zum Hauptinhalt

Kultur: Woher das Geld kommt

Man muss nicht arm sein, um als Kämpfer für soziale Gerechtigkeit zu überzeugen. Einige der angesehensten Kapitalismuskritiker verfügen über ausreichend Kapital und halten teuer bezahlte Vorträge an Eliteuniversitäten.

Man muss nicht arm sein, um als Kämpfer für soziale Gerechtigkeit zu überzeugen. Einige der angesehensten Kapitalismuskritiker verfügen über ausreichend Kapital und halten teuer bezahlte Vorträge an Eliteuniversitäten. Schon John Fords Früchte des Zorns (1940), ein Klassiker des sozialkritischen Films, ist von Banken finanziert worden (Fr im Zeughauskino). Wie alle Hollywood-Mogule arbeitete Darryl F. Zanuck, der Boss von 20th Century-Fox, nicht mit eigenem Geld, sondern musste sich vor den Herren aus der Wall Street rechtfertigen. Die hatten nichts dagegen, dass Zanuck einen Film finanzierte, in dem verarmte Farmer von ihrem Grund und Boden vertrieben werden, weil die Banken die Pacht erhöht haben. Der Film schien ideal für einen Export in die Sowjetunion geeignet, doch er wurde zurückgezogen. Grund: Die bettelarme Familie Joad hat zwar keinen festen Wohnsitz, aber ein Auto.

Fords Film macht traurig und wütend; zur Revolution stiftet er nicht an. Die sogenannten Revolutionsfilme stammen fast ausnahmslos aus der Sowjetunion, den Prototyp lieferte Sergej M. Eisensteins Streik (Mo bis Mi im Lichtblick). Wenige Monate nach Lenins Tod gedreht, faszinierte dieser Erstling mit ungewohnten Montagetechniken, irritierte durch das Fehlen einer Hauptfigur, schockierte mit Gewaltdarstellungen. Aber war es revolutionär, einen Film über Arbeiteraufstände im zaristischen Russland anzusiedeln? Eisenstein konnte seiner Kreativität freien Lauf lassen, weil er keine Zensur fürchten musste. Die Obrigkeit, die er anprangerte, gab es nicht mehr.

Von einer sexuellen Revolution wurde erst in den späten sechziger Jahren gesprochen. Sexuelle Themen gab es im Kino der Weimarer Republik fast nur im Rahmen des Kolportagefilms. Eine rühmliche Ausnahme ist Wilhelm Dieterles Geschlecht in Fesseln . Die Sexualnot der Strafgefangenen (1928), den die Liga für Menschenrechte mitfinanziert hat (Di im Babylon Mitte). Dieterle selbst übernahm die Hauptrolle eines Mannes, der durch eine Haftstrafe von seiner Frau getrennt wird. Beide leiden unter der sexuellen Abstinenz und sind empfänglich für außereheliche Kontakte, was in seinem Fall den Kontakt zum eigenen Geschlecht bedeutet. Für heutige Verhältnisse wirkt die Behandlung des Themas brav, aber wer weiß, wie man in 100 Jahren über unsere „tabulosen“ Filme urteilen wird?

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false