zum Hauptinhalt

Meinung: Kopftuch ist mehr als ein Kleidungsstück

„Stoff für Karlsruhe“ vom 30. Dezember Ihr Artikel legt nahe, dass Karlsruhe den Klagen stattgeben könnte, da „das Grundrecht auf Religionsfreiheit vorgeht“.

„Stoff für Karlsruhe“ vom 30. Dezember

Ihr Artikel legt nahe, dass Karlsruhe den Klagen stattgeben könnte, da „das Grundrecht auf Religionsfreiheit vorgeht“. Das wäre für mich eine völlig falsche Entscheidung mit einer fatalen Wirkung. Die Schule ist ein besonderer öffentlicher „Raum“. Wer sich als Lehrerin in den Dienst des Staates stellt, verpflichtet sich in der Ausübung der Tätigkeit zur weltanschaulich-religiösen Neutralität. Das Recht auf Religionsausübung der Lehrerin in der Schule hat hier seine Grenzen. Wir sollten nicht vergessen, dass mit dem Tragen des Kopftuches ein manifestes Bekenntnis zu einer bestimmten Religion abgelegt wird. Dabei spielt es keine Rolle, um welche Religion es sich dabei handelt.

Im Grundgesetz gibt es eine klare Aussage: „Niemand darf wegen seines Glaubens benachteiligt oder bevorzugt werden“. Hieraus lässt sich für den schulischen Bereich das verbindliche Gebot der Neutralität ableiten. Indem man einer Lehrerin das sichtbare Bekenntnis zu ihrem Glauben gestattet, unterläuft man diese Bestimmung. Die Meinung eines früheren Verfassungsrichters, in der Schule sei Neutralität als „offen und raumgebend“ zu interpretieren, ist irrig und geht zudem am Kern der Sache vorbei. Denn Neutralität bedeutet in der Schule nicht, dass das konkurrierende Auftreten unterschiedlicher Religionen befördert wird, sondern dass die Frage religiöser Präferenzen im allgemeinen „Schulraum“ eben gerade nicht verhandelt werden soll.

Ein wichtiger Umstand wird in der Debatte weitgehend übersehen: In der Schule geht es vor allem um die Schüler. Sie sind „die Kunden“ der Lehrerinnen und Lehrer. Die schrankenlose Ausübung von Religion im Dienst eines säkularisierten Staates wie der Bundesrepublik, die sich natürlich auch im Zur-

Schau-Tragen eines Symbols dieser Religion niederschlüge, würde ein falsches, eben nicht neutrales Signal an die Schüler aussenden. Die Verpflichtung, die hieraus für eine Lehrerin erwächst, hat daher im Rahmen der Tätigkeit in der Schule einen Vorrang gegenüber der in Artikel 4 GG garantierten Glaubens- und Gewissensfreiheit. Genauso falsch und nicht im Sinne des Neutralitätsgebotes ist es indessen, dass einige Länder ausdrücklich „abendländische“ und christliche Symbole vom Zur-Schau-Stellungsverbot in der Schule ausgeschlossen und damit die Mahnungen des BVG in seiner bisherigen Rechtsprechung zu diesem Thema völlig ignoriert haben. Hier haben wir, einmal mehr, ein schlimmes Beispiel für die unselige und völlig überholte Kultushoheit unserer 16 Länder, die hoffentlich bald abgeschafft wird.

Thomas Knuth, Berlin-Wilmersdorf

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false