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Lesermeinung: Die Krux mit der Garnisonkirche

„Potsdamer entscheiden nicht mit“ und „Es geht nur im Disput“ vom 31.7.

„Potsdamer entscheiden nicht mit“ und „Es geht nur im Disput“ vom 31.7.2014

Ich bin der festen Überzeugung, dass ein Konsens bezüglich der Garnisonkirche nicht möglich ist. Man kann die Kirche nur wieder aufbauen oder sie nicht wieder aufbauen. Das ist die Krux an der ganzen Sache. Eine halbe Kirche geht so wenig wie eine Frau ein bisschen schwanger sein kann. Auch hat Potsdam momentan viel drängendere Probleme als den Wiederaufbau besagter Kirche. An ihr entlädt sich nur eine Diskussion, in deren Kern es um eine ganz andere Frage geht: Wird in Potsdam ein Stadtbild realisiert, welches bei Lichte betrachtet nur sehr sehr wenige und dann noch meist nicht Potsdamer präferieren, oder wird in Potsdam ein Stadtbild umgesetzt, welches den Interessen der Bürgerinnen und Bürger entspricht, die in dieser Stadt leben und arbeiten? Diese Frage stellt ein Mensch, der seit Sommer 1986 in dieser Stadt lebt.

Gunter Flügel, Potsdam

Gerhard Schöne hat einst ein schönes Lied gesungen für mehr Demokratie wagen – „Mit dem Gesicht zum Volke, nicht mit den Füßen in ’ner Wolke". Ich bin sehr enttäuscht, dass es vorerst keinen Bürgerentscheid zur Garnisonkirche geben wird. Ich kann die Fraktion „Die Andere“ gut verstehen, dass sie sich, um mit Max Weber zu sprechen, „zweckrational“ verhalten hat, um durch ihre scheinbare Ablehnung des formalen Antrages ihr eigentliches Ziel zu erreichen – nämlich ganz demokratisch einen baldigen Bürgerentscheid zum Thema. In gewisser Weise kann ich auch das Agieren der „Linken“ nachvollziehen, die sich „wertrational“ im Sinne Webers verhalten haben und die von ihnen vertretene Linie „Pro Bürgerbegehren“ zwar tapfer, aber nicht gerade taktisch clever durchgezogen haben. Was ich aber gar nicht gutheißen kann, ist das Verhalten des Pseudo-Unentschieden-Seins und „Aussitzens“ der Befürworter der Garnisonkirche, hier also vor allem der Rathaus-Mehrheit von SPD, CDU, Grünen etc. Warum trauen diese Volksvertreter uns allen nicht zu, in dieser Frage kompetent zu entscheiden? Haben sie Angst, dass zumindest eine relevante Minderheit, wenn nicht sogar die Mehrheit der Menschen hier in Potsdam diese Militärkirche nicht wiederhaben möchte – sowohl aus historischen als auch aus aktuellen Gründen? Wenn so laviert wird wie hier von den politisch Mächtigen, braucht sich keiner über scheinbare Poltikverdrossenheit zu wundern.

Sebastian Köhler, Potsdam

Diese Polemik und Propaganda geht mir auf den Geist. Hier werden große Schubkästen aufgerissen und alle reingeschmissen, die gegen die Garnisonkirche sind. Ich bin ohne die zerstörte Kirche aufgewachsen. Ja, sie ist schön gewesen, aber nicht alles muss wiederhergestellt werden. Ich bin gegen den Wiederaufbau, nicht weil ich etwas gegen die Kirche habe oder gar ein SED-Anhänger bin. Der Grund ist vielmehr, dass hier Steuergelder verwendet werden sollen, obwohl die Kassen leer sind. Da helfen auch keine Fördergelder von Bund und Land, denn das sind auch Steuergelder. Und was macht Potsdam, wenn es Geld braucht für Schulen und die SPSG? Die Stadt erhöht die Grundsteuer und führt eine Bettensteuer ein. Welche Steuer hätten Sie denn gerne erhöht? Es gibt Wirtschaftsprojekte zuhauf, die teurer als geplant geworden sind oder den Bach runtergegangen sind, samt Steuergelder. Gerne kann die Garnisonkirche aufgebaut werden. Dann aber von den privaten Geldern der Förderer. Ich bezahle auch gerne Eintritt, wenn es mich drängen sollte, hineinzugehen. Und der Ruf nach einer barocken Architektur in der Innenstadt. Schauen Sie sich andere Städte an, die eine Einigkeit zwischen alt und neu geschafft haben. Ich will jedenfalls nicht die Straßen und Kanäle der barocken Zeit mit unserer heutigen Bevölkerungsdichte verbunden sehen.

Thomas Fritzsche, Potsdam

Ich bin – ohne einer Ideologie besonders das Wort zu reden – ein entschiedener Gegner des Wiederaufbauprojektes. Und das genau so lange, wie uns immer wieder vorgetäuscht wird, das Projekt käme allein aus privaten Spenden auf die Beine und würde ohne öffentliches Geld realisiert. Von den nun 21 Millionen Euro sind allein 12 Millionen vom Bund und drei Millionen aus dem SED-Sondervermögen. Hinzu kommen die Ausgaben der Stadt für das Grundstück, den Rückbau der Breiten Straße etc. Was soll das Ganze eigentlich? Welcher private Bauherr kann von der Stadt derartige Vorleistungen erwarten, ohne eine nachweislich gesicherte Gesamtfinanzierung vorweisen zu können? Mit Lügen, versteckten und offenen Angriffen, Halbwahrheiten, Intransparenz gewinnt man keinen Bürger dieser Stadt. Das wird auch das Bürgerbegehren an den Tag bringen. Insofern kann man schon heute stolz sein auf die rund 14 000 Potsdamer, die der Stadtverwaltung ihre Grenzen aufgezeigt haben. So funktioniert die Zivilgesellschaft.

Lutz-Ingo Sauer, Potsdam

„Die Triebfeder des Kampfes gegen den Garnisonkirchturm“, Meinungsbeitrag des CDU-Bundestagsabgeordneten Philipp Lengsfeld vom 29. Juli 2014.

Die Argumentation von Philipp Lengsfeld trägt einen zu vereinfachenden Charakter. Denn auch wenn man die Thesen der Gegner der Garnisonkirche nicht teilen muss, stellt es einen absurden Vorwurf dar, dass jene bewusst oder unbewusst das Werk der SED weiterführen würden. Da die Verhinderung der Wiedererrichtung eines nicht nur unter Linken höchst umstrittenen Kulturdenkmals sowie die veranlasste Sprengung des Originals durch einen empathielosen Ideologen wie Walter Ulbricht ganz unabhängig von der jeweiligen politischen Begründung zwei verschiedene Paar Schuhe sind. Weswegen beide Seiten verbal abrüsten sollten, zumal ein Begriff wie die hier verwendete „SED-Enkelgeneration“ am Ende ebenfalls viele Potsdamer Bürger beleidigt und vollkommen unwissenschaftlich ist.

Rasmus Ph. Helt, Hamburg

Ich habe selten so einen unqualifizierten Artikel gelesen wie „Die Triebfeder des Kampfes gegen den Garnisonkirchturm“ von Phillip Lengsfeld. Der Autor behauptet allen Ernstes, die Gegner des Wiederaufbaus der Garnisonkirche seien religionsfeindlich und würden in die Fußstapfen der ehemaligen SED-Machthaber treten. Hat er sich eigentlich tatsächlich mit den Kernforderungen der „Bürgerinitiative für ein Potsdam ohne Garnisonkirche“ befasst? Ich glaube nicht, sonst würden er so etwas nicht schreiben. Im Vorfeld ihrer Aktion haben sich die Mitglieder dieser Bürgerinitative mit vielen Vertretern der evangelischen Kirchengemeinden Potsdams getroffen und beraten. Man stieß auf einige Bedenken und viele Befürworter, denen vor allem das barocke Stadtbild am Herzen lag. Die rechtliche Nachfolgegemeinde der Garnisonkirche, die Heilig-Kreuz-Gemeinde (benannt nach der im damaligen Turmstumpf eingerichteten Kapelle), hat sich bereits in den 1990er-Jahren wiederholt gegen einen Wiederaufbau ihrer einstigen Kirche ausgesprochen, da angesichts der schwindenden Besucherzahlen bei Gottesdiensten dieser Bau nicht benötigt wird. Die Gemeinde residiert im Gemeindehaus in der Kiezstraße. Viele Potsdamer lehnen einen Wiederaufbau der Garnisonkirche, oder auch nur des Turmes, ab, meist aus finanziellen Gründen. Einige sind aus anderen Gründen dagegen, vor allem, weil diese Kirche für die Militärtradition (Fahnen, Embleme, Standarten als Schmuckelemente) steht – auch für den „Tag von Potsdam“, der aber nur einen Bruchteil der militärischen Vergangenheit dieser Kirche ausmacht. Einige Potsdamer Christen, so auch ich, sprechen sich gerade wegen der militärischen Tradition offen gegen einen Wiederaufbau dieser Kirche aus. Geistige Unterstützung erhalten wir durch den evangelischen Theologen Friedrich Schorlemmer, der nach Ihrere Meinung dann auch „religionsfeindlich“ wäre, da er den Wiederaufbau der Kirche mehrfach scharf kritisierte, vom Zentralrat der Juden in Deutschland, die einen Wiederaufbau als „fatales Zeichen“ sehen und von vielen linken Friedensaktivisten. Die Befürworter des Wiederaufbaus sind vor allem am barocken Stadtbild interessiert oder verbinden mit der Kirche Jugenderinnerungen. Reicht das aber aus? Fakt ist: Walter Ulbricht gab damals den persönlichen Befehl, die wiederaufbaufähige Kirche zu sprengen („Das Ding muss weg!“). Fakt ist aber auch, dass Brunhilde Hanke, damalige Oberbürgermeisterin von Potsdam, Pläne hatte, die Kirchenruine als Mahnmal und Friedensmuseum zu nutzen. Wenn wir in ihre Fußstapfen treten, fühle ich mich geehrt. Wiegt das SED-Unrecht durch den Befehl Walter Ulbrichts schwerer als alles Leid, was durch die Predigten von der Kanzel dieser Kirche in allen Kriegen für König, Kaiser, Führer und Vaterland verursacht wurde? Die Stadt Potsdam lebt von den Brüchen ihrer Geschichte, man kann kein „Freiluftmuseum“ aus Potsdam machen. Darum lasst uns an die Stelle der Garnisonkirche nicht etwas Altes, sondern etwas Neues setzen!

Michael Meixner, Potsdam

Seine Position formuliert Herr Lengsfeld klar, jedoch habe ich an den recht derb gemeißelten Argumenten erhebliche Zweifel. Es geht hier um einen Neubau, nicht um „Renovierung und Restaurierung von Kulturgütern“. Beipflichten kann ich hinsichtlich des Turmes als Teil des Stadtbildes, aber man kann dieses Element auch aufgreifen, ohne es exakt zu kopieren. Ich denke zum Beispiel an die Einbeziehung der Silhouette der Pauliner Kirche in die Front der Neuen Leipziger Universität (dort gab es einen ähnlichen Streit wie um die Garnisonkirche) oder an den symbolischen Turm der Heilig-Geist-Kirche über dem Seniorenheim in Potsdam. Die goldglänzenden Turm-Insignien, die jetzt vor der ehemaligen Garnisonkirche stehen, zeugen aber davon, dass man genau das nicht vorhat. Die vollkommen zerstörte Kirche lässt sich nicht restaurieren, sie soll nachgebaut werden und vermutlich genau dem historischen Vorbild folgend. Wäre der Vorschlag der Krönung des Turmes mit dem Coventry-Nagelkreuz nicht eine Mahnung und eben auch ein symbolischer Bruch mit preußischem Militarismus? Wenn Sie von den Millionen sprechen, die für die Garnisonkirche verfügbar sind, dann dürfen Sie nicht von Denkmalschutz und Restaurierung sprechen, denn genau das ist es nicht. Dem aufmerksamen Potsdamer entgeht nicht, dass solche Summen in der historischen Substanz z.B. der existierenden Schlösser fehlen.

Dass die Zerstörung von missliebigen Kulturbauten durch die SED Barbarei war, ist unstrittig. Besteht denn aber seitens der evangelischen Landeskirche tatsächlich der erklärte Bedarf eben an diesem Hause in genau der alten Form? Ist das nachweisbar? Dann also auch wieder eine Garnison (und Hofstaat?), die mit klingendem Spiel dort einmarschiert? Herr Lengsfeld wirft in seinem Artikel sehr vieles in einen Topf, Ulbrichts Kirchenhass, Unterdrückung der Jungen Gemeinde und an all das „schließen studentische Aktivisten nahtlos an“. Ich bin der Studentenzeit seit Langem entwachsen, habe in Sachen Junge Gemeinde meine eigenen Erfahrungen. Es ist leider eine Tatsache, dass „Andere“ gern von etablierten Partei-Funktionären in die Ecke solcher „studentischer Aktivisten“ gestellt werden – Oberbürgermeister Jann Jakobs äußerte sich über eine Partei in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung ähnlich, offensichtlich ohne deren Kandidatenliste je angesehen zu haben. Am Stand der Unterschriftensammler gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche sah ich zahlreiche besorgte ältere Potsdamer, weniger „junge Potsdamer Studenten“. Herr Lengsfeld hat recht, allein am „Tag von Potsdam“ kann man die Bedeutung dieser Kirche nicht festmachen. Den preußischen Militärgeist, den sie aber sehr wohl repräsentiert, muss man sicher in seiner Zeit sehen, ihn bitte aber auch dort belassen.

Diedrich Fritzsche, Potsdam

„Unbehagen“ vom 28. Juli 2014

Aus dem Konflikt um die Garnisonkirche eine Auseinandersetzung zwischen Alt- und Neupotsdamern zu machen, ist abwegig. Den Konflikt tragen die Altpotsdamer ganz allein mit sich, der evangelischen Kirche und ihrer sozialistischen Vergangenheit aus. Letztlich ist es die Frage, welche Einstellung ich zur preußischen Geschichte habe. Ist das die Geschichte des Militarismus, der ganz zwanglos in den Nationalsozialismus geführt hat, oder eine differenzierte Geschichte mit Höhen und Tiefen, guten und schlechten Seiten. Man kann ja durchaus auch der Meinung sein, die preußische Geschichte hat mit Hitler, der NSDAP und anderem nichts zu tun. Dann darf auch der Aufbau solch einer Kirche kein Grund sein, sich an dem Ansinnen der evangelischen Kirche zu stören. Gibt es wirklich Gründe, an der Redlichkeit der evangelischen Kirche zur zweifeln, wenn sie sagen, dass es sich um ein Versöhnungsprojekt handelt? Welche Gründe gibt es denn, das Herrn Huber nicht abzunehmen, und all den Politikern, die sich für das Projekt einsetzen, auch all den Menschen, die dafür stimmen? Es gibt keine Gründe, aber eine Voreingenommenheit, oder ist es ein Geschichtsbild, das aus alten DDR-Zeiten stammt? Und dann argumentieren Sie mit der Traditionsgemeinschaft. Dabei ist das Gegenteil richtig. Man hat die Traditionsgemeinschaft aus der Stiftung und dem Förderkreis herausgehalten, weil man sich mit deren Zielen nicht einverstanden erklärt hat. Das Geld hat man nicht bekommen, sondern der entsprechende Fonds ist aufgelöst worden. Was ist hier Herrn Huber vorzuwerfen? Was hätte er machen sollen, um ihre Redaktion zu beruhigen? Und überhaupt erwarte ich eine scharfe Kampagne gegen die Traditionsgemeinschaft, denn sie spendet ja auch für den Neptunbrunnen, für die Nikolaikirche, für die St. Peter- und Paulskirche. Ist das denn in Ordnung? Wenn bitte keine Spenden für die Garnisonkirche, dann doch bitte auch nicht für andere Projekte in Potsdam. Und da die Traditionsgemeinschaft ja in ganz Brandenburg stiftet, erwarte ich, dass sie dagegen auch vorgehen. Die Kampagne ist traurig, denn letztlich läuft es auf eine zweite Enteignung der evangelischen Kirche hinaus, der man schon einmal die Kirche weggesprengt hat. Ein Trauerspiel, wenn man bedenkt, wie sehr sich die Kirche in Deutschland für Minderheitenrechte und Versöhnung einsetzt.

D. Uhlenbrock, Potsdam

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