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Potsdam-Mittelmark: Anarcho-Gewerkschaft macht Rübchenbauer madig

Vorwurf: Eine Auszubildende werde ausgebeutet. Bauer Szilleweit widerspricht: Organisation wolle sich auf seine Kosten profilieren

Teltow - Der Knackpunkt, erzählt die Auszubildende, war der Mai 2012. Damals wurde sie von ihrem Chef, dem Teltower Bio-Bauern Axel Szilleweit, gefragt, ob sie die Ausbildungsentschädigung für den Monat auch in Naturalien akzeptieren würde. Für Szilleweit, Inhaber des Obst- und Gemüsehofes „Teltower Rübchen“, war es nur eine Frage – die Auszubildende war drei Wochen krank und „wir waren finanziell ziemlich am Boden“, sagt Szilleweit. Die Auszubildende, die ihren Namen in der Zeitung nicht lesen will, suchte Rechtsrat und bekam Kontakt zu einer Gewerkschaft. Seitdem setzt sich die Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter Union (FAU) intensiv für sie ein.

Vertreter dieser Gewerkschaft, die nach eigenen Angaben in Berlin rund 200 Mitglieder hat, und das Unternehmen, bestehend aus vier Mitarbeitern, treffen seitdem immer wieder aufeinander – bei Verhandlungen, häufiger auch bei Protestaktionen. Viermal wurden auf Wochenmärkten in Berlin, wo das Unternehmen seine Rübchen verkauft, Flyer an potenzielle Käufer verteilt, zuletzt wurden die Teltower Rübchen am Rande der Grünen Woche in Berlin thematisiert. „Für Ausbildung statt Ausbeutung“ ist auf einem Flugblatt zu lesen, das die Arbeitsbedingungen in Teltow in den Blickpunkt rückt.

Die Suggestion, er würde die 24-Jährige ausbeuten, findet Szilleweit „unerhört“ und „gemein gegenüber jemandem, der die gleichen Ansprüche hat“: Er ist als Grüner Mitglied in der Teltower Fraktion der Linken, die FAU, die anarcho-syndikalistisch organisiert ist (siehe Kasten), versteht sich als und basisdemokratisch. Szilleweit vermutet, dass die Gewerkschaft auf seine Kosten bekannt werden will. „Wir verbinden aktuelle Kämpfe mit Öffentlichkeitsarbeit, wie andere Gewerkschaften auch“, sagt dazu Andreas Förster, Sekretär der FAU Berlin. Dieser Fall sei sehr arbeitsintensiv, Fahnen und Flyer müssen hergestellt werden – „mir wäre sehr lieb gewesen, das am Verhandlungstisch zu regeln“, so Förster weiter.

Beim Thema Geld sind die grundsätzlichen Gemeinsamkeiten aber womöglich aufgebraucht. 202 Euro brutto zahlt Szilleweit derzeit – für 30 Stunden in einer freien Ausbildung nach Demeter-Richtlinie, die nicht staatlich anerkannt ist. Das tarifliche Entgelt für eine staatliche Ausbildung zum Gärtner liegt derzeit bei 554 Euro. Szilleweit argumentiert, der Ausgangspunkt sei damals, als die Auszubildende im November 2011 im zweiten Lehrjahr nach Teltow kam, niedriger gewesen. Rund 340 Euro bietet er jetzt, ohnehin sei die Anhebung geplant gewesen. 470 Euro will die Gewerkschaft durchsetzen, mit Blick auf künftige Azubis.

Die FAU nimmt aber nicht nur die Entlohnung ins Visier. Kritisiert wird auch das Fehlen von Wissensvermittlung und von Sanitäranlagen auf dem Betriebshof an der Ruhlsdorfer Straße. Eine Toilette gab es lange Zeit nicht – sieht man von einer Kompost-Toilette ab. Die, beklagt die Auszubildende, funktioniere nicht. Anders als Modelle, die sie kenne, sei es nur ein Plumsklo mit Sägespänen. Nach mehreren Gesprächen steht nun eine Dixi-Toilette bereit. Szilleweit betont, dass eine solche chemische Lösung beim Bio-Betrieb eigentlich nicht gewollt sei.

Ein Warmwasseranschluss auf dem Gelände fehlt indes weiterhin. Er habe schon länger einen Bauantrag für einen Sanitärkomplex gestellt, der aber erst nach der kürzlichen Verabschiedung eines Bebauungsplanes genehmigt werden könne, sagt Szilleweit. So lange sei eine Wohnung angemietet, 50, vielleicht auch 100 Meter entfernt, zum Duschen nach dem langen und derzeit kalten Arbeitstag. Auch beim Thema „Vermittlung von Lehrinhalten“ will sich der Bio-Bauer nichts nachsagen lassen. Während die Auszubildende den PNN sagte, dass sie seit ihrem Start im November 2011 fast nur auf dem Feld und nur einmal auf einer Maschine gearbeitet habe und Wissensvermittlung nicht stattfand, verweist Szilleweit darauf, dass sie die Seminare komplett besuche und bezahlt bekomme – überproportional angesichts des 30-Stunden-Vertrages.

„Bio geht nur fair“ propagiert die FAU derzeit auch in anderen Städten. Vieles, was beim Teltower Biobauern als Konflikt zutage tritt, ist bei konventionellen wie Bio-Landwirten nicht unüblich. So sagt die Auszubildende, den Hof in Teltow habe sie auch deshalb gewählt, weil es die Möglichkeit der 30-Stunden-Woche gab und so noch Zeit für sich bleibe. Auf anderen Höfen, auch auf ihrer ersten Ausbildungsstation, hätte man von ihr 50 Stunden erwartet. Üblich sei auch das, was bei den „Teltower Rübchen“ zum Streitpunkt wurde: dass Azubis Kost und Logis gewährt wird und nur ein Taschengeld von rund 150 Euro ausgezahlt wird.

Ingmar Höfgen

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