zum Hauptinhalt
Vor der Herrschaft der Taliban wollen Zehntausende aus Afghanistan fliehen.

© dpa/Rodrigo Abd

Ärger für das Auswärtige Amt: Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Rechtsbeugung

Auslöser war eine Anzeige im Zusammenhang mit dem Aufnahmeprogramm für Afghanen. Die Union sieht Außenministerin Baerbock und die Grünen von „Ideologie“ getrieben.

Von Hans Monath

Nach Bekanntwerden staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen wegen Rechtsbeugung hat die Union den Umgang des Auswärtigen Amtes mit Visaverfahren für Afghanen scharf kritisiert. Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Anweisungen aus dem Auswärtigen Amt im Zusammenhang mit Visumverfahren für afghanische Staatsbürger gegen unbekannt wegen des Verdachts der Rechtsbeugung. Das Magazin Cicero und Business Insider hatten zuerst darüber berichtet.

Demnach hatte ein ehemaliger Mitarbeiter des Innenministeriums Anzeige gegen Verantwortliche des Auswärtigen Amtes erstattet. Auslöser war den Berichten zufolge der Fall des Afghanen Mohammad G., dessen angeblicher Bruder bereits in Deutschland lebt.

Bislang seien nur Medienberichte über Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft bekannt, diese habe noch keinen Kontakt zu dem Ministerium aufgenommen, hieß es am Freitag aus dem Auswärtigen Amt (AA).

Für Ortskräft gibt es ein eigenes Aufnahmeprogramm

Das AA hatte nach früheren Angaben eines Sprechers tatsächlich der deutschen Botschaft in Islamabad aufgrund eines Vergleichs vor Gericht die Weisung erteilt, Mohammed G. ein Visum für die legale Einreise nach Deutschland auszustellen. Der Afghane hatte demnach zuvor vor dem Verwaltungsgericht in Berlin „mit absehbarem Erfolg“ auf die Ausstellung eines Visums geklagt.

Wird von der Union für angebliche Sicherheitsrisiken verantwortlich gemacht: Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne).

© picture alliance / photothek/Kira Hofmann

Nachdem er bei der Botschaft vorgesprochen hatte, wurde sein Pass aber offenbar als falsch eingestuft, seine Identität galt demnach als ungeklärt, weshalb auch keine Vergabe eines Visums erfolgte.

Der Afghane wollte im Rahmen des von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Innenministerin Nancy Faeser (SPD) im vergangenen Oktober ins Leben gerufene „Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan“ nach Deutschland kommen. Dieses wurde wegen Sicherheitsbedenken im März ausgesetzt, bevor es angelaufen war.

Zuvor hatte der deutsche Botschafter in Islamabad in einem vertraulichen Schreiben über Anhaltspunkte für einen systematischen Missbrauch humanitärer Aufnahmeprogramme durch Islamisten gewarnt. Bis dahin war im Zuge dieses Verfahrens noch niemand in die Bundesrepublik gekommen.

„Die Bundesregierung setzt auf Biegen und Brechen ein Programm durch, bei dem sie jeden Monat tausend Afghanen nach Deutschland einfliegen will – wohlgemerkt Afghanen ohne jeden Bezug zu Deutschland“, kritisierte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU). Der CDU-Politiker verwies darauf, dass es für die Ortskräfte, die für deutsche Institutionen gearbeitet hatten, ein eigenes Aufnahmeprogramm gibt.

Die Vorwürfe von Rechtsbruch im Auswärtigen Amt passen da leider gut ins Bild.

Alexander Throm (CDU), innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag

Dass die Ampel dabei „auf maximale Intransparenz“ setze, lasse sehr an dem Programm zweifeln, fügte Throm hinzu. Bis heute weigere sich die Regierung, dem Parlament und der Öffentlichkeit die Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zu nennen, die die aufzunehmenden Afghanen vorschlagen. Der CDU-Politiker weiter: „Eine geheime Staatsverwaltung braucht nur derjenige, der etwas zu verbergen hat.“ Die Bundesregierung arbeitet bei der Aufnahme mit NGOs zusammen, die sie wegen Sicherheitsbedenken auch gegenüber Parlamentariern nicht preisgeben will.

14.080 Gefährdete warten auf die Ausreise nach Deutschland

„Die Vorwürfe von Rechtsbruch im Auswärtigen Amt passen da leider gut ins Bild“, sagte Throm. Er begrüße, dass die Berliner Staatsanwaltschaft nun ermittle und das Vertrauen in den Rechtsstaat wiederherstelle: „Die Ideologie der Frau Baerbock und der grünen Partei steht nicht über dem Gesetz“, sagt er.

Berichten, wonach sich die AA-Leitung oder auch Ministerin Baerbock gegen die vom Bundesinnenministerium (BMI) vorgeschlagene Durchführung von Sicherheitsinterviews im Rahmen des Aufnahmeprogramms gewandt habe, wurde in Diplomatenkreisen entschieden widersprochen. Diese seien falsch, hieß es.

Zwischen beiden Ministerien habe es vielmehr zwischen Oktober 2022 und März 2023 einen „konstruktiven Austausch“ gegeben. Das AA habe sich dafür eingesetzt hat, dass eine mögliche Einführung von Sicherheitsinterviews nicht zu einer Verengung der Ausreiserouten aus Afghanistan auf Islamabad führen sollte.

Hintergrund sei gewesen, dass für bestimmte Gruppen besonders gefährdeter Afghaninnen und Afghanen eine Ausreise etwa über Iran als sicherer bewertet wurde als die Route über Pakistan. Beide Häuser hätten nach der Warnung des deutschen Botschafters in Islamabad gemeinsam die Einführung von Sicherheitsinterviews vereinbart.

Nach Angaben von NDR Info warten derzeit 14.080 Gefährdete aus Afghanistan trotz Aufnahmezusage seit Monaten auf die Ausreise nach Deutschland. 1.480 von ihnen befinden sich demnach in Pakistan und im Iran, die große Mehrheit noch in Afghanistan.

Vorgesehen ist, dass monatlich 1000 besonders gefährdete Personen nach Deutschland kommen. Konkret geht es um den Schutz von Menschen, die in Afghanistan wegen ihres Einsatzes für Menschenrechte oder durch ihre Tätigkeit etwa in Justiz, Politik oder Medien in Gefahr sind. Nach Angaben eines AA-Sprechers soll das Programm bald wieder aufgenommen werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false