Youtube-Star $ick im Waschhaus: Vom Junkie zum Grimme-Preis

Potsdam - „Alles andere als eine Lesung!“, lautete der Titel der Bühnenshow, mit der der Youtube-Star, Autor und Ex-Junkie mit dem Straßen- und Künstlernamen $ick am Dienstagabend sein Buch „Shore, Stein, Papier – Mein Leben zwischen Heroin und Haft“ vorstellte. Ein treffendes Motto: Aus dem Buch, das kurz nach Erscheinen 2017 auf der Spiegel-Beststeller-Liste landete, wird im Verlauf des Abends nur dreimal vorgelesen, der Rest besteht aus ebenso kurzweiligen wie haarsträubenden Anekdoten von Einbrüchen im Vollrausch, LSD-Horrortrips und Knastausbrüchen – inklusive praktischer Tipps.

Erzählungen aus seinem Leben

2012 betrat $ick die Internet-Bühne mit der Video-Serie „Shore, Stein, Papier“ und entwickelte sich daraufhin zu einem der ungewöhnlichsten Youtube-Stars im deutschsprachigen Raum: Alles, was man in den Videos sieht, ist $ick, mit einer Zigarette in der Hand an einem Küchentisch, der sein Leben erzählt – mit 15 Jahren zum ersten Mal Shore (Heroin) geraucht, in Beschaffungskriminalität abgerutscht, Gefängnis, Entzug, Therapie, Rückfälle. Die offene und authentische Art und Weise, wie $ick sich all dies von der Seele redete, brachte ihm zahlreiche Fans ein, viele seiner Videos wurden über hunderttausend Mal angeklickt. 2015 wurde „Shore, Stein, Papier“ mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Jetzt ist $ick auf Lese-Tour vor regelmäßig ausverkauften Häusern.

So nachdenklich wie auf Youtube trat $ick im Waschhaus nicht auf – hier ging es um Entertainment, genauer gesagt: „Dreckigen Straßenspaß“ ($ick). Eine Räuberpistole jagt die nächste: Einbrüche in Modehäuser am helllichten Tag, Flucht vor der Polizei, Gras-Geschäfte. Einmal bittet $ick sogar einen Gast, vorzuführen, wie man im Knast „pendelt“, also mit Besenstiel und Beutel Tabak oder Gras von einem Zellen-Fenster zum nächsten wirft.

Beinahe an Kokain zu Grunde gegangen

Aber auch die Tiefpunkte kommen zur Sprache, etwa als $ick vorliest, wie er beinahe an seiner Kokain-Sucht gestorben wäre, wenn ihn die Polizei nicht vor dem letzten, tödlichen Schuss mit der Spritze verhaftet hätte: „Durch den Nebel in meinem Kopf sehe ich den Sensenmann auf mich zukommen. Jedes Mal, wenn ich mir die Kanüle ins Fleisch bohre, kommt er einen Schritt näher, so nahe, dass ich glaube, ihn berühren zu können, wenn ich die Hand nach ihm ausstrecken würde.“

Es ist klar: Um Drogenprävention geht es an diesem Abend nicht, die „Lesung“ richtet sich an die Fans. So reißerisch die Storys auf der Bühne rüberkommen, so eindringlich und reflektiert wirken sie auf Youtube und im Buch. $ick besitzt großes erzählerisches Talent und gibt glaubwürdige Einblicke in eine gleichermaßen faszinierende wie erschreckende Halbwelt, die man in dieser Intensität und Detailfülle nur selten geschildert bekommt.

In Sachen Drogenprävention unterwegs

Mittlerweile ist $ick seit sechs Jahren clean und auch ganz ernsthaft in Sachen Drogenprävention an Schulen unterwegs Für ihn ist Youtube, das Buch und die Lesetour mehr als „nur“ Aufklärung und Unterhaltung: Zum Schluss der Lesung fragt ein Zuschauer, ob er noch in einer Therapie sei? „Nee“, sagt $ick. „Das hier ist meine Therapie!“