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Kultur: Zu viel Frau und zu wenig Weibchen: eine posthume Liebeserklärung an die Knef

Für Hildegard Knef hatte der deutsche Nachkriegsfilm keine rechte Verwendung, das ist ja bekannt. Zu selbstbewusst, zu intelligent, zu viel Frau und zu wenig Weibchen, zu offen, zu ehrlich, zu aufreizend, zu viel von allem, was man selber nicht besaß.

Für Hildegard Knef hatte der deutsche Nachkriegsfilm keine rechte Verwendung, das ist ja bekannt. Zu selbstbewusst, zu intelligent, zu viel Frau und zu wenig Weibchen, zu offen, zu ehrlich, zu aufreizend, zu viel von allem, was man selber nicht besaß. Hildegard Knef – unser Bild zeigt sie 1962 mit Mario Adorf in der Wedekind-Verfilmung „Lulu“ – hat alles Mögliche gemacht und war auf allen möglichen Feldern gut, als Schauspielerin in Amerika, als Autorin, als Sängerin. Aber jetzt, wo ihr Vorhang unwiderruflich gefallen ist, bleibt doch ein Rest von Bitterkeit über ein Talent, dem sein engstirniges Land zu wenige Chancen bot.

Wenn man sich noch einmal die Bilder der jungen und der mittelalten Knef anschaut, dieses ziemlich einmalige Gesicht, und wenn man sich dazu die verschleierte Stimme und den klaren Geist in Erinnerung ruft – wie mickrig wirkt dann die Filmografie, die viel Mittelmaß und einigen Schrott enthält und wenig Bemerkenswertes. Das lag nicht an ihr. Als Sängerin durfte sie sich schon eher ausleben. Aber die Diagnose bleibt gültig: Deutschland hat einen Weltstar geschenkt bekommen und in seiner Dummheit kaum etwas daraus gemacht.

Hildegard Knef war keine ganz so besessene Sammlerin in eigener Sache wie Marlene Dietrich. Aber fast. Auch Hildegard Knef hat eine große Menge an Fotos, an Dokumenten, an Erinnerungsstücken hinterlassen. Die Stiftung Deutsche Kinemathek wird aus diesem Erbe eine Ausstellung machen.

Aber erst einmal gibt es ein Buch ihres Ehemanns Paul von Schell. Es ist eine Biografie in zum Teil sehr privaten Bildern, mit einem Vorwort, einem kurzen Essay von Stefan Pegatzky, einer Filmografie, den wichtigsten Lebensdaten. „Hilde“ (Henschel Verlag, 240 Seiten, 29,90 Euro) ist genau das geworden, was der Untertitel verspricht: „eine Liebeserklärung“. Knefs dritter Ehe mit dem deutlich jüngeren Schell hatte kaum jemand eine Chance gegeben, wie er selber schreibt. Aber sie hielt. Den Grund begreift man, wenn man Schells Text über seine Frau und ihren Tod liest – ein anrührendes, herzzerreißendes Dokument von bedingungsloser Hingabe und Liebe. So hat Hildegard Knef wenigstens in dieser Hinsicht Glück gehabt.

„Hilde“ ist in doppelter Hinsicht ein Abschiedsbuch. Der Henschel-Verlag hatte sich aus der DDR herübergerettet, der Name Henschel stand seit Jahren für opulente Bildbände und originelle Filmliteratur. Vorbei. „Hilde“ ist eines der letzten Henschel-Bücher. (mrt) Foto: Cinetext

Paul von Schell stellt sein Buch heute in den Kammerspielen des Deutschen Theaters vor, 20 Uhr. Außerdem lesen Christine Schorn und Ellen Schlootz Texte von Hildegard Knef. Der Abend ist ausverkauft.

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