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Bergholz-Rehbrücke: Fressen und gefressen werden

In Bergholz-Rehbrücke wird der Prototyp für einen Mehlwurmsnack hergestellt. Zunächst aber nur für Hunde.

Nuthetal - Lecker, gesund, nachhaltig – bei diesen Worten denkt man sicher nicht zuerst an Mehlwürmer. Dass sie genau diese Eigenschaften haben, zeigt ein Blick nach Bergholz-Rehbrücke. Im dortigen Institut für Getreideverarbeitung (IGV) entsteht buchstäblich der Nährboden für die Zucht der Insekten. Die Mehlwürmer werden anschließend zu Hundesnacks verarbeitet.

Betreut wird dieses besondere kulinarische Projekt von Sabrina Jaap, Katrin Kühn und Ina Henkel, die gemeinsam das Start-up-Unternehmen TeneTRIO gründeten. Die Idee dazu kam ihnen während des Studiums an der Universität Potsdam. Dort studierten Kühn und Henkel Ernährungswissenschaften und beschäftigten sich schon seit Längerem mit dem Thema „International Nutrition“. Im Rahmen einer Summer School zu „Future Food“ beschlossen sie dann, ein eigenes Projekt zum Thema Insekten zu starten. Zusammen mit Jaap, die International Management studierte, entstand der Plan, sich auf Hundesnacks zu spezialisieren.

Die Mehlwürmer für ihre sogenannten TenePops züchtet das Trio seit Januar 2016 am IGV. „Unser Vorhaben wird momentan noch von der Uni unterstützt, die eine Kooperation mit dem Getreideinstitut hat“, erklärt Jaap. Darum dürfen sie dort Utensilien wie Kühlschränke und die Boxen, die zur Zucht der Tiere benötigt werden, nutzen.

Entgegen landläufiger Annahmen werden die Mehlwürmer nicht selbst gesammelt. „Wir bestellen sie im asiatischen Raum, denn sie müssen einen hohen Qualitätsanspruch erfüllen“, erklärt Jaap. Darum werden die Tiere auf einem speziellen Kraftfutter, einer besonderen Mehlmischung, gezüchtet. „Zusätzlich werden sie mit Äpfeln und Möhren gefüttert.“ Die Würmer sind also alles andere als dreckig. Dies ist Jaap zufolge auch eines der größten Vorurteile, mit denen sie zu kämpfen haben. „Die Tiere sind weder schmutzig noch eklig.“

Der Name TeneTRIO entstand aus einem mehrfachen Wortspiel: Zum einen geht er auf den Protagonisten des Unternehmens zurück, denn der lateinische Name des Mehlwurms lautet Tenebrio molitor. „Da wir zu dritt sind, haben wir daraus TeneTRIO gemacht“, erklärt Jaap. Eine weitere Dreifaltigkeit, die dem Namen zugrunde liegt, ist dem Wurm selbst eigen, denn er besitzt sowohl Eigenschaften vom Gemüse als auch vom Fleisch; zudem enthält er die als besonders gesund geltende Omega-3-Fettsäure, die auch in Fisch enthalten ist.

Bisher verkauft das TeneTRIO sein Produkt noch nicht. „Wir haben zwar schon Kontakt zu einigen großen Unternehmen aufgenommen, von denen auch manche sehr an unseren TenePops interessiert sind, aber bisher sind wir noch nicht marktfähig“, sagt Jaap. „Wir stehen noch ganz am Anfang und planen die eigentliche Unternehmensgründung für Ende dieses Jahres.“ Dabei helfe ein Gründerstipendium, das ein Coaching in Marketing und Recht sowie die finanzielle Förderung beinhaltet. Ziel ist es, dann auch die Mehlwurmzucht zu vergrößern.

Für die Spezialisierung auf Hundesnacks haben sich Jaap, Kühn und Henkel entschieden, weil es in Deutschland einen riesigen Markt dafür gibt. „Es besteht der Trend zum Humanisieren der Haustiere. Der Hund wird oft als Familienmitglied betrachtet“, so Jaap. Darum würden die Hundebesitzer ihren Lieblingen das beste und teuerste Futter geben. Das werde allerdings zum Teil von namhaften Süßwarenherstellern produziert. Die Hunde bekämen dadurch oft die gleichen Krankheiten wie der Mensch, etwa Fettleibigkeit, Hautallergien oder Nierenprobleme. „Vielfach weiß man nicht, was im Futter verarbeitet wird. Darum wollen wir mehr Transparenz schaffen“, so Jaap. Ihre TenePops würen aus zwei Komponenten bestehen, Mehlwurm und Reismehl: „Beides gesunde Bestandteile.“

Den Prototyp des Mehlwurmsnacks konnte das TeneTRIO Mitte letzten Jahres schon erfolgreich in der Praxis testen, zusammen mit der Hundeschule Potsdam. „Wir haben mit den Hundebesitzern gesprochen und gefragt, ob wir ihnen unser Produkt anbieten dürfen.“ Fazit: Die TenePops seien bei den Vierbeinern bestens angekommen.

Für die Zukunft plant das Start-up auch Leckerbissen für andere Haustiere wie Katzen oder Hamster. „Mehlwürmer haben einen hohen Nährstoffgehalt und verbrauchen in der Zucht nur ein Minimum an Ressourcen im Vergleich zu konventionellen Fleischlieferanten wie Schwein oder Rind“, erklärt Jaap. Dadurch stellten die TenePops eine gesunde und nachhaltige Alternative zu gängigen Snacks dar. Selbst für den Humanmarkt wären Mehlwurm-Produkte durch ihre guten mikronutritiven Eigenschaften geeignet. Hier setze die Europäische Union derzeit allerdings rechtliche Grenzen, denn Insekten dürfen nicht zu Nahrung verarbeitet werden. „Weltweit ernähren sich aber schon zwei Milliarden Menschen auf täglicher Basis von Insekten“, so Jaap. „Wir betrachten das als möglichen Weg zu einer gesicherten Ernährungszukunft – dazu möchten wir beitragen.“

Stefan Kahlau

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