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Pappfigurenkabinett. Die Schauspieler vom Berliner „theater 89“ spielen in dem Stück „Das Ende der SED“ Dokumentationstheater. Sie schlüpfen in Politikerrollen einstiger ZK-Mitglieder, wie den SED-Kronprinzen Egon Krenz, Schriftsteller Hermann Kant oder Armeegeneral Heinz Hoffmann. Die Uraufführung der Inszenierung fand im heutigen Auswärtigen Amt statt, damals Sitz des ZK der SED.

© theater 89

Kultur: Zutiefst deprimiert

„Das Ende der SED“ – „theater 89“ hat ein Stück über die Selbstauflösung der DDR-Partei inszeniert

Der Stoff für dieses Stück stammt aus dem Gründungsjahr vom „theater 89“. Das freie Ensemble war wenige Monate alt, als sich die DDR und mit ihr die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, die SED, ziemlich überraschend auflöste. Hans-Hermann Hertle vom Zentrum für Zeithistorische Forschung hat sich die Tonbandaufnahmen der letzten Sitzungen des höchsten Parteigremiums angehört, aus den Mitschnitten entstand das Buch „Das Ende der SED. Die letzten Tage des Zentralkomitees der SED“.

„Kaum jemand liest ein Buch mit 500 Seiten, aber man schaut sich ein Theaterstück an“, sagt Regisseur Hans-Joachim Frank. Hertles Buch lieferte die Vorlage für das Stück, das noch ein Viertel jahrhundert später das Bedürfnis nach Aufklärung stillt. Das mag daran liegen, glaubt Frank, dass die Aufarbeitung der Wendezeit bisher überwiegend aus einseitiger Perspektive erfolgt sei und zumeist auf die der Staatssicherheit begrenzt blieb.

Die Tonbandmitschnitte waren selbstverständlich nie für eine Öffentlichkeit bestimmt gewesen und schlummerten im Parteiarchiv. Das Material habe sich hervorragend für eineTheaterinszenierung geeignet, so Frank. Spannende Dialoge, tumultartige Szenen, ein Land vor dem Untergang – „das ist ein bisschen wie bei Dantons Tod“, findet der Regisseur. Die originalen Dialoge wurden Wort für Wort beibehalten, nichts dazugedichtet: „Wir machen Dokumentationstheater“, sagt Frank. Anders als bei herkömmlichen Theaterstücken, wo der Schauspieler anhand des Textes seine Figur entwickelt, tragen hier die Schauspieler, alle aus der ehemaligen DDR, die Texte distanziert vor. Teilweise verstärken Masken und Kostüme den Effekt. „Wir wollen einen Gedankenraum für Aufarbeitung gemeinsam mit dem Publikum schaffen“, so Frank.

Die Personen auf der Bühne tragen ihre echten Namen, so Hermann Kant, der als Vorsitzender des Schriftstellerverbandes die Intellektuellen der DDR vertritt, der Leipziger Theaterdirektor Karl Keyser, aber auch der Vorsitzende der Staatlichen Plankommission Gerhard Schürer, der wie Werner Jarowinsky, stellvertretender Präsident der Volkskammer, sich traut, endlich eine realistische Analyse der ökonomischen Lage der DDR zu liefern und vor der drohenden Pleite warnt. „Die DDR wäre in spätestens zwei Jahren zahlungsunfähig gewesen“, heißt es.

Die meisten der etwa 180 Genossen im ZK habe die Konfrontation mit dieser Wahrheit „zutiefst deprimiert“, sagt Frank. Auch jetzt noch seien viele ehemalige DDR-Bürger nach wie vor überzeugt, es hätte damals gar nicht so schlimm um ihr Land gestanden, hört Frank in Begegnungen. Im Herbst 1989 wird in den Sitzungen des Zentralkomitees zum ersten Mal frei gesprochen und diskutiert. Jahrzehntelang waren den Mitgliedern Fakten vorenthalten worden, lag die Macht in den Händen von nur 25 bis 30 Leuten, die sich wiederum nach Moskau richten mussten. „Das war eine absolute Diktatur“, erinnert der Theaterleiter. Auch das soll an dem Abend deutlich werden.

Längst kommen nicht nur ehemalige Ostdeutsche in die Aufführungen, zu 75 Prozent sitzen Westdeutsche in den zumeist ausverkauften Vorstellungen. „Das ist kein bloßes DDR-Thema mehr“, sagt Frank. Für die Uraufführung suchte sich Frank einen ganz speziellen Ort aus: den Originalschauplatz des „politischen Theaters“, wie Frank es augenzwinkernd nennt, das heutige Auswärtige Amt, damals Sitz des ZK der SED.

Unter den Darstellern ist auch Bernhard Geffke, der von 1984 bis 1996 zum Ensemble des Hans Otto Theaters gehörte. Geffke spielt den Chef der Nationalen Volksarmee, General Heinz Hoffmann, sowie den Schweriner ZK-Abgeordneten Bernhard Quandt, eine „tragische Figur“.

„Das Ende der SED“ am Samstag, dem 27. Oktober, um 19 Uhr im Nikolaisaal, Wilhelm-Staab-Straße 10/11. Anschließend Podiumsdiskussion mit Regisseur Hans-Joachim Frank vom „theater 89“, der FDP-Politikerin Linda Teuteberg und Heinz Vietze von Die Linke, 1989 Erster Sekretär der SED-Kreis- sowie Bezirksleitung Potsdam, Karten für 16,80 Euro unter Tel.: (0331)28 888 28

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