ gehalten. Im Gerichtssaal würdigte Carsten L. seinen Mitangeklagten am Mittwoch keines Blickes mehr.

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