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Kultur: Zeitläufe

14 Kapitel aus dem Leben von Erika Stürmer-Alex

Betritt der Besucher dieser Tage die Brandenburgische Landeszentrale für Politische Bildung prallt er im Eingangsbereich fast frontal auf eine Plastik. Ein seltsames kopfloses Wesen, das in seiner Zeichenhaftigkeit an ein Chromosom erinnert, stellt sich ihm in den Weg. Die gelb-rot-schwarze Plastik „Der Schritt“ entstand 1989 und die Künstlerin Erika Stürmer-Alex, der die aktuelle Exposition „Zeitläufe“ gewidmet ist, erinnert die auslösenden Momente des Entstehungsprozesses so: „Diese Plastik entstand, weil ich eine neue Technik ausprobieren wollte. Erst während der Arbeit formte sich der Schritt aus meinem Unbewussten und es entstand dieser Zeitbezug.“

Damit ist schon viel über die Arbeitsweise der bald 70-jährigen Künstlerin, die seit einem Vierteljahrhundert im Oderbruch lebt und sich in so gar keine Schublade stecken lässt, gesagt. Selbst zu DDR-Zeiten entzog sie sich dem offiziellen Ideen- und Zeichenhorizont, „unterwanderte“ vorgegebene Realismuspositionen und orientierte sich wesentlich an Moderner und Postmoderner Kunst. Neben Paul Klee und Pablo Picasso beeinflussten ihr Schaffen sowohl die Methoden des Action-painting als auch die Kunst der Naturvölker. Ihre über die Jahre nicht nachlassende künstlerische Wandlungsfähigkeit, so Monika Tschirner im Begleitkatalog, zeigt sich immer wieder im Crossover von verschiedenen Gattungen, Stilen und Materialien.

Das ist auch in dieser Ausstellung zu erleben, in der großformatige farbexpressive Ölbilder zum Thema Harmonie und Chaos neben formstrengen postkartengroßen Alugraphien, kindlich anmutenden Ritzzeichnungen auf braunem Möbelholz neben bleigrauen Laserkopien der geblitzten Autofahrerin – als originelles Selbstporträt – hängen. Beinahe alles, was ihr im täglichen Leben begegnet, kann Auslöser für ein Kunstwerk sein. Das ist in der Exposition, die den Untertitel „14 Kapitel“ trägt, auf ziemlich einmalige Weise nachzuvollziehen. Denn in Gesprächen mit der Ausstellungsmacherin Martina Schellhorn entstanden ausdrucksstarke Texte, die die Entstehungsgründe des jeweiligen Werkes und die Lebensgeschichte von Erika Stürmer-Alex in immerhin drei verschiedenen Gesellschaftssystemen erhellen.

Der Betrachter erfährt dabei genauso etwas von ihren „zwei Müttern“ wie über die Bewältigung des Verlustes von engen Künstlerfreunden, die 1984 die DDR verließen oder über ihre lebenslange Sehnsucht nach Venedig und dem Rosa von Pietro Longhi. Und ganz „nebenbei“ eben etwas über die Zeitenläufe. Denn die Idee, das Werk Erika Stürmer-Alex gerade in der Landeszentrale für Politische Bildung in Potsdam zu präsentieren, hatte Martina Schellhorn, als sie während ihrer Arbeit mit Jugendlichen und Schülern feststellen musste, „dass viele von ihnen noch nie vor einem richtigen Kunstwerk gestanden hatten“.

„Zeitenläufe“ ermöglich beides. Annäherung an unsere jüngste Geschichte und Einblicke in Entstehungsprozesse von Kunstwerken. Darüber hinaus kann die Ausstellung ermutigen, selbst schöpferisch tätig zu werden. Denn die grenzüberschreitende Kreativität und die Ideenvielfalt Erika Stürmer-Alex“, ihr Humor und ihre Ernsthaftigkeit, ihre Spiellust und ihr Ausdrucksstärke ermöglichen dies. Astrid Priebs-Tröger

Bis Februar 2008, Mo bis Mi 9 -18 Uhr, Do-Fr 9-15 Uhr, Friedhofsgasse.

Astrid Priebs-Tröger

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