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Alice (Lena Urzendowsky, links) begegnet Cam (Kotti Yun) in einem verletzlichen Moment.

© Michael Klier Film / Peter Zach

„Zwischen uns der Fluss“ im Kino: Drängende Fragen einer Generation

Regisseur Michael Klier erzählt in dem Kollektivfilm „Zwischen uns der Fluss“ von der vorsichtigen Freundschaft zweier junger Frauen mit sehr unterschiedlichen Lebensperspektiven.

Zu Videobildern vom Bau der Waldschlößchenbrücke in Dresden empört sich eine junge Frau aus dem Off atemlos über das Bauprojekt. „Hier geht es um Naturzerstörung von Karrieristen“. Auf das Wort „Karrieristen“ verwendet sie besondere Sorgfalt, als habe sie lange an der Aussprache des Worts geübt.

Schon die Eröffnungssequenz von „Zwischen uns der Fluss“ macht unüberhörbar deutlich, dass wir uns in einem deutschen Film mit einem politischen Anliegen befinden. Die hölzernen Sätze aus dem Off und die grob gezimmerte Etablierung der Ausgangssituation lassen nichts Gutes erahnen. Doch der Film, den der Berliner Regieveteran Michael Klier mit den beiden Hauptdarstellerinnen Lena Urzendowsky und Kotti Yun und der Dffb-Regiestudentin Gaya von Schwarze realisiert hat, widersetzt sich erfreulich schnell allen Erwartungen.

In guter Absicht, aber übergriffig

Nach dem Protest gegen den Bau der Brücke ist Alice (Urzendowsky) zu zwei Monaten Sozialdienst verurteilt, den sie in einer Klinik ableistet. Sie soll sich um die junge Cam (Yun) kümmern, die nach einem Überfall, bei dem sie schwer verletzt wurde, nicht mehr spricht. Alice, ohne jede Erfahrung mit solchen Situationen, unternimmt tapsige Versuche, Kontakt aufzunehmen, doch Cam zeigt keinerlei Interesse. Schließlich fotografiert sie ein Foto von Cam ab, postet es in guter Absicht, aber übergriffig in ein soziales Medium und fragt, wer die Frau auf dem Bild kennt.

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Nach einigen rassistischen Kommentaren meldet sich auch jemand aus einer Theatergruppe, für die Cam sich bewerben wollte, später ihr Freund. Kurz darauf beginnt sie bei den Spaziergängen in der Klinik auf Alice zu reagieren. Als der Freund auftaucht, ist Cam überfordert, versteckt sich unter dem Bett, reicht ihm aber letztlich stumm die Hand. Kurz darauf bricht Cam den Klinikaufenthalt ab. Alice begleitet sie zu ihrer Wohnung, an der der Vermieter das Schloss gewechselt hat. Also nimmt Cam mit zu sich in ihre Wohnung in einem Dresdener Villenviertel. In der neuen Umgebung öffnet sich die junge Frau allmählich. Die beiden Frauen lernen sich vorsichtig kennen.

„Zwischen uns der Fluss“ entstand als kollektives Experiment. Klier erklärt die gemeinsame Arbeitsweise damit, das Drehbuch beim Dreh sowie das gefilmte Material in der Montage in eine offene, teils skizzenhafte Erzählform zu überführen. Es ging ihnen darum, „die schwere Thematik sozusagen leicht zu machen“. Kotti Yun und Lena Urzendowsky wirkten neben Karin Aström und Michael Klier am Drehbuch mit. Gaya von Schwarze besorgte die Montage, Klier die Regie. Trotz dieser klassischen Arbeitsteilung ist der Film in den Credits des Films als gemeinsame Arbeit ausgewiesen.

Laubsägearbeiten an kunstvollen Möbeln

Das Resultat wirkt ein wenig, als habe jemand linkische Laubsägearbeiten in ein kunstvolles Möbel integriert. Er changiert zwischen der Geschichte zweier ungleicher Frauen, die sich durch einen Zufall begegnen und voneinander zu lernen beginnen, und den etwas unbeholfenen Versuchen, diese Geschichte politisch aufzuladen. Die vier hätten gut daran getan, Alice’ Umweltaktivismus etwas subtiler einzuführen. Ausgerechnet ihr Vater hat die Brücke, gegen die sie protestiert, geplant; und natürlich studiert ihr Freund als angehender Architekt ausgerechnet bei eben diesem Vater. Eben diese Erwartbarkeit zieht viele der eher verzichtbaren Dialogen nach sich.

Der Kontrast zur Freundschaft der jungen Frauen könnte nicht größer sein. Ab dem Moment, in dem sie in Alice’ Wohnung angekommen sind, scheint der Ballast von ihren Dialogen abzufallen. Der Film findet eine schlüssige Form, indem er einen leisen und intimen Zugang zu den drängenden Fragen ihrer Generation sucht. Ihre Gespräche kreisen um die eigene Sozialisierung und Privilegien, um Rollenerwartungen, Begehren und Wünschen. Von diesen Szenen lebt der Film, von ihnen hätte man gern mehr gesehen. Sie machen „Zwischen uns der Fluss“ sehenswert.

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