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Viele Menschen nutzten in den vergangenen Wochen das Neun-Euro-Ticket, um an die Ostsee zu fahren.

© dpa

Kolumne | PYAnissimo: Mein 9-Euro-Sommer: Nerven und Schnittchen

Ob Ostsee oder Schlachtensee: Auch unsere Kolumnistin war im Sommer mit dem Neun-Euro-Ticket unterwegs. Ihr Fazit: Die drei Monate gingen zu schnell vorbei.

Wenn dieser Text erscheint, bin ich, hoffentlich, auf dem Rückweg aus meinem letzten Neun-Euro-Urlaub. Es ist der 30. August – am 31. zu fahren, erschien mir zu heikel. Ich wollte mich nicht in den Lumpensammler quetschen müssen, falls ich überhaupt reinkommen würde. Was heißt ich – wir sind Mutter und Kind! Aber ein volljähriges, und dafür brauchte es nicht mal einen Heli und auch nicht Sylt. (Ich war sehr stolz auf ihn.) Jetzt müssen wir nur noch diese letzte (Rück)- fahrt schaffen. 

Ich bin sehr dafür, die Neun-Euro-Nummer zu verlängern. Auch wenn’s 29 werden. Die drei Monate gingen zu schnell vorbei und ich habe noch so viel offen. Ja, ich gebe zu, ich habe etwas getrödelt. Man denkt, drei Monate, ein ganzer Sommer – boah, das ist unendlich viel Zeit, und zack sind die Wochenenden aus. Jetzt bin ich erst recht angefixt: So viel wäre noch zu ergründen! So viel Deutschland um mich herum! Und wenn man genug von der warmen Ostsee hat, gibt es noch drei weitere Himmelsrichtungen abzufahren.

Was ich bisher erfahren habe, ist aber auch ganz ordentlich. Mal zum Schwimmen an den Schlachtensee – das ging schneller als mit der Potsdamer Tram zum Heiligen See. Kostet ab September wieder Potsdam-Abo plus zweimal Kurzstrecke Berlin. Zum Kaffee bei Freunden in Zehlendorf: 25 Minuten und 7 Euro, ins Theater nach Charlottenburg: 30 Minuten und 7,80 Euro. Das Renaissancetheater ist schön, mal was anderes als das rote HOT.

Unsere Autorin Steffi Pyanoe ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg.
Unsere Autorin Steffi Pyanoe ist freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Babelsberg.

© Sebastian Gabsch

Mein Entertainment-Highlight waren allerdings die Stunden im Regionalexpress zur Ostsee. Das war während des ersten Hypes um das Ticket der neuen Freiheit. Dass ich mir damals kein Corona eingefangen habe, in der kuscheligen Enge, betrachte ich nach wie vor als ein Wunder. Während die drei Lehrerinnen meiner Vierer-Sitzgruppe vom Schuljahr erschöpft schweigsam und vorbildlich maskiert die Reisezeit absaßen, spielte sich auf der anderen Seite das Ganges ein Drama ab. Auch dort drei Frauen. Die jedoch eine Stunde brauchten, das vierte Mitglied ihrer Reisegruppe aus dem Inneren des vollgestopften Zuges zu seinem reservierten Platz zu lotsen. Telefonisch. 

Affenhitze im RE7

Von der Truppe auf dem Weg zu einem Hippie- oder Selbstfindungsfestival trugen nur eineinhalb eine Maske (Wer hätte gedacht, dass so viele Leute nicht wissen, wo ihre Nase ist), wenn überhaupt, weil sie durchweg aus ihren Tupperdosen Gemüseschnitze und Körnerschnittchen ans Tageslicht holten und in irgendwelche Dips und Pasten tunkten. Es wurde geknabbert und gequatscht ohne Ende. Ohne Maske.

Ich versuchte, bis zur Insel nicht zu atmen, aber das war keine gute Idee. Wie gesagt, es ist nichts passiert. Und bitte, liebe Politik, lasst uns die neue Lust am Nahverkehr nicht gleich wieder ersticken. Das mit den fehlenden Zügen und Zugbegleitern – das werden wir doch hinkriegen. Wollten früher nicht alle Jungs Lokführer werden? Wo sind die hin?

Mein zweitschönstes Bahnerlebnis spielte sich im RE 7 ab: In der Affenhitze waren zwei Zugbegleiter unterwegs, ein Mann und eine junge Frau, offenbar eine Auszubildende, die mit Begeisterung dabei war. Das stimmte mich zuversichtlich.

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