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Meinung: Brandenburgische Polonaise

Mit Wende beim Nachtflugverbot hat Matthias Platzeck am Stammtisch einen Ehrenplatz

Brandenburgs Politik ist am Mittwoch, dem 27. Februar 2013, am Stammtisch angekommen. Die Frage ist nur noch, ob sie dort die Hoheit übernommen oder sich ihm unterworfen hat und unterm Tisch liegt. An diesen imaginären Stammtischen, an denen der wüterichende Meckergermane verortet wird, wird gern pauschal und falsch und im Grunde immer über „die Politik“, „die da oben“ gemeckert. Dort gilt als volksweisheitlich erhoben, dass es „immer nur um Macht geht“. Egal, worum es geht. Dort weiß man es besser.

Aber Politik zeichnet sich dann als gute aus, wenn sie sich um den Stammtisch nicht schert – aus dargelegten und diskutierten Gründen. Das kann auch nicht immer gelingen und zu oft stimmt des Stammtischs Klischee. Aber der Anspruch, so oft wie möglich gut zu sein, der muss da sein, sonst leidet die Demokratie. Genauso wie der Anspruch gelten muss, verlässlich zu sein, Rahmenbedingungen zu schaffen und Wege zu öffnen, bei denen die Akteure und Partner darauf vertrauen können, dass sie gelten – nicht ansatzlos geändert werden. Vertrauen und Verlässlichkeit – Grundpfeiler der Politik; Treu und Glauben im Recht.

Unabhängig davon, wie man zum ausgedehnten Nachtflugverbot am Irgendwann-mal-Flughafen BER, für das es durchaus gute Gründe gibt, steht: Regierungschef Matthias Platzeck hat mit seiner rot-roten Regierung und mit der Landtagsmehrheit Verlässlichkeit als Prinzip der brandenburgischen Politik in den Wind geschrieben, Partner vor den Kopf gestoßen – und vor allem dem Stammtisch Recht gegeben: Es geht nicht um die Sache, es geht allein um die Macht. Politik wird als Schattentheater inszeniert, Freund und Feind zu Figurinen.

Verraten werden Berlin und der Bund, mit denen Brandenburg die Flughafengesellschaft betreibt, aber auch die Wirtschaftsverbände der Region, die Flughafengesellschaft und die Fluggesellschaften, die mit dem einst vor Gericht gefundenen BER-Nachtflug-Kompromiss geplant haben. Sie haben darauf vertraut, dass Platzeck – als Regierungs- und BER-Aufsichtsratschef – bei der gemeinsamen Linie bleibt, sie zumindest nicht unabgesprochen verlässt. Doch der ging kürzlich als Nachtflug-Saulus zu Bett und stand Tags darauf als -Paulus wieder auf. Und zur Krönung dieser Nachtwandlung müssen sich seine Berliner Kritiker nun als Sturköpfe beschimpfen lassen.

Die Fluglärmgegner kennen das. Nur anders herum: Noch vor Wochen waren sie für Platzeck egozentrische Wutbürger. Nun gibt er vor, bei ihnen zu sein. Doch er hat sich und seine brandenburgische SPD nur gewendet, weil sich die Stimmung im Land gedreht hat – weil er sich seiner Brandenburger nicht mehr sicher ist. Diese folgten ihm nach aktuellen Umfragen in Sachen Nachtflug nicht mehr. Und so definiert er Brandenburg, die kleine DDR, neu: Deutsche Demoskopische Republik. Und er macht das, was der Stammtisch unterstellt: Er tut so, als ob. Als stelle er sich aus Sachgründen an die Spitze der Bewegung. Als ginge es ihm um den ruhigen Schlaf der anderen. Platzeck der Streusandbüchsen-Machiavelli: Führe die Polonaise an, um sie dann im formlosen Ringelreigen auflösen zu können. Sein Schlachtruf: „Mir nach, ich folge Euch!“

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