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Stunde der Wahrheit. Griechenlands Ministerpräsident Tsipras (Mitte) beim EU-Sondergipfel in Brüssel. Links Frankreichs Staatspräsident Hollande, rechts Spaniens Premier Rajoy.

© AFP

Griechenland und der Euro: Alexis Tsipras kann das Desaster noch abwenden

Der griechische Premier muss endlich seine utopischen Versprechen vergessen. Das Land braucht Strukturreformen und Privatisierungen, damit endlich wieder die Wirtschaft wächst. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Höhler

Das Griechendrama geht seinem Ende entgegen. Bleibt das Land in der Eurozone, bringt es seine Staatsfinanzen in Ordnung und legt es mit Strukturreformen die Fundamente für ein nachhaltiges Wachstum? Oder stürzt Griechenland ab ins Chaos eines Staatsbankrotts, mit allen unwägbaren Folgen, die dies für die Eurozone und die Griechen selbst hätte?

Die Weichen werden an diesem Wochenende gestellt. Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras muss sich entscheiden: Folgt er dem linksextremen Flügel seiner Partei, der schon lange mit dem „Grexit“ liebäugelt, oder entschließt er sich, auf die große Mehrheit der Bevölkerung zu hören, die am Euro festhalten will, selbst wenn sie dafür Opfer bringen muss? Es geht um die Zukunft des Landes, aber auch um das politische Vermächtnis des Alexis Tsipras.

Die bisherige Bilanz des jungen Regierungschefs ist verheerend. Griechenland, das im vergangenen Jahr endlich wieder zum Wachstum zurückgekehrt war, ist erneut in die Rezession zurückgefallen. Tsipras’ Plan, mit den anderen EU-Südstaaten eine Allianz gegen Deutschland zu schmieden, ist gescheitert. Seine Hoffnung, Milliardenkredite in Russland und China lockerzumachen, ist geplatzt. Statt gleich nach seinem Amtsantritt eine Lösung auszuhandeln, hat Tsipras über Monate hinweg laviert und gepokert. Griechenland hat dafür einen hohen Preis bezahlt. Aus Angst vor einer Rückkehr zur Drachme haben die Griechen ihre Bankkonten seit Jahresanfang um mehr als 30 Milliarden Euro geplündert. Die Geldinstitute bluten aus.

Im fünften Monat der Tsipras-Regierung steht Griechenland näher als je zuvor am Abgrund der Staatspleite. Es ist fünf vor zwölf. Aber der griechische Premier hat die Chance, das drohende Desaster doch noch abzuwenden – wenn er seine utopischen, unfinanzierbaren Wahlversprechen vergisst und sich mit den Geldgebern auf einen vernünftigen Kompromiss einigt, der die Freigabe weiterer Hilfsgelder ermöglicht. Zu einer tragfähigen Lösung gehört aber auch, dass sich die Gläubiger bewegen.

Der Sparkurs der vergangenen fünf Jahre hat Griechenland in die längste und schwerste Rezession gestürzt, die ein europäisches Land in Friedenszeiten jemals durchzumachen hatte. Die Arbeitslosenquote schnellte auf 27 Prozent, ein Drittel der Bevölkerung lebt an der Armutsgrenze. Dem griechischen Patienten jetzt noch mehr von der toxischen Medizin zu verabreichen, Renten und Einkommen weiter zu kürzen, wäre verantwortungslos.

Wenn Griechenland den Weg aus dem Tal der Tränen finden will, braucht es nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Hier schließt sich der Kreis. Statt Zehntausende Menschen in den ohnehin aufgeblähten Staatsapparat zu schleusen, sollte die Athener Regierung mit Strukturreformen und Privatisierungen, mit einem radikalen Bürokratieabbau und der Einführung eines einfachen, transparenten Steuersystems die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Wirtschaft wieder wächst und endlich wieder neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

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