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Kultur: Das Festival der Festivals

Im Thalia startet am heutigen Samstag erstmals „Around the World in 14 Filmen“: ein Nachspiel der weltbesten Filme

Es sind die 14 weltbesten Filme des Jahres, die ab heutigen Samstag für eine Woche im großen Saal des Thalias laufen. Daran lässt Festivalleiter Bernhard Karl keinen Zweifel. Seit sieben Jahren organisiert er „Around the World in 14 Filmen“ im Berliner Kino „Babylon“. Das erste Mal gibt es dieses Festival nun auch in Potsdam. Und das erste Mal präsentiert sich das Thalia volldigitalisiert. Mit der Einführung des DCP-Formats kann der Zuschauer nun festivalreif porentief in die Leinwandgesichter schauen.

Die Idee hinter dieser Nachlese der Festivals von Cannes, Locarno, Venedig, San Sebastian und Sundance ist so einfach wie überzeugend: Geladen wird zu einer bildmächtigen Weltreise in überschaubarer Form. „Auf der Berlinale laufen rund 400 Filme und keiner hat mehr den Überblick. Wir sagen indes: 14 Filme reichen!“ Der aus Bayern stammende Kinofreak wählte seine 16 Best-Off aus 500 Filmen aus, die er nächtelang in den großen Festspielkinosälen in aller Welt auf sich wirken ließ. Er bereist sie im Auftrag des renommierten Münchner Filmfestes, für das er seit 2008 als internationaler Programmkurator tätig ist. „Das ist meine Basis, dort verdiene ich auch mein Geld.“ Sein „Around the World in 14 Filmen“ ist mit seinen 20 Mitarbeitern ohne Zuschüsse aus öffentlicher Hand und mit einem Etat von 40 000 Euro eher eine Spielwiese von Idealisten. Immerhin mit 50 Sponsoren im Rücken. Doch wenn wie in diesem Jahr nur einer abspringt, werde es problematisch. „Kurzfristig ist uns der Autohersteller Seat weggebrochen, der Absatzschwierigkeiten hat. Nun müssen wir unsere Gäste mit Taxis chauffieren, was natürlich teuer ist.“ Denn dieses Festival lebt nicht nur von den ganz besonderen Filmen, der Creme de la Creme, wie Bernhard Karl immer wieder begeistert hervorhebt, sondern auch von den Filmemachern, die mit anreisen. Und von deren Paten. Denn jeder Film wird im „Babylon“ von namhaften deutschen Künstlern präsentiert, darunter Daniel Brühl, Wim Wenders, Hanns Zischler und Pepe Danquart. Aus Etatgründen gibt es in Potsdam nur einen Paten, der mit „seinem“ Film vor die Zuschauer tritt: Regisseur Andreas Dresen. Er präsentiert am kommenden Dienstag „A Simple Life“ von Ann Hui aus Hong Kong. Erzählt wird darin über die letzten Jahre einer Hausdienerin in einer Großfamilie, „eine liebevolle Menschenzeichnung voller Humor und Lebensweisheit, ein Meisterwerk, das mit mehr als 40 Preisen ausgezeichnet wurde. Vielleicht das Meisterwerk des Jahres überhaupt“, so Bernhard Karl. Dazu sei der Beitrag aus China geradezu ein Antifilm. „People Mountain People Sea“ stelle ein radikales Porträt der postindustriellen chinesischen Gesellschaft dar. „Es zeigt, was der Turbokapitalismus mit den Menschen macht.“ Das Festival warte mit kleinen ergreifenden Geschichten auf, die das Große spiegeln. Wie in „La Pirogue“, die 40 über den Atlantik schippernde Afrikaner zeigt, die mit dem Fischerboot in die Freiheit wollen. „Dieser Film gibt dem Leid ein Gesicht.“

Es seien extrem unterschiedliche Filme, ästhetisch als auch inhaltlich; Dramen und Komödien, auch Dokumentarfilme, aber nie reine Unterhaltung. Alle Filme zeichnen ein realistisches Bild, kein verschönendes. „Unser Kino will aber auch nicht deprimieren und sagen: Die Welt ist schlimm. Diese Filme zeigen Chancen zum Aufbruch, sie sind das Postulat einer besseren Welt.“ Und genau deshalb brennt Bernhard Karl für seine Arbeit. „Mit Kino kann man die Welt verändern, davon bin ich absolut überzeugt. Wer von dieser Weltlandkarte der Filmkunst unberührt bleibt, dem ist nicht zu helfen.“

Jeden Abend laufen im Thalia zwei Filme und natürlich hofft Bernhard Karl, die jeweils 350 Plätze füllen zu können: mit Filmen, die keiner kennt und die oft keinen Verleiher finden. Aber inszwischen gebe es Anzeichen, dass die deutschen Verleiher mutiger werden. „Sie merken wohl, dass man den Zuschauern durchaus mehr zumuten kann und sie der langweiligen Dramaturgie vieler amerikanischer Filme und der immergleichen Seifenopern überdrüssig werden.“

Seit 34 Jahren hat sich der 45-Jährige dem Film verschrieben, „Kino ist fast meine Kirche“. Die Kirche hatte der ehemalige Ministrant in einem kleinen bayrischen Dorf in der Nähe von Dachau bald gründlich satt, auch wenn er die metaphysischen Momente mochte. Doch für ihn war Kirche die totale unintellektuelle Verblödung und Enstirnigkeit, wo Gesetz sei, was der Pfarrer sagt. Dennoch musste er jeden Sonntag mit in die Messe, denn was hätten sonst die Nachbarn dazu gemeint.

Der Film war sein Fluchtort, zu dem er als 12-Jähriger mit dem Rad ins sieben Kilometer entfernte Kino aufbrach, so oft es ihm möglich war. Mit 17 ließ er dann kein Filmfest in München mehr aus. Schließlich wurde er Regisseur an den Münchner Kammerspielen. Doch seine Liebe zum Film war stärker. „Meine eigene Welt interessiert mich einfach nicht so wie die anderer Leute.“ Doch lebt man nach 150 Filmen und 120 Theaterabenden in einem Jahr, so der Rekord von Bernhard Karl, überhaupt noch ein eigenes Leben? Der Kinoenthusiast ist davon überzeugt. „Man spiegelt sich in jedem Film immer wieder selbst und öffnet in sich selbst fremde Türen.“ Dänemark, Bolivien oder Senegal interessieren ihn einfach mehr als sein bayrische Heimat, in der die Enge so groß war. „Jetzt reise ich fast pausenlos“ – mit einem Anker bei seiner Freundin aus Potsdam, der Schauspielerin Claudia Hübschmann.

Die Filme, die er zusammenträgt, werden auf der Berlinale nicht gezeigt, denn dort gibt es nur Weltpremieren. „Die ganz großen Filme kriegt Berlin aber nicht. Die gehen nach Cannes oder Venedig. Wir sind die Mini-Berlinale der anderen Top-Festivals“, strahlt er selbstbewusst.

Von der Qualität ist er durchweg überzeugt. Während andernorts Jurys darüber streiten, wer die Sieger sind und Kompromisse eingehen müssen, sei er Alleinentscheider. Seine Best-Offs müssen natürlich nicht die der anderen sein. „Aber in der Diskussion mit namhaften Filmkritikern liegen wir meist dicht beieinander.“

Alle Filme werden von der Filmemacherin und Journalistin Jasmin Khatami präsentiert. Sie kommt nach den Aufführungen mit dem Regisseur, Produzent oder einem Schauspieler des jeweiligen Films ins Gespräch. Und auch mit dem Publikum. Denn es soll keine eitle Podiumsdiskussion werden, sondern ein Gespräch auf du und du, wie der Festivalleiter Bernhard Karl versichert.

Festival „Around the World in 14 Filmen“ vom 1. bis 8. Dezember, Thalia Kino, Rudolf-Breitscheid-Straße 50, Eintritt acht Euro

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