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Meinung: Brüchiger Friede

Das Skandal-Endlager Asse ist nicht die einzige Atombaustelle der Bundesregierung

Sie haben es so gewollt. Union und FDP haben einen neuen Kurs in der Atompolitik angekündigt. Aber es fällt der Koalition nicht leicht, eine eigene Linie zu finden. Mit dem Argument, dass einige Reaktoren in diesem Jahr stillgelegt werden müssten, wenn es keine schnelle Einigung auf eine Laufzeitverlängerung der 17 deutschen Atomkraftwerke kommt, machen die Energiekonzerne zurzeit gewaltig Druck. Vor allem für Neckarwestheim I, den von EnBW betriebenen Meiler in Baden-Württemberg, der auch einen Großteil des Stroms für die Deutsche Bahn liefert, wird es wohl eng werden.

Auf der anderen Seite hat Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) mehrfach klargemacht, dass eine Einigung über längere Laufzeiten für die Atomkraftwerke sinnlos ist, solange nicht feststeht, welchem Energiekonzept die Regierung generell folgen will. Allerdings sehen das nicht alle Energiepolitiker bei Union und FDP so. Einige von ihnen wollen zuerst die Laufzeitverlängerung verhandeln. Sie versprechen sich davon sagenhafte Zusatzeinnahmen, um andere Wünsche innerhalb des Energiekonzepts finanzieren zu können. Schließlich sollen die Stromkonzerne einen Teil ihrer Zusatzgewinne im Gegenzug für eine Gesetzesänderung abtreten. Dass bei dieser Konstruktion der Eindruck entstehen könnte, die Konzerne könnte sich die Laufzeitverlängerung erkaufen, hat bisher keinen der Beteiligten besonders gestört.

Unter welchen Vorgaben zurzeit Szenarien für das künftige Energiekonzept errechnet werden, ist bisher nicht bekannt geworden. Statt die Basis ihrer Überlegungen bekannt zu machen, wird in der Koalition dann offenbar doch lieber darüber diskutiert, wie schnell oder wie langsam über Laufzeiten verhandelt werden soll. Sicher ist bisher nämlich nur eines: Die Regierung will am Klimaschutzziel, den deutschen Treibhausgasausstoß bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu verringern, festhalten. Zumindest mit dieser Vorgabe muss das Energiekonzept in Einklang gebracht werden. Und es gibt begründete Zweifel, ob die Atomenergie dabei tatsächlich eine sinnvolle Rolle spielen kann.

Aber die Laufzeitverlängerung ist nicht die einzige Atombaustelle der Bundesregierung. Sie muss sich aktuell und schnell mit dem Problem des Skandal-Endlagers Asse beschäftigen. Das Bundesamt für Strahlenschutz hat festgestellt, dass eine „Langzeitsicherheit“ für den dort vergrabenen Atommüll nur garantiert werden kann, wenn er komplett aus dem maroden Salzbergwerk herausgeholt wird. Das wäre für die Anwohner in der Region eine Erleichterung. Aber die Frage, ob es tatsächlich möglich ist, innerhalb von zehn Jahren 126 000 Fässer mit Atommüll aus dem instabilen Bergwerk zu holen, über deren Zustand und Inhalt Unklarheit herrscht, ist derzeit nicht zu beantworten. Wie viel Ärger es bringen wird, die sogenannte Erkundung in Gorleben wieder aufzunehmen, lässt sich absehen. Sicher ist: Der brüchige Friede zwischen Regierung und Anti-Atom-Bewegung ist dahin, noch bevor die Koalition auch nur selbst weiß, wo sie hin will.

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