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Kultur: Zum Verwechseln schön „Feuer und Flamme“ mit Kästners Lottchen

Wenn Wolf und Wölfchen miteinander traben, kann es schon mal passieren, dass man deren Namen verwechselt. So geschehen in der Rezension „Einsamkeit ist doof“ am gestrigen Dienstag mit den Namen der beiden Schauspielerinnen Ute von Koerber und Tania Feodora Klinger.

Wenn Wolf und Wölfchen miteinander traben, kann es schon mal passieren, dass man deren Namen verwechselt. So geschehen in der Rezension „Einsamkeit ist doof“ am gestrigen Dienstag mit den Namen der beiden Schauspielerinnen Ute von Koerber und Tania Feodora Klinger. Doch „Feuer und Flamme“ nehmen daran Schaden nicht. Am gestrigen Dienstag war für die gleichnamige Theatergruppe aus Braunschweig Zapfenstreich bei ihrer mehrtägigen Potsdam-Tournee im T-Werk. Ute von Koerber und Tania Feodora Klinger verabschiedeten sich mit Erich Kästners „Doppelten Lottchen“, darin es, wie passend, um Namensverwechselungen geht. Auch hier Spiel auf einer Off-Bühne, einziges Versatzstück eine Riesenkommode für alle Requisiten und Spielsituationen, egal ob hier Schule, Fleischerei oder die Wohnung der längst getrennt lebenden Eltern gespielt werden sollen (Bühne: Dirk Riethmüller).

Kästner selbst erwies sich in den Fünfzigerjahren mit dem „Doppelten Lottchen“ mal wieder als milder Avantgardist. Einmal machte er hier das Tabuthema Scheidung öffentlich, zum anderen entwarf er auch hier das Bild selbstbestimmter oder zumindest betont selbstbewusster Kinder. Trennen sich die Eltern, so werden hier barbarischerweise auch die Zwillinge getrennt. Luise lebt bei ihrem Vater, Lotte bei ihrer Mutter, doch die Verwicklungen gehen schon los, als die beiden Zehnjährigen im Ferienheim von Seebühl am Bühlsee aufeinandertreffen. Zuerst Eifersucht, doch nachdem sie einander als Geschwister erkannt haben, beschließen sie, zum jeweils anderen Elternteil zu gehen. Für diesen Identitätswechsel muss natürlich geübt werden, denn Lotte ist höflich, akkurat und bescheiden, Luise genau das Gegenteil. Und die getrennt lebenden Elternteile in Wien und München merken nix.

Natürlich ist so ein Stoff ungeheuer theaterträchtig, Situationskomik, Verstellung, Rollentausch, lange Gesichter, eine Fülle wechselnder Situationen und Figuren, all das schreit ja geradezu nach Darstellung. Ein Fall für die Schauspielerinnen von „Feuer und Flamme“, zumal sich die beiden ja bestens mit Clownerie, Situationskomik und gestischem Spiel auskennen. Für ihr „Ich bin Du und Du bist Ich“ sind sie bis in die Zopfspitzen gleich kostümiert, sonst aber grundverschieden. Schon das Einüben der jeweils anderen Art ist ein echtes Theatervergnügen, die Schlüsselszene beim Fotoautomaten sowieso. Die Handlung wird nach Berlin und München gelegt, das Alter der Zwillinge auf 12 heraufgesetzt.

Eine bewundernswerte Inszenierung des Schweizer Regisseurs Taki Papaconstantinou, edelste Schauspielerkunst bei Tania Klinger (Luise) und Ute von Koerber (Lotte). Ein ganz großes Ding. Hier musste ja jede Figur, jede Situation aus dem Nichts erspielt und glaubhaft gemacht werden. Das gelang durchgehend auf wunderbare Weise. Szenischer Einfallsreichtum, tolle Details ohne Ende: So wurden die Eltern mit deren Gesicht vor dem eigenen dargestellt, die Nachtruhe der Mädchen mit zwei Kissen hinter dem Kopf, Lehrerin Körner bekam einfach eine dicke Brille auf die Nase gesetzt. Viel Raum für Fantasie und Imagination. Nichts was hier nicht gestimmt hätte, trotz extrem häufiger Breaks und Erzähltextstellen, die Schauspielerinnen waren wirklich ein perfektes Paar, Zwillinge im Geist. Wie schon in „Großer Wolf, kleiner Wolf“ kam auch hier die Komik nicht zu kurz, Slapstick durch minimalste Gebärden, perfektes Timing und die Botschaft an ihre Eltern: Kommt doch wieder zusammen! Eine Superinszenierung. Wäre Platz, so hätte man noch mehr zu loben. Gerold Paul

Gerold Paul

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